Verkehr in München:S-Bahn-Verkehr weiterhin massiv eingeschränkt

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Zwar steht die S-Bahn am Hauptbahnhof, aber sie fährt nicht ab. (Foto: Robert Haas)

Auch an Tag drei des Lokführer-Ausstandes fahren viele Züge nur im Stundentakt. Bei den Reisenden kommt das nicht gut an - aber sie haben sich auf den ausgedünnten Betrieb von S-Bahn und Bahn eingestellt.

Von Barbara Galaktionow und Leon Lindenberger

Robert Hell trägt einen Mantel mit Fellkragen und dazu noch einen Schal. Es sind sechs Grad unter null am Münchner Hauptbahnhof. Wer auf seinen Zug warten muss, friert. Der 70-Jährige mustert die Anzeigetafel an einem leeren Gleis. Dort sollte am Mittwochmorgen um 8.44 Uhr sein Zug nach Landshut abfahren. "Da steht jetzt aber was anderes", sagt er wenig überrascht. Verständnis für den Lokführer-Streik bei der Deutschen Bahn (DB) hat Hell nicht. "Null!" Für regelmäßige Gäste wie ihn sei das Bahnfahren ohnehin schon abenteuerlich, zusätzliche Ausfälle sollte die Bahn unbedingt vermeiden. Immerhin, wenig später fährt Hells Zug dann doch. "Jetzt hoffe ich nur, dass ich am Nachmittag auch wieder zurückkomme", sagt er.

Leer wie selten: der Münchner Hauptbahnhof während des Streiks der GDL. (Foto: Robert Haas)

Für die Zeit des Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), der noch bis Freitag, 18 Uhr, andauern soll, hat die Bahn für den Fernverkehr einen Notfahrplan mit einem stark reduzierten Angebot entwickelt. Im Regionalverkehr soll ein stark reduziertes Angebot gefahren werden. Am Mittwochmorgen ist das am Hauptbahnhof sichtbar. Es ist wenig los auf den Gleisen. Seltener als sonst rollen Züge ein. Wenn gerade nichts fährt, wirkt es, als wären im Hauptbahnhof mehr Bahn-Mitarbeiter als Fahrgäste unterwegs.

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Ein Stockwerk tiefer, im Sperrengeschoss, sieht es ähnlich aus. Auch bei der Münchner S-Bahn, die ebenfalls zur Deutschen Bahn gehört, wird bis Freitag gestreikt. Wie schon bei den vorangegangenen Warnstreiks der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) will die Bahn auf allen S-Bahn-Linien mindestens einen Stundentakt fahren. Die aktuellsten Informationen sind in der App oder auf der Webseite der Bahn verfügbar. Der Plan sieht so aus:

  • Die S1 verkehrt zwischen Ostbahnhof und Neufahrn im 20-Minuten-Takt. Ab Neufahrn fährt die S1 stündlich weiter nach Freising und zurück sowie alle 20 bis 40 Minuten weiter zum