Oktoberfest:So fühlt sich ein S-Bahn-Lokführer während der Wiesn

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Er fühlt sich wohl in all dem Trubel: S-Bahn-Lokführer Jörg Marcinkowski mit zwei Oktoberfestbesucherinnen aus Oberösterreich. (Foto: Robert Haas)

Jörg Marcinkowski macht sein Job zur Wiesnzeit besonders viel Spaß. Wie der S-Bahn-Lokführer mit prügelnden Fahrgästen und Wildbieslern im Gleisbett umgeht.

Von Marco Völklein

Eigentlich mag Jörg Marcinkowski die Wiesn nicht besonders. Wenn er doch mal aufs Oktoberfest geht, dann höchstens zu Fahrgeschäften. Den Kindern zuliebe. "In einem Bierzelt war ich zuletzt 1995", sagt der Lokführer, der seit 1984 auf diversen Loks gearbeitet hat und seit 2001 in und um München S-Bahnen steuert.

Aber Urlaub nehmen während der Wiesn-Zeit, um zum Beispiel in Urlaub zu fahren? So etwas komme für ihn nie infrage, sagt Marcinkowski. Er mag es, während dieser zwei Wochen Ausnahmezustand in den S-Bahnen unterwegs zu sein. "Die S-Bahn ist ein Massenverkehrsmittel", sagt der 50-Jährige. Und da müsse man für die Menschen eben da sein, wenn sie in Massen reindrängen.

Blut fließt, ein Nasenbein splittert

Wenngleich das Oktoberfest die Mitarbeiter der Deutschen Bahn wie auch die der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) vor ganz besondere Herausforderungen stellt. Gut 100 000 Fahrgäste zusätzlich sind jeden Tag allein bei der S-Bahn zu transportieren, bei der MVG legen Busse und Bahnen während der Wiesn 6000 Fahrten zusätzlich zurück. Die schiere Masse der Fahrgäste ist also das eine. Das andere ist, dass viele Passagiere nicht gerade nüchtern sind. Leute wie Marcinkowski müssen sich dann mit denen herumschlagen.

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Anekdote gefällig? Neulich abends, kurz nach Zeltschluss. Marcinkowski fährt mit seiner S-Bahn an der Hackerbrücke ein, in Schrittgeschwindigkeit, wie immer an Wiesn-Abenden. Die Masse schiebt und drängelt, Marcinkowski schließt die Türen. "Ich fahre gerade raus aus dem Bahnhof, da höre ich schon, wie es losgeht." Direkt im Abteil hinter dem Führerstand entspinnt sich eine wilde Rauferei. Zwei Burschen schlagen sich die Zähne ein, buchstäblich. Blut fließt, ein Nasenbein splittert. Ein Fahrgast drückt den Notruf. An der Donnersbergerbrücke ist die Fahrt schon wieder beendet.

Die Bundespolizei rückt an, nimmt die Personalien auf. Inspiziert den Zug, "der in einem solchen Fall Tatort ist und erst einmal nicht bewegt werden darf", sagt der Lokführer. Der Verkehr auf der Stammstrecke steht derweil. "Zwei Leute prügeln sich", ärgert sich Marcinkowski dann. "Und Tausende baden es aus."

Besoffene Wildbiesler im Gleisbett

In diesem Jahr hängt sich der Lokführer Marcinkowski sogar noch ein Stückchen mehr rein in den S-Bahn-Betrieb rund um die Wiesn. Dann verlässt er an drei Abenden den Führerstand und ist als "Schichtführer" direkt an der Hackerbrücke im Einsatz, sozusagen mitten drin im Gewühl. In enger Abstimmung mit den Beamten der Bundespolizei sorgt er dann dafür, dass der Betrieb am Oktoberfest-Bahnhof einigermaßen flutscht.

Wenn mal wieder Besoffene ins Gleisbett springen, um im Grünstreifen daneben Wasser zu lassen - Marcinkowski schlägt Alarm und stoppt kurz den Betrieb am Bahnhof, während die Bundespolizisten die Wildbiesler zurück auf den Bahnsteig holen. Wenn sich verwirrte Menschen zu Fuß auf den Weg zum Hauptbahnhof machen und am östlichen Bahnsteigende direkt auf das Tunnelportal zusteuern - Marcinkowski schreitet ein. "Ich bin Auge und Ohr der Leitstelle."

Und Ratgeber für die vielen Fahrgäste aus aller Welt. Neulich fragten ihn ein paar verwirrte Touristen nach einem Besuch auf der Festwiese, wie sie denn nach Herrsching kommen: "Wo fährt die S 5?" Marcinkowski schaute rasch auf den Plan, den die Besucher ihm hinhielten. Und lachte laut auf. Die Übersicht stammte aus der Zeit um die Jahrtausendwende, wohl aus einem alten Reiseführer. "Die S 5 fährt schon seit 2009 nicht mehr", antwortete Marcinkowski. Und setzte die Besucher in die nächste S 8.

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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