Nockherberg-Singspiel:"Wir sind in unseren eigenen Kugelhagel gerannt"

Monatelang hat sich der Machtkampf in der CSU hingezogen, auf dem Münchner Nockherberg wird er an nur einem Abend gelöst - endgültig. Und eine gewinnt.

Von Wolfgang Görl

1 / 9
(Foto: dpa)

Überfahren, erstochen, erschossen oder eine billige Fälschung: "Die glorreiche 7" strandet zu dritt im Wilden Westen und sucht nach vier neuen Mitgliedern - um dann plötzlich einen zu viel zu haben. So lässt sich die Rahmenhandlung des Nockherberg-Singspiels sehr grob zusammenfassen, Richard Oehmann und Stefan Betz haben bei ihrer Drehbuch- und Regie-Premiere aber noch viel mehr untergebracht. Und wenn man das von Evi Stiebler und Betty Morell gestaltete Bühnenbild anschaut, wird man ein dezent platziertes Denkmal für Marcus H. Rosenmüller entdecken, den famosen Vorgänger der neuen Regisseure: Auf der Holzfassade der Western-Bäckerei, die zwischen Saloon und Totengräber-Bude steht, prangt der Name "Rosemiller". Im Bild Christoph Zrenner als Horst Seehofer - dem der Abschied im Singspiel so schwerfällt, dass ihm ein eigenes Lied gewidmet wird: "Sieh es ein, alter Horst, du musst jetzt gehen. Du durftest viel erreichen, nun solltest du dich schleichen."

2 / 9
(Foto: dpa)

Zeit, die Kulisse zu bestaunen, bleibt aber nicht viel, denn da steht schon Dieter Reiter, parodiert von Gerhard Wittmann, auf der Bühne, öffnet mit dem Spruch "Rauszogn is!" eine Whiskeyflasche und trinkt: "Auf einen friedlichen Western!". Reiters Morgenlied ist eine, nun ja, anrührende Hommage an die Heimat: "In der Hoamat hat des Hirnkastl Pause, weil z'Haus is am Schönsten daheim."

3 / 9
(Foto: dpa)

Als dann ein verwahrloster Indianer (Stefan Murr) die Whiskeyflasche klaut und auch noch den mit Zunftzeichen geschmückten Maikaktus schändet, ahnt man schon, dass dies eine skurril-aberwitzige Revue werden wird. Da darf natürlich Markus Söder nicht fehlen, genauer gesagt, "El Marco", der präpotent auftretende Held im Texmex-Look - wieder mal eine Paraderolle für den formidablen Stephan Zinner, der hier seinem Affen reichlich Zucker geben darf.

4 / 9
(Foto: Stephan Rumpf)

El Marco wird begleitet von einem Fanklub, drei Gauchos von der Jungen Union (Ferdinand Schmidt-Modrow, Andreas Unterreiner, Dominik Glöbl) mit "El-Marco-Schildern", die jeden Satz ihres Idols bejubeln. El Marco ist der Boss, aber es gibt noch einen anderen Boss: Horst Seehofer (Christoph Zrenner). Wenn der eine "Hüh" sagt, sagt der andere "Hott", aber beide tun so, als wären sie unzertrennliche Freunde. Kein Wunder, dass Cowgirl Ilse Aigner (Angela Ascher) es langsam satt hat, mit den zwei Alpha-Männer umherzuziehen: "I bin schon vui z'lang mit de zwoa unterwegs."

5 / 9
(Foto: dpa)

Tja, eigentlich will die Marco-Horst-Bande ein glorreiches Septett bilden, aber dazu fehlt es an Leuten. Zusammen mit Ilse sind sie nur zu dritt, die anderen sind auf der Strecke geblieben. "Wir sind in unseren eigenen Kugelhagel gerannt", klagt Seehofer. Da trifft sich es sich gut, dass der Grüne Anton Hofreiter (Wowo Habdank) auf einem Steckenpferd einreitet und seine Dienste anbietet: "Ich hab gehört, hier werden Helden gesucht." Womit er kämpft, macht er auch gleich klar: "Meine Waffe ist der Humor."

6 / 9
(Foto: dpa)

Und noch eine Kandidatin kommt: Natascha Kohnen, die Calamity-Kohnen, hinreißend echt dargestellt von Nikola Norgauer (auf dem Bild mit Cowgirl Angela Ascher als Ilse Aigner). "Ach, es ist schon ein Dilemma. Man sieht nichts von meinem Glamour. Mit Gejodel wär ich populär:" Und dann jodelt sie tatsächlich, so virtuos wie noch nie ein Sozi.

7 / 9
(Foto: Stephan Rumpf)

Oehmann und Betz haben gar nicht erst versucht, allzu viel Tagespolitik in ihr Spiel einzubauen. Viel mehr geht es um die Figuren selbst und um die vertrackten Verbindungen untereinander. So ist es herrlich komisch, wie Seehofer sein Abschiedslied - Tobias Weber hat die tolle Musik des Singspiels geschrieben - anstimmt, und nach jedem "Pfüagott" postwendend wieder zurückgekehrt, denn seine Mission ist ja noch nicht zu Ende: "Ich wollt' ja noch diese Startbahn bauen. Und verhindern!" Aber nicht mit El Marco, der gebetsmühlenartig zurücksingt: "Sieh es ein, alter Horst, du musst jetzt gehen." Und allmählich stimmen alle ein. Traurig, gewiss, aber Seehofer fällt ja weich: in die Arme von Angela "Angelina" Merkel (Antonia von Romatowski, im Bild mit Markus,links, und El Marco Söder), einer hochaufgebrezelten Saloon-Kurtisane, deren Devise lautet: "Ich bring die Männer um den Verstand mit verschärfter Langsamkeit."

8 / 9
(Foto: dpa)

Dann aber große Aufregung, Reiter schlägt Alarm: "Ab sofort herrscht in der gesamten Stadt Indianerwarnung." Für El Marco ist das kein Anlass, seinen Hochmut sinken zu lassen: "Keine Panik! Wir gestalten das Blutbad so subtil wie möglich." Es kommt aber nur ein einsamer Krieger, der sich beklagt, was man aus seinem Land gemacht hat. "Da is unser Zelt gstanden, da die Schwitzhüttn und da vorn der Hobbywigwam." Und jetzt. Alles weg. El Marco ficht das nicht an: "Wer seine Heimat liebt, der versiegelt sie."

9 / 9
(Foto: Stephan Rumpf)

Erneut Indianerwarnung. Diesmal schlägt der Totengräber (Claus Steigenberger) Alarm. Was dann folgt, ist die größte Überraschung des Abends. Ist tatsächlich ein Coup. Apanatschi tritt auf, die wirkliche, echte und wahrhafte Apanatschi, die schöne Indianer-Squaw aus dem Winnetou-Film von 1966, wie damals gespielt von der wirklichen, echten und wahrhaftigen Uschi Glas. Wäre die Jungfrau Maria plötzlich auf der Nockherberg-Bühne erschienen, die Verblüffung wäre nicht geringer gewesen. Apanatschi ist mittlerweile eine Immobilien-Investorin, eine, die die ganze Westernstadt gekauft hat. Und leider, die Mieten werden da schon steigen, nicht jeder wird mithalten können. Eine moderne Indianerin wie Apanatschi kennt da keine Schmerzgrenze: "Mei, Heimat muss man sich halt auch leisten können."

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: