Der Amtswechsel an der Münchner Stadtspitze ist vollzogen: Die Vollversammlung des Stadtrats hat am Mittwochvormittag Dominik Krause, den bisherigen Fraktionschef von Grünen/Rosa Liste, zum neuen Zweiten Bürgermeister gewählt. Krause erhielt 40 der 78 abgegebenen Stimmen; 21 waren ungültig, der Rest ging an andere Personen.
Krause folgt auf seine Parteikollegin Katrin Habenschaden, die das Amt zuvor niedergelegt hatte, weil sie einen Job in der freien Wirtschaft annimmt, bei der Deutschen Bahn. Da sie formal aber noch bis zum Ende des Tages amtiert, kann Krause erst bei der nächsten Vollversammlung vereidigt werden; die findet in fünf Wochen statt, am 29. November.
Es sei für ihn "eine sehr große Ehre", bedankte sich Krause unmittelbar nach seiner Wahl zum Bürgermeister. Er kündigte in einer kurzen Rede an, in seiner neuen Funktion nicht mehr nur für die Interessen seiner Partei und ihrer Wählerinnen und Wähler zu stehen, sondern ein Ansprechpartner für alle Münchner werden zu wollen. In einer Zeit immer stärkerer Polarisierung sei es eine wichtige Aufgabe, "Menschen zusammenzubringen und sich für gegenseitiges Verständnis einzusetzen".
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Angesichts dieser Worte darf man gespannt sein, inwieweit ihm eine Annäherung an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gelingt. Das Verhältnis der beiden Männer an der Stadtspitze gilt als distanziert, nicht erst seit Krauses jüngster Kritik am OB im August.
Politisch ist Krause weiterhin überzeugt, dass sich die Stadt wandeln muss, um in Zukunft bestehen zu können. Nun geht es für ihn aber nicht mehr nur darum, den Wandel zu gestalten und nötigenfalls als Fraktionschef auch gegen Widerstände durchzusetzen, sondern Menschen, die deswegen "Sorgen haben, mitzunehmen".
Auf diesem Weg sei es keine Schmach, auch mal eigene Fehler einzugestehen, sagte Krause. Nicht nur den Bürgern, auch der Opposition im Stadtrat machte er ein Angebot: Er wolle immer ansprechbar sein, seine Tür stehe offen "nicht nur für die Mehrheitsfraktionen".
Gewählt hat ihn die Opposition deshalb trotzdem nicht. Die CSU werde unabhängig von der Person niemandem ihre Stimme geben, der für die Ziele dieses Koalitionsvertrags stehe, sagte Fraktionschef Manuel Pretzl schon vor der Abstimmung. Die ÖDP stellte ihren Fraktionschef Tobias Ruff als Gegenkandidaten auf, er erhielt immerhin sechs Stimmen.
Offene Zweifel an der Eignung Krauses äußerte Jörg Hoffmann, Vorsitzender der Fraktion FDP/Bayernpartei. In der bisherigen politischen Arbeit von Krause habe er die Fähigkeit zum Kompromiss und zum Zusammenführen nicht erkennen können, sagte Hoffmann. Und Hoffmann ging in seiner Kritik noch weiter: Er bedauere es außerordentlich, dass die SPD den Rückzug Habenschadens nicht dazu genutzt habe, die Koalition mit den Grünen aufzukündigen. Ganz uneigennützig war diese Kritik nicht. Die FDP hätte eine womöglich knappe oder nicht ausreichende Mehrheit von CSU und SPD "mit unseren Stimmen gestützt", so FDP-Vertreter Hoffmann.
Doch die Koalition steht nach wie vor, auch wenn angesichts des Ergebnisses wohl der eine Stadtrat oder die andere Stadträtin Krause die Stimme verweigert hat. Insgesamt verfügt die Koalition über 43 Stimmen. Doch auch mit den 40 erhaltenen Voten ist Krause mit deutlicher Mehrheit gewählt und mit seinen 33 Jahren nun der jüngste Bürgermeister Münchens nach dem Zweiten Weltkrieg.
