Im Streit um die Tram durch den Englischen Garten macht Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) der bayerischen Staatsregierung schwere Vorwürfe. Folgt man einem offenen Brief Reiters an Florian Herrmann (CSU), den Chef der Staatskanzlei, dann haben die Vertreter des Freistaats nicht nur falsch gerechnet, sondern auch falsche Angaben zum Abgleich der Pläne gemacht.
In der Begründung für das überraschende Verbot, die neue Tramlinie durch den Englischen Garten zu bauen, habe der Freistaat "offensichtlich die falschen Zahlen und Schlüsse abgeleitet", schreibt Reiter. Er fordert die Staatsregierung auf, "im Sinne einer guten Lösung" Gesprächsbereitschaft zu zeigen.
Ein Hauptstreitpunkt ist die Frage, wie viel Grund für den Bau der Tramlinie neu versiegelt werden muss. Sie sollte auf der schon bestehenden Straße zwischen dem Biergarten am Chinesischen Turm und der Thiemestraße verlaufen, aber nach aktueller Planung noch Grund links und rechts davon benötigen. Der Freistaat kommt in seiner Rechnung auf zusätzliche 35 Prozent zur jetzigen Straßenfläche. Ein zu großer Eingriff in das Denkmal und zu gefährlich für die Park-Besucher, hieß es aus der Staatskanzlei.
In der städtischen Planung sind laut OB Reiter jedoch 9570 Quadratmeter für das Tramgleis als versiegelte Fläche vorgesehen, die jetzige Bustrasse umfasse 8300 Quadratmeter. Die Rechenexperten der Stadt kommen demzufolge auf 1270 Quadratmeter an zusätzlicher Versiegelung, und damit auf 15 bis 16 Prozent an Zunahme. Das macht 20 Prozentpunkte weniger als in der Rechnung des Landes aus.
Wie schief die Rechnung des Freistaats aus Sicht der Stadt ist, rechnet OB Reiter im Detail vor. Er nimmt die Strecke von etwa 840 Metern durch den Englischen Garten, legt die von der Staatskanzlei errechnete zusätzliche Bodenversiegelung von 3500 Quadratmetern links und rechts neben die jetzige Straße und kommt so auf eine zusätzliche Breite von vier Metern. "Dies ist in den zur Verfügung gestellten Unterlagen nirgends dargestellt."
Ebenso voller Unverständnis reagiert der OB in seinem Brief auf eine weitere Passage im Schreiben der Staatskanzlei. Der Freistaat habe "die Stadt München seit Jahren konstruktiv sowohl bei den Planungen als auch auf der Suche nach möglichen Alternativen" begleitet, zitiert Reiter daraus. Die Stadtwerke München (SWM) als Projektträgerin versuchten seit etwa einem Jahr, ihre detaillierten Planungen mit dem Freistaat zu besprechen, hält der Oberbürgermeister entgegen. "Die Liste der Versuche ist lang und gut dokumentiert, indes eine irgendwie geartete Begleitung, geschweige denn eine konstruktive, kam von Ihrer Seite bedauerlicherweise nicht zustande."
Die Zusage für den Bau aus dem Jahr 2017 ist nun offiziell zurückgezogen
Der Freistaat hatte in seinem Schreiben vom 12. März 2024 erklärt, die Stadt habe die Zusammenarbeit mit ihrem Trassenbeschluss im Dezember 2023 einseitig aufgekündigt. Das Verbot des Baus der neuen Tramlinie begründete Staatskanzleichef Herrmann mit dem entsprechenden Ministerratsbeschluss aus dem Jahr 2017. Damals habe sich das Land Bayern vorbehalten, bei vorliegender Planung das Projekt noch einmal zu prüfen. Dies sei nun geschehen.
Damit ist die Zusage für den Bau aus dem Jahr 2017 offiziell zurückgezogen. Der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte damals als Eigentümer-Vertreter des Englischen Gartens bei einem Termin im Park versprochen, dass die Stadt eine Tramquerung bauen dürfe. Daraufhin legte München mit der Planung für eine neue Strecke los, die vom Elisabethplatz über die Franz-Joseph-Straße, die Martius- und Thiemestraße bis zur Tivolistraße führen sollte. Damit hätte die Tram künftig auf einer Nordtangente Neuhausen und Bogenhausen verbinden können. Ende 2025 hätte der Bau beginnen sollen.