Trudering:"Planung für den Reißwolf"

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Die Bewohner der "Grenzkolonie" in Waldtrudering protestieren gegen ein Bauprojekt an der Fauststraße. Auf einem aufgelassenen Sportgelände sollen sieben Blocks mit insgesamt 80 Wohnungen hochgezogen werden

Von Julian Raff, Trudering

Vier Monate, nachdem Bürgerproteste einen Planstopp für die Unnützwiese erwirkt haben, laufen die Truderinger erneut Sturm gegen die Nachverdichtung ihres Viertels. Rund 240 Bewohner der "Grenzkolonie" waren zur Erörterung des Bauprojekts auf dem früheren Sportgelände an der Fauststraße ins Kulturzentrum gekommen. Sie ließen kein gutes Haar an dem Plan, dort sieben drei- und viergeschossige Blocks mit 80 Wohnungen zu bauen. An der Grenze zwischen Waldtrudering und Waldperlach drohten Verkehrschaos, der Verlust des Gartenstadtcharakters und unkontrollierte Bauwut auf geschützten Flächen, mahnten die Anwohner per Reden und Zwischenrufen.

Architekten und Vertretern des Planungsreferats gelang es in zweieinhalbstündiger, hitziger Diskussion nicht, die Gemüter zu beruhigen und das Publikum von den Vorteilen des Projekts zu überzeugen - zum Beispiel der ökologischen Aufwertung und Öffnung des verwilderten, bisher unzugänglichen Geländes.

Der versprochene "Mehrwert" springe höchstens für den Bauträger heraus, schallte es gleich zu Beginn dem städtischen Grünplaner Matthias Conrad entgegen. Nicht nur zur westlichen Bebauung hin, sondern rings um das Wohnensemble werde das wuchernde Gesträuch zum ökologisch wertvollen Mischwald aufgeforstet.

Der Wald bleibe für alle frei zugänglich, ebenso wie der Quartiersplatz im Inneren des Ensembles sowie der Spielplatz östlich davon. Noch ein Stück weiter östlich verbinde der künftige Mischwald als Grünkorridor von Nord nach Süd die angrenzenden Wälder. Die "Störung" durch Tennisplätze und Asphaltrelikte werde also beseitigt, ergänzte Architekt Johann Spengler.

Ungläubig und ungnädig reagierten die Bürger auf dessen Ankündigung, die viergeschossigen, also rund zwölf Meter hohen Häuser würden bald hinter einer Baumkulisse von "enormer Kraft" verschwinden. Die Ankündigung weiterer ökologischer Pluspunkte wie Holzbauweise und Grün-Dächer vermochte den Protest nicht zu mindern. Ins Leere lief auch das Versprechen, dass es zusätzliche Besucherparkplätze geben werde. Statt wie üblich auf sechs bis zehn, solle dort ein solcher Stellplatz auf drei Wohnungen kommen, und das gut verstaut in der Tiefgarage.

In einigen Punkten gelang es nicht einmal, sich über die der Planung zugrunde liegenden Fakten zu verständigen. Schlamperei unterstellen die Gegner (und ein aktueller Stadtratsantrag der Bayernpartei) etwa bei widersprüchlichen Angaben zur derzeitigen Versiegelung des 2,43 Hektar großen Geländes. Mal wurde diese mit einem Drittel, sprich mit 8000 Quadratmetern angegeben, mal mit 5400 Quadratmetern. Vorsätzlich schöngerechnet habe die Stadt aber unter anderem die Breite der Fauststraße. Rechne man Gehwege und Bankett mit ein, komme man auf acht statt auf 5,4 Meter, erklärte die Leiterin des städtischen Planungsteams, Eva Regensburger, abermals zum Unmut der Truderinger.

Vollends postfaktisch erschien diesen, was Verkehrsplaner Harald Schnell zu den Verdichtungsfolgen vortrug, auf Grundlage einer "makroskopischen" Untersuchung: Täglich 300 zusätzliche Pkw-Fahrten seien den Nachbarn zuzumuten und machten schon ein paar Straßen weiter keinen spürbaren Unterschied. "Eine Planung für den Reißwolf", urteilte ein Anlieger der Fauststraße. Dabei müsse er schon heute mit geschlossenem Fenster schlafen, "wie in Haidhausen oder im Lehel, nur ohne städtische Infrastruktur". Einer der Punkte, an denen schließlich Grünen-Stadtrat Herbert Danner einhakte: Es habe in der Grenzsiedlung kleine Quartiersläden gegeben, die seien halt mangels Umsatz eingegangen. Den Kopf zurechtrücken wollte Danner den Truderingern auch wegen ihrer Forderung, das Gelände, wenn schon, dann nach Umgebungs-Paragraf 34 Baugesetzbuch zu entwickeln. Eine ohnehin zusehends verdichtete Umgebung gebe die nun geplante Geschossflächenzahl 0,8 sehr wohl her, so Danner. Abgesehen davon hätten die Nachbarn im 34er-Verfahren keinerlei Anspruch auf Mitsprache und Transparenz, wie ihn diese erste Beteiligungsrunde im Bebauungsplanverfahren biete. Eine zweite, finale Runde ist, falls die Planung weiterläuft, in rund einem Jahr vorgesehen. Erst dann folgt auch die von den Bürgern angemahnte vertiefte Umweltprüfung.

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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