Denkmalschutz:Kommt das Uhrmacherhäusl bald als Kopie zurück?

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Vor dem Verwaltungsgerichtshof wird der Streit um den Wiederaufbau des illegal abgerissenen Hauses in Giesing noch einmal neu verhandelt. Diskutiert wird auch, ob man den "Ensemble-Charakter" überhaupt wiederherstellen kann.

Aus dem Gericht von Stephan Handel, München

Ob das Uhrmacherhäusl in der Feldmüller-Siedlung in Giesing wieder aufgebaut werden muss, bleibt auch nach der Berufungsverhandlung vor dem 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VHG) am Donnerstag zunächst offen. Ein Urteil soll am Freitag kommender Woche gesprochen werden.

Das Haus war 2017 von einem Bauunternehmer mit einem Bagger abgerissen worden; den Bauunternehmer hatte der Besitzer eigentlich nur mit der Sanierung des Daches beauftragt. Weil das kleine Häuschen Teil des denkmalgeschützten Ensembles Feldmüllersiedlung ist, folgte dem illegalen Abriss große öffentliche Empörung. Die Stadt erließ einen Bescheid gegen den Besitzer, mit dem dieser verpflichtet werden sollte, das Haus originalgetreu und unter Verwendung der verbliebenen alten Materialien wiederaufzubauen.

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Gegen diesen Bescheid zog der Besitzer 2019 vor das Verwaltungsgericht - und bekam dort recht: Die Stadt, so das Urteil, habe nicht ausreichend dargelegt, warum sie nur den Hausbesitzer, nicht aber den eigentlichen Täter, den Bauunternehmer, versucht hatte, in die Pflicht zu nehmen. Deshalb sei der Bescheid rechtswidrig. Gegen dieses Urteil ging die Stadt in Berufung. Und der VGH ließ die Berufung zu - mit der ungewöhnlichen, weil seltenen Begründung, es bestünden "ernsthafte Zweifel" an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.

Welcher Art diese Zweifel jedoch waren, das ließ Joachim Dösing, der Vorsitzende Richter, zunächst offen. Er diskutierte mit den Verfahrensbeteiligten zuerst die Frage, ob denn ein wieder aufgebautes Häusl, das ja nichts anders wäre als eine Kopie des originalen Hauses, den Ensemble-Charakter überhaupt wieder herstellen könne. Herbert Kaltenegger, der Anwalt des Hausbesitzers, meinte, ein leeres Grundstück sei nicht mehr Teil des Ensembles - musste sich aber von den Anwälten der Stadt sagen lassen, dass das leere Grundstück ja erst durch den rechtswidrigen Abriss entstanden sei. Das konterte Kaltenegger mit dem Hinweis, dass eine solche Kopie selbst nicht denkmalgeschützt sei - und deshalb sofort nach Fertigstellung wieder abgerissen werden könne.

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Burkhard Körner vom Landesamt für Denkmalpflege legte dar, warum der originalgetreue Wiederaufbau bedeutend für das Ensemble Feldmüllersiedlung wäre: Das Uhrmacherhäusl sei zunächst, wohl um das Jahr 1840, einstöckig erbaut worden. Später wurde der - von der Oberen Grasstraße aus gesehen - rechte Teil zweistöckig ausgebaut. Das sei einzigartig und für das Ensemble prägend. Auf eine Nachfrage des Vorsitzenden, ob denn ein durchgehender zweistöckiger Wiederaufbau nicht die gleiche Funktion erfüllen würde, meinte Körner: "Das wäre eine Verfälschung." Allerdings stellte Körner auch klar, dass die Rekonstruktion nur in den äußeren Umrissen, der Kubatur, exakt sein müsse, nicht aber, was etwa den Innenausbau betrifft.

Das zweite große Thema der Verhandlung: Wer kann denn eigentlich haftbar gemacht werden für den Abriss? Eine Frage, die die Stadt wahrscheinlich leicht hätte umgehen können, wenn sie im Bescheid näher begründet hätte, warum sie nur auf den Hausbesitzer, nicht aber auf den Bauunternehmer losgeht. Zwei Argumente lieferte ihr Richter Dösing gleich selbst: Der - griechische - Bauunternehmer, mittlerweile wieder in seiner Heimat - hatte in einer eidesstattlichen Erklärung angegeben, er beziehungsweise sein Unternehmen sei mittlerweile insolvent; außerdem habe er selbst zum Zeitpunkt des Abrisses psychische Probleme gehabt und sei "unzurechnungsfähig" gewesen. "Muss die Stadt diesen Mann in Betracht ziehen?", fragte Dö-sing. Sehr wohl, meinte Anwalt Kaltenegger - denn auch wenn die psychische Belastung seinerzeit tatsächlich bestanden habe, könne er ja mittlerweile wieder gesundet sein.

Ob der Senat mehr der Argumentation der Stadt oder der des Hausbesitzers zuneigt, war in der rund eineinhalbstündigen Verhandlung nicht zu erkennen. Zur Beratung und Abwägung will sich das Gericht nun eine Woche Zeit nehmen und den Beteiligten das Urteil am kommenden Freitag zustellen.

© SZ vom 23.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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