Zweite Bürgermeisterin:Politisches Beben in München: Katrin Habenschaden legt Amt nieder

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Katrin Habenschaden, Grüne, hat ihr Amt als Zweite Bürgermeisterin von München niedergelegt. (Foto: Florian Peljak)

Die grüne Bürgermeisterin wechselt überraschend auf einen Posten bei der Deutschen Bahn. In einer Stellungnahme deutet sie an, dass ihr der Politikbetrieb zugesetzt habe.

Von Heiner Effern

Bürgermeisterin Katrin Habenschaden von den Grünen steigt völlig überraschend aus der Politik aus und wechselt auf einen Posten bei der Deutschen Bahn in Berlin. "Ich habe heute den Oberbürgermeister informiert, dass ich das Amt der Zweiten Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München sowie mein Stadtratsmandat zum nächstmöglichen Zeitpunkt niederlegen werde", schreibt die 46 Jahre alte Politikerin in einer Erklärung. Diese Entscheidung sei ihr "sehr schwer gefallen". Sie habe das Amt mit großer Begeisterung ausgefüllt und der Aufgabe seit dreieinhalb Jahren alles untergeordnet.

Die Fraktion der Grünen verabschiedet ihre Bürgermeisterin mit warmen Worten. "Katrin Habenschaden hat sich in den vergangenen Jahren bleibende Verdienste um die Grüne Politik in München erworben. Am Wahlerfolg 2020 und dem damit verbundenen Bedeutungszuwachs der Grünen-Fraktion hatte sie großen Anteil", erklärte Fraktionschefin Mona Fuchs. Habenschaden sei maßgeblich daran beteiligt gewesen, "dringend notwendige Reformen für den Klimaschutz und die Mobilitätswende einzuleiten und Münchens Gesicht als weltoffene Metropole zu erhalten".

Auch Co-Fraktionschef Dominik Krause zeigte Trauer und Verständnis zugleich. "Wir werden die Zusammenarbeit mit ihr vermissen, respektieren aber selbstverständlich ihren Entschluss, mehr auf ihre Gesundheit zu achten und eine neue Tätigkeit aufzunehmen, in der sie nicht permanent dem Blick der Öffentlichkeit ausgesetzt ist."

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Die beiden Fraktionsvorsitzenden sind auf den ersten Blick auch die potenziellen Nachfolger für das Amt in der Stadtspitze. Für Krause könnte sprechen, dass er dem Stadtrat bereits seit 2014 angehört und als Fraktionschef über mehr Erfahrung verfügt als Fuchs. Diese könnte dann die Verantwortung für die Politik der Fraktion noch stärker übernehmen. Auch die nächste Spitzenkandidatur für das Amt des Oberbürgermeisters steht damit wieder offen. Es galt in der Partei als ausgemacht, dass Habenschaden einen zweiten Versuch starten soll.

Habenschaden deutet an, dass ihr der politische Betrieb zugesetzt hat. "In den vergangenen Monaten habe ich gemerkt, dass die Belastung durch die öffentliche Rolle Spuren hinterlassen hat", schreibt sie. Offensichtlich ging das an die Substanz. Das Amt mit halber Kraft auszufüllen, sei für sie keine Option gewesen, heißt es weiter in der Mitteilung. Die Grünen-Politikerin gehört dem Stadtrat seit 2014 an. Schon vier Jahre später stieg sie zur Fraktionssprecherin auf. 2020 kandidierte sie dann für das Amt der Oberbürgermeisterin, verpasste jedoch die Stichwahl gegen Dieter Reiter (SPD) knapp. Mit Beginn der Amtsperiode wurde die bei den Grünen sehr beliebte Politikerin zur Zweiten Bürgermeisterin gewählt.

Bei der Deutschen Bahn wird sie den Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit übernehmen

Oberbürgermeister Reiter äußerte Respekt und Bedauern über den Rückzug Habenschadens. Sie habe ihn am Mittwoch in einem persönlichen Gespräch informiert, schreibt er. "Ich bedanke mich für die langjährige, immer konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Frau Habenschaden hat sich in den Jahren als Zweite Bürgermeisterin sehr engagiert für die Belange der Münchnerinnen und Münchner eingesetzt".

Auch SPD-Fraktionschefin Anne Hübner würdigte die Zusammenarbeit mit der Bürgermeisterin. "In den vergangenen dreieinhalb Jahren haben wir gemeinsam mit ihr viele wichtige Entscheidungen für die Münchnerinnen und Münchner auf den Weg gebracht und umgesetzt", teilte sie schriftlich mit. Ihre Fraktion habe die Grüne "als engagierte Politikerin schätzen gelernt, die ihre Ziele mit Elan und pragmatisch verfolgt hat".

Der Stadtverband der Grünen sandte der scheidenden Bürgermeisterin betrübte, aber respektvolle Grüße nach. Die Münchner Vorsitzende Svenja Jarchow verwies auf die "herausragende Arbeit für ihre Herzensstadt München". Jarchows Partner an der Münchner Parteispitze, Joel Keilhauer, zollte dem Einsatz Habenschadens Respekt. Sie habe "immer 100 Prozent gegeben", schrieb er. "Sie wird uns als charismatische Politikerin mit klaren Visionen und dem Blick für eine konkrete politische Umsetzbarkeit, die Menschen auch über Parteigrenzen hinweg verbindet, in Erinnerung bleiben."

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Die CSU verabschiedete Habenschaden mit einem sehr knappen öffentlichen Statement. Noch kurz bevor Habenschaden ihren Abschied bekannt gegeben hatte, kritisierte Pretzl sie wegen des aus seiner Sicht unnötigen Dieselfahrverbots scharf. "Im Namen der CSU-FW-Stadtratsfraktion danke ich Katrin Habenschaden für ihren engagierten Einsatz für die Landeshauptstadt München", schrieb Fraktionschef Manuel Pretzl dann am frühen Abend. "Wir wünschen ihr für die Zukunft alles Gute."

Habenschaden hat ihre Zukunft außerhalb der Politik bereits geplant. Ende dieses Jahres werde sie bei der Deutschen Bahn den Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit übernehmen und leiten, erklärte sie. "Die ökologische Transformation der Bahn zu konzipieren, ist eine Herausforderung, auf die ich mich sehr freue. Die neue Aufgabe ist weit weniger öffentlichkeitswirksam, bietet aber die große Gelegenheit, Umwelt- und Klimaschutz sowie die Mobilitätswende deutschlandweit voranzubringen." Sie sei in die Politik gegangen, um "insbesondere einen Beitrag zu leisten für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz". An diesem Anliegen habe sich nichts geändert, "deshalb werde ich mich auch in Zukunft mit aller Kraft dafür einsetzen".

Die Deutsche Bahn (DB) bestätigte die Verpflichtung Habenschadens noch am Mittwochnachmittag. "Mit Katrin Habenschaden gewinnen wir als DB eine erfahrene und begeisterte Nachhaltigkeitsexpertin", ließ sich der Vorstandsvorsitzende Richard Lutz zitieren. Habenschaden habe durch ihre berufliche Laufbahn Erfahrung mit Transformationsprozessen, die sie nun bei der Bahn einbringen könne. Sie werde in ihrer neuen Funktion direkt an Lutz berichten, heißt es in der Mitteilung der Bahn.

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