Frühling in München:Wenn der Sommer nicht mehr weit ist

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Feuer frei: Die Isargriller schüren schon die Kohlen - hier eine Gruppe an der Tierparkbrücke. (Foto: Robert Haas)

Die Münchnerinnen und Münchner genießen den ersten echten Frühlingstag, die Stadt besteht hauptsächlich aus Warteschlangen an Eisdielen und Biergärten. Ein Spaziergang zu Sonnenbadern, Eisbachsurfern und Isargrillern.

Von Stephan Handel

Wenn der Sommer nicht mehr weit ist, kann's schon sein, dass der Himmel wie ein Opal ausschaut. Das ist dem Münchner und seinen Touristen aber erst einmal wurscht, denn sie müssen jetzt zunächst Schlange stehen. Am Samstagnachmittag, dem ersten richtigen Frühlingsnachmittag in diesem Jahr, würde München von oben wahrscheinlich aussehen wie ein Terrarium voller Riesen-Reptilien: Schlangen vor den Biergärten, Schlangen vor den Cafés, Schlangen vor den Eisdielen.

Menschenschlangen natürlich. Der Biergarten am Viktualienmarkt ist brechend gefüllt, dennoch steht eine ganze Menge Wartender an der Einlasskontrolle, während nebendran ein Stadtführer seinen Urlaubern erklärt, warum man in einen bayerischen Biergarten sein Essen selber mitbringen darf. Die Zuhörer schauen ein bisschen ungläubig, denn der Stadterklärer erklärt diesen Umstand genau unter einem Schild, auf dem steht, dass es nicht erlaubt sei, Essen in den Biergarten mitzubringen. So bekommen sie gleich noch eine Lektion in Münchner Dialektik.

Nicht nur der Biergarten ist voll - wo immer die Sonne auf einen Tisch und einen Stuhl scheint, ist kein Platz mehr zu finden: Beim Ochsenbrater, droben beim Pschorr, im Cafézelt Nymphenburg - eine Gruppe junger Leute hat sich in weiser Voraussicht die Zutaten für den Aperol Sprizz gleich selber mitgebracht, steht vor einem Kartoffelstandl und prostet sich zu. Die Standlleute sehen nicht ganz so glücklich aus - zwar ist der Markt voll, aber die meisten sind als Seh-Leute gekommen, nicht als Kauf-Leute.

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Mittelalte Männer haben schon umgestellt auf kurze Hosen, Tennissocken und Sandalen

Das ist oben in der Fußgängerzone anders. Hier sind die Geschäfte ebenso voll wie die Straßen und die Freischankflächen sowieso. Bei der vom Donisl ist eine sechsköpfige Lederhosn-Gang nachmittags um drei schon zu Massen übergegangen, damit was weitergeht. Mehrere lebende Statuen kämpfen rund um die Mariensäule schweigend um die Aufmerksamkeit und das Kleingeld des Publikums. Am meisten Erfolg hat einer, der sich mit einem kleinen Buben fotografieren lässt, ein Selbstläufer, denn als die anderen kleinen Buben das sehen, wollen sie natürlich auch.

So warm ist's eigentlich gar nicht, im Schatten weht ein nicht sehr angenehmer kühler Wind. Alle Variationen an Kleidung sind trotzdem zu sehen, manche haben noch ihre Anoraks an, andere bezeugen mit T-Shirt und ärmelloser Daunenweste ihre Unentschlossenheit. Viele mittelalte Männer haben aber schon wieder auf Sommerbekleidung umgestellt, wozu sie die knielange Cargo-Hose aus dem Schrank holten, außerdem Tennissocken und Bequemsandalen.

Bei den Brunnen am Viktualienmarkt hat der städtische Spritzbrunnenaufdreher die Hälfte seines Jahrespensums schon absolviert - die größeren hingegen liegen noch unter Holzverschalungen, so der Wittelsbacher Brunnen am Lenbachplatz und der am Rindermarkt. Das hat den Vorteil, dass die Verschalungen super als Sonnendeck genutzt werden können, Dutzende liegen drauf und arbeiten an ihrem Vitamin-D-Haushalt. Das ist drüben im Englischen Garten nicht anders: Die Mono-Wiese, die so heißt, weil man vom Monopteros auf sie herunterblicken kann, ist gut gefüllt, alles friedlich und auf Abstand bedacht - es gibt ja jetzt auch nur noch wenige Kontaktbeschränkungen, anders als vor eineinhalb Jahren, als die Polizei ständig größere Zusammenrottungen auflöste.

