Tierpark Hellabrunn:Gespielte Nacht im Affenhaus

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Die Affen in Hellabrunn haben nun ein von Grund auf renoviertes Zuhause. (Foto: Stephan Rumpf)

Für rund eine Million Euro hat der Tierpark das Gebäude renovieren lassen. Die Neuerungen muss man trotzdem erst suchen - aber es lohnt sich.

Von Philipp Crone

Um zehn Uhr am Freitagvormittag herrscht tiefe Nacht im kleinen Affenhaus von Hellabrunn, zumindest akustisch. Während draußen vor dem frisch renovierten Gebäude Tierparkchef Rasem Baban den Umbau anpreist, sind die Affen drinnen unter sich, man hört nur ein Zischen, Zirpen, Knistern und Flirren. Aus Lautsprechern ertönt der Urwald in Ecuador um drei Uhr nachts, live im vormittagssonnigen München.

Es sind eher Feinheiten, die neu sind im Affenhaus. Man muss genau hinsehen. Die Grobheiten sind ohnehin nicht zu sehen. Für eine Million Euro hat der Zoo das Haus nach 35 Jahren generalrenoviert und dabei zum Beispiel sämtliche Lüftungs- und Heizungssysteme erneuert. Das ist etwas, was Besucher und Bewohner normalerweise nicht die Banane interessiert, aber für die Tiere macht es eben durchaus einen Unterschied, ob sie wie bislang eine Fußbodenheizung in ihren Gehegen haben oder nun eine Wand- und Deckenheizung.

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Warum? Weil es im flirrenden Urwald eben keine Fußbodenheizung gibt. Da kommt die Wärme seitlich von aufgeheizten Steinen und vor allem von oben durch die Sonne. Wenn der Architekt Baban also wie immer ausführlich über eine der vielen Umbaumaßnahmen spricht, geht es in diesem Fall fast bei jedem Element um eine Tierhaltung, die der Natur noch ein Stück näher kommen soll. Auch beim Boden.

Die im kleinen Affenhaus lebenden Arten sind Braunkopf-Klammeraffen, Rote Varis, Lisztaffen, Kattas und Siamangs. Nun haben die Siamangs und die Klammeraffen eine fast doppelt so große Fläche bekommen. Das ist möglich, weil manche Gebäude noch immer dem alten und überholten Prinzip folgten, dass der Besucher viel und der Bewohner wenig Platz braucht. Im Elefantenhaus ist das Verhältnis längst umgedreht, und nun eben auch bei den kleinen Affen. Die neuen Flächen sind mit einem schon im Urwaldhaus eingesetzten Bodensubstrat ausgelegt, einer Art zoologischem Rindenmulch.

Tierparkchef Baban, der für LED-Beleuchtung und Brandschutz schwärmen kann, versucht das nun auch immer häufiger mit einem ähnlich schwer zu vermarktenden Thema: Artenschutz. Das funktioniert im neuen Affenhaus so gut wie sonst bislang nirgends im Münchner Zoo.

Der Ton im Haus kommt aus dem Canandé-Reservat in Ecuador - einem der weltweit heißesten Hotspots für Artenvielfalt

Artenschutz, das ist etwas Unsichtbares, was unbekannte Menschen weit weg machen und für das unbekannte Gönner spenden. Dieser Eindruck kann bei einem jungen Hellabrunn-Besucher durchaus entstehen. Rotzende Rüssel und schnappende Seelöwenschnauzen versteht jedes Kind auf den ersten Blick. Artenschutz versteht man nun im Affenhaus aber immerhin auf den ersten Klick.

Der Ton im Haus kommt aus dem Canandé-Reservat in Ecuador, laut Baban einem der weltweit fünf heißesten Hot-Spots für Artenvielfalt. Das liegt auch daran, dass sich dieser Regenwald von der Küste bis in höhere Regionen erstreckt und verschiedene Klimazonen abdeckt. Noch. Denn Rodung und Wilderei bedrohen das Reservat, in dem zum Beispiel Braunkopf-Klammeraffen leben. Ranger haben nun viele alte Handys im Regenwald platziert, die alles aufzeichnen.

Über eine Software ist es möglich, die Geräusche einer Kettensäge und den Sound eines Gewehrschusses herauszufiltern und zu orten. So wissen die Ranger sofort, wo etwas passiert ist, und können eingreifen. Das alles erfährt der Besucher auf den neuen Edukationswänden, die mit großen Bildschirmen ausgestattet sind. Auch die Ranger werden vorgestellt. Artenschutz bekommt so einen Ort, einen Ton und viele Gesichter.

Erst seit Donnerstag sind die Affen zurück in ihren Domizilen, sie waren während des Umbaus auf dem Gelände in verschiedenen anderen Gehegen untergebracht. Also wundert es nicht, wenn die Kattas sich mehr als sonst zwischen den Baumstämmen hin und herschwingen. Insgesamt 118 Bäume wurden in den fünf Gehegen verbaut. Es gibt neue Sitzmöglichkeiten, Gucklöcher oder versteckte Schubladen. Das einzige, was es wegen Corona nicht gibt bislang: die Erlaubnis für Besucher, das Gebäude zu nutzen.

© SZ vom 29.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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