Hans-Jochen Vogel (SPD) war 34, als er 1960 zum Oberbürgermeister gewählt wurde. Krause ist zudem der erste Münchner Bürgermeister, der offen in einer schwulen Beziehung lebt. Ob er bei der nächsten Kommunalwahl 2026 als OB-Kandidat antritt, mit dann 36 Jahren, muss seine Partei erst noch entscheiden.
Über genügend kommunalpolitische Erfahrung verfügt Dominik Krause, er hat sie in fast einem Jahrzehnt gesammelt: Er wurde 2014 erstmals in den Stadtrat gewählt, stieg schnell in den Fraktionsvorstand auf und übernahm diesen gemeinsam mit Mona Fuchs vor knapp eineinhalb Jahren. Nach der Rücktrittsankündigung von Katrin Habenschaden, 46, rückte er damit automatisch in den Kandidatenkreis für ihre Nachfolge, zumal Mona Fuchs keine diesbezüglichen Ambitionen hegt.
Da er gemeinsam mit Katrin Habenschaden einen langen Weg gegangen sei, fühle es sich jetzt "passend an, gegebenenfalls in ihre Fußstapfen zu treten", sagt Krause. Beide sind gemeinsam in den Stadtrat gekommen und haben parallel Karriere gemacht. 2020 absolvierten sie gemeinsam den Kommunalwahlkampf, Krause als Stadtvorsitzender der Grünen im Hinter- und Habenschaden als Spitzenkandidatin im Vordergrund.
Für die scheidende Bürgermeisterin fühlt es sich deshalb richtig an, dass nun ihr langjähriger Wegbegleiter in ihr Büro einziehen wird. Krause sei ein "wahnsinnig aktiver Stadtrat, der jede Vorlage bis zum letzten Satz durchgearbeitet hat", sagte sie vor dem Amtswechsel. Schon in ihrer ersten gemeinsamen Amtsperiode, als die Politik noch von vielen älteren Kollegen im Stadtrat dominiert worden sei, habe sich Krause "Respekt verschafft".
Krause ist gebürtiger Münchner, er machte 2009 sein Abitur am Louise-Schroeder-Gymnasium in Allach-Untermenzing. Die Schule ist benannt nach einer SPD-Politikerin, die einst in Berlin als Bürgermeisterin amtierte. Von Mai 1947 bis Dezember 1948 besetzte sie kommissarisch den Posten, weil der gewählte Ernst Reuter wegen eines Einspruchs der sowjetischen Besatzungsmacht das Amt zunächst nicht antreten konnte. Doch aus der "Vorstadt-Blase" führte Krause der Weg dann nicht zu den Sozialdemokraten, sondern zu den Grünen.
Während seines Zivildienstes an der Montessori-Schule in Großhadern erlebte er, wie offen sich Neonazis an einem nahen Kriegerdenkmal in Forstenried zeigten. Das war der unmittelbare Auslöser für sein politisches Engagement. Er widmete sich dann dem Kampf gegen Rechtsextremismus, suchte nach einer Partei, die seine Ideale teilte, und trat schließlich bei der Grünen Jugend ein. Bald wurde der Student gefragt, ob er sein Thema nicht auch im Stadtrat vertreten wolle.
Parallel trieb Krause sein Studium voran, machte zwischendurch für die Politik aber auch mal länger Pause. Während seines Studiums an der TU München liebäugelte er kurz mit einer Karriere in der Astrophysik, blieb dann aber doch in Vollzeit in der Politik. Der studierte Physiker hat sich bislang sehr für die Energiewende engagiert, für seine Masterarbeit hat er ein entsprechendes Modell für München entworfen. "Wir brauchen die Energiewende, es gibt keine Option, das weiter laufen zu lassen", sagt er.
Mit dem Amt des Zweiten Bürgermeisters nimmt er nun erstmals ein hohes städtisches Amt ein.