Trudering:Grundstück mit Gewissensfrage

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Die Grünen stimmen aus Umweltgründen gegen 80 neue Wohnungen im Landschaftsschutzgebiet Truderinger Wald - gebaut werden sie wohl trotzdem.

Von Sebastian Krass

Die nächsten Geschäfte sind knapp zwei Kilometer entfernt, von der 400 Meter entfernten Haltestelle fährt alle 20 Minuten ein Bus: Aus Sicht von Grünen und Rosa Liste im Stadtrat ist das Grundstück an der Fauststraße 90, gelegen in der Truderinger Grenzkolonie kurz vor der südöstlichen Stadtgrenze, "kein Standort, um eine richtige Wohnbauentwicklung zu betreiben", wie Fraktionsmitglied Paul Bickelbacher sagt.

Deshalb werden die Grünen am Mittwoch im Planungsausschuss gegen den Billigungsbeschluss für einen neuen Bebauungsplan stimmen - und damit auch gegen den Bau von 80 Wohnungen durch einen privaten Investor. Verhindern werden sie das Projekt damit aber vermutlich nicht. Denn ihre Koalitionspartnerin, die Fraktion von SPD/Volt, wird dafür stimmen, ebenso wie die CSU als größte Oppositionsfraktion.

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Das würde für eine Mehrheit reichen. Die fehlende Infrastruktur und die damit vorauszusehende Bedeutung des Autos für die Bewohnerinnen und Bewohner ist Bickelbacher zufolge nur ein Grund für die Ablehnung, ein anderer ist die sensible Lage im Landschaftsschutzgebiet Truderinger Wald und die Frage der künftigen Versiegelung. "Der Investor hat damit geworben, man werde das Grundstück gegenüber dem derzeitigen Zustand entsiegeln, tatsächlich bleibt die Versiegelung aber nahezu identisch", sagt Bickelbacher, "das ist dann auch keine Verbesserung."

Der Nutzen durch die 80 neuen Wohnungen sei in der Abwägung nicht groß genug. Eher könne man sich vorstellen, dass das Areal wie früher als Sportfläche genutzt werde. Die Position der Grünen hat sich über die Jahre verändert: Als der Stadtrat 2016 das Verfahren startete, trugen sie den Beschluss mit. "Aber die Planung hat uns letztlich nicht überzeugt", sagt Bickelbacher. Deshalb hätten die Grünen Anfang 2019, damals noch in der Opposition, einem Antrag für einen Stopp des Projekts zugestimmt.

Dass die Koalition nun unterschiedlich abstimmt, dürfte keine großen Störgeräusche auslösen: Aus Sicht von Grünen und SPD gilt das Thema als "Altfall", beide Parteien können demnach bei ihrer Positionierung aus der Amtszeit des vorigen Stadtrats bleiben. Die Fraktion von SPD/Volt habe sich am Montag "nach langer Diskussion einstimmig entschieden, dem Bebauungsplan zuzustimmen", sagt ihr Vorsitzender Christian Müller. "Normalerweise bauen wir nicht im Landschaftsschutzgebiet." Hier aber habe es bereits Baurecht für die in den Siebzigerjahren gebaute "opulente Sportanlage" gegeben, die die "Neue Heimat " für ihre Beschäftigten errichtet hatte. Zudem nähme die Versiegelung des seit Jahren weitgehend brachliegenden Areals durch die Neuplanung aus Sicht der SPD eher ab. Es sei "kein idealer Bebauungsplan", aber in der Gesamtbetrachtung überwögen die Vorteile, sagt Müller.

Lauter Widerstand in Trudering-Riem

Die CSU hätte sich auf dem Grundstück zwar eher Einfamilienhäuser als die geplanten drei- bis viergeschossigen Mehrparteienhäuser gewünscht. "Aber das Projekt hat sich im Zuge der bisherigen Planung deutlich verbessert, etwa was die Einbindung ins Landschaftsschutzgebiet angeht", sagt Heike Kainz, planungspolitische Sprecherin der CSU-Fraktion. "Deshalb denken wir, dass es so vertretbar ist."

Im Stadtbezirk Trudering-Riem gibt es seit Jahren lautstarken Widerstand gegen das Bauvorhaben, der sich wieder formieren dürfte, wenn es nach diesem Billigungsbeschluss erneut zur Beteiligung der Öffentlichkeit kommt. In der Regel aber gibt es bis zum letzten Schritt, dem Satzungsbeschluss, keine gravierenden Änderungen mehr an einem Bebauungsplan.

Eigentümer des Grundstücks ist der Münchner Immobilienkonzern "Optima Ägidius", der die Büros Steidle Architekten und Mahl Gebhard Landschaftsarchitekten mit einer Neuplanung beauftragte. Vorgesehen sind sieben Gebäude im westlichen Teil des Areals, der östliche Teil bleibt unbebaut. Im Beschlussentwurf nennt das Planungsreferat als Ziele unter anderem die Schaffung eines "qualitätsvollen und zeitgemäßen" Wohnquartiers "für unterschiedliche Einkommensgruppen" und die "Ausweisung einer öffentlichen Grünfläche mit einem naturnahen Spielplatz". Aus Sicht des Referats ist die Planung stimmig, so dass es die Bebauung befürwortet.

© SZ vom 02.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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