Forderung der SPD:Fast alle im Stadtrat wollen kostenfreie Kitas

Kindertagesstätte in NRW

Lieb und teuer: Münchner Eltern zahlen den 400 Kitas der Stadt jährlich 50 Millionen Euro an Gebühren.

(Foto: Monika Skolimowska/dpa)
  • Die CSU und Teile der Opposition im Münchner Stadtrat zeigen sich gegenüber der Idee der SPD aufgeschlossen, dass Kinderbetreuung kostenlos werden soll.
  • Die SPD fordert jedoch auch Initiative vom Freistaat. Bildung sei schließlich Ländersache. Ministerpräsident Horst Seehofer hält sich bedeckt.
  • Unklar ist auch noch, wie die Kinderbetreuung dann genau finanziert werden soll.

Von Heiner Effern, Dominik Hutter, Melanie Staudinger und Wolfgang Wittl

Der Vorstoß der Rathaus-SPD für eine kostenlose Kinderbetreuung hat offenbar gute Chancen auf eine Mehrheit im Münchner Stadtrat. Sowohl der Bündnispartner CSU als auch Teile der Opposition befürworten die Idee, künftig auf die Erhebung von Kita-Gebühren zu verzichten. Gleichzeitig wächst der Druck auf den Freistaat, eine landesweite Lösung zu erarbeiten und die Kosten zu übernehmen. "Bildung ist alleinige Aufgabe der Länder", betont Münchens SPD-Chefin Claudia Tausend. Zwar sei es richtig, dass die Stadt in Vorleistung treten will, bis eine landes- oder bundesweite Initiative erfolgt. Dies könne aber nur vorübergehend gelten. "Es ist auf Dauer kein erfolgversprechender Weg, wenn Kommunen die Aufgaben von Bund und Ländern übernehmen".

Zwar gibt es durchaus Unmut in der CSU, dass die Sozialdemokraten im Alleingang vorgeprescht sind. "Äußerst befremdlich" sei das, findet die CSU-Bildungsexpertin Beatrix Burkhardt. Zur Überraschung aller Beteiligten kam das Thema aber in der montäglichen Koalitionsrunde der beiden notorisch zerstrittenen Partner nicht einmal zur Sprache. Es soll zunächst ganz sachlich auf der Fachebene diskutiert werden. "Wir haben das lieber selbst gemacht", sagt SPD-Fraktionschef Alexander Reissl ganz diplomatisch über die nicht abgesprochene Initiative seiner Partei. Als Retourkutsche will er das nicht verstanden wissen - CSU-Alleingänge wie die Bierpreisbremse dürften aber den Willen zur Kooperation nicht eben beflügelt haben.

Die nächsten Schritte muss nun das städtische Bildungsreferat ausarbeiten. "Es sind sehr viele Fragen offen", so Reissl. Die SPD will für die Finanzierung der Gratis-Kitas mehrgleisig fahren: Eine Grundgesetzänderung soll ermöglichen, dass sich auch der Bund an den Kosten für Kinderbetreuung beteiligen darf. Zunächst aber stehe der Freistaat in der Pflicht, der Stadt ihre Auslagen zu ersetzen.

Im Bildungsreferat wird bereits fleißig gerechnet, wie Schulbürgermeisterin Christine Strobl (SPD) berichtet. "Wir müssen genau wissen, was alles kosten würde und mit welchen Einrichtungen wir anfangen könnten", sagt sie. Und man müsse diskutieren, wie die Stadt vorgehen wolle, wenn der Bund oder der Freistaat entgegen allen Erwartungen nicht mitmache. Das angespannte Verhältnis zwischen den beiden Koalitionspartnern ist für sie kein Hinderungsgrund. "Am Ende werden beide Fraktionen sich daran messen lassen müssen, was sie gemeinsam erreicht haben", sagt Strobl, auch wenn die Idee jetzt von der SPD gekommen sei. Tatsächlich sind Unstimmigkeiten in der Münchner Bildungspolitik extrem selten. Oft wird lange um passable Lösungen gerungen, dass aber in diesem Bereich ein Partner dem anderen im Vorfeld nichts von seinen Plänen erzählt, ist Strobl zufolge noch nie vorgekommen.

CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl reagiert trotzdem pragmatisch: "Das Thema der Kita-Gebührenbefreiung entspricht voll und ganz unseren Forderungen nach finanzieller Entlastung der Münchner." Auch Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle sieht keinen Grund zur Konfrontation. "Ich bin sehr erfreut, wenn die SPD auf unsere Strategie ,Bezahlbares München' nun mit einem eigenen Vorschlag eingeht." Darüber müssten sich nun die Fraktionen im Stadtrat unterhalten, die CSU sei inhaltlich offen. Die Stadtrats-Grünen begrüßen die Idee prinzipiell, sehen die Kostenfreiheit aber nicht als primäres Anliegen. Sinnvoller sei es, zunächst die Zahl der Erzieher zu steigern, findet Stadträtin Jutta Koller. Auch Bayernpartei-Fraktionschef Johann Altmann befürwortet den Plan, gibt aber zu bedenken, dass mit kostenlosen Kita-Plätzen die Nachfrage noch steigen werde. Und schon jetzt hinke die Stadt beim Ausbau hinterher.

Die CSU spricht sich gerade mit der CDU ab

Ministerpräsident Horst Seehofer hält sich derzeit bedeckt. "Vorerst kein Kommentar", sagt der CSU-Chef mit Verweis auf unionsinterne Beratungen. CDU und CSU stecken derzeit den Kurs für ein gemeinsames Bundestagswahlprogramm ab. Bis zur Präsentation Anfang Juli sollen keine Details an die Öffentlichkeit dringen. Klar ist aber, dass die Kinder- und Familienpolitik im Wahlkampf der CSU einen Schwerpunkt bilden soll.

Wie die Stadt bei einem Alleingang den Wegfall der Kita-Gebühren auffangen will, dafür gibt es noch keinen Plan. Kämmerer Ernst Wolowicz hält die von der SPD-Fraktion genannten 150 Millionen Euro für noch sehr theoretisch. Belegt sei, dass die Eltern den 400 Kitas der Stadt jährlich 50 Millionen Euro an Gebühren bezahlen. Was die etwa 800 privaten Einrichtungen einnehmen, sei nur "eine grobe Schätzung", sagt der Kämmerer. In jedem Fall sei zu prüfen, welche "Schattenwirkungen" ein solcher Beschluss nach sich ziehen könnte, sprich ob Nachteile für die Stadt bei den Zuschüssen von Freistaat und Bund für die Kinderbetreuung entstünden.

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