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(Foto: Robert Haas)

Die Biergärten wie der am Viktualienmarkt sind voll.

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(Foto: Robert Haas)

Brunnenabdeckungen wie hier am Rindermarkt dienen als Sonnendecks.

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(Foto: Robert Haas)

Die Menschen genießen das Wetter im Zentrum...

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(Foto: Robert Haas)

...und auf der Mono-Wiese, wie der Rasen unterhalb des Monopteros im Englischen Garten genannt wird.

Über der Isar steht schon wieder die bekannte Wolke aus Holzkohlenrauch und Grillfleischgeruch

Ach so, da war doch noch was - Pandemie? Ukraine-Krieg? Energiepreise? Wiesn-Diskussion? Das ist alles ganz weit weg an diesem wunderbaren blauen Sonnensamstag, was wahrscheinlich eine Verdrängung ist, aber schön ist es eben auch, das Jetzt genießen und das Hier, was genau in diesem Moment Tausende am Chinesischen Turm tun und Tausende im Seehaus-Biergarten. Dass an der Eisbachwelle die Surfer surfen, ist nichts Besonderes, das machen die ja ganzjährig. Nur die Zuschauer sind wieder zahlreicher geworden und ihre Bewunderung für die tollkühnen Männer und Frauen in ihren Neopren-Anzügen würde wahrscheinlich noch mehr steigen, wüssten sie, dass die Wassertemperatur bei etwa sieben Grad liegt, was annehmbar ist für innere Anwendungen - das ist ungefähr die ideale Trinktemperatur für Bier -, aber äußerlich ist es einfach viel zu kalt. Deshalb wohl ist kein Schwimmer im Bach zu sehen und die wenigsten Menschen auf der Wiese haben den Oberkörper freigemacht.

Nicht viel anders sieht es am Flaucher aus - mit dem Unterschied, dass dort viele ihre tragbare Heizung selbst dabei haben: Angegrillt wird! Bald steht über der Isar die bekannte Wolke aus Holzkohlenrauch und Grillfleischgeruch, das wird jetzt bis in den Herbst so bleiben. Die Freiluftküche erstreckt sich bis zum Tierpark nach Thalkirchen; irgendjemand müsste mal ausrechnen, wie viele Schweine an einem durchschnittlichen Grillsamstag am Flaucher verzehrt werden.

Der erste Frühlingstag schmeckt wie immer nach Stracciatella, Augustiner und Leichtigkeit

In der Fußgängerzone ist es währenddessen eher noch voller geworden. An der Ampel am Stachus kann das Stück Fußgänger- und Radweg zwischen Fahrbahn und Gleis die Menge der Passanten nicht mehr fassen, die gerade herankommende Tram muss warten, bis sie ihre Spur geräumt haben. Vor dem Alten Peter wartet eine Schlange von bestimmt 100 Menschen darauf, den Turm besteigen zu dürfen, um von oben herabzuschauen auf die Stadt der Schlangen. Nicht viel kürzer ist die Schlange vorm Café Kaiserschmarrn über dem Rischart am Viktualienmarkt, das das Glück hat, über eine Sonnenterrasse zu verfügen. Wer allerdings das Pech hat, seine Tische und Stühle im Schatten der Straßenschluchten aufstellen zu müssen, bei dem bleiben doch noch Plätze frei - aber nicht viele, der Andrang ist zu groß, als dass man einen freien Tisch verschmähen könnte.

Nach zehn Jahren Bauzeit
:Südturm der Frauenkirche wieder geöffnet

Wer den grandiosen Ausblick erleben möchte, kann sich dank Modernisierung nun sogar die 486 Stufen nach oben sparen. Ein neues Hochgefühl auf 98,45 Metern.

Von Andrea Schlaier

Die neueste Attraktion in München ist ja angeblich der nach zehn Jahren Renovierung wiedereröffnete Südturm der Frauenkirche. Erstaunlich: Zwar schauen sich viele Menschen den Dom an - aber den Aufstieg auf 99 Meter zu 7,50 Euro ist zumindest an diesem Sonntag noch nicht so begehrt. Der Stau, die Schlange entsteht hier merkwürdigerweise am Ausgang, während der Eintritt reibungslos vor sich geht.

München schmeckt den Sommer. Er schmeckt, wie immer hier nach Stracciatella und nach Augustiner, nach Aperol Sprizz und nach Leichtigkeit. So war der erste Frühlingstag in der Stadt, ein Tag, der schon roch wie jene Tage, wenn der Sommer nicht mehr weit ist.

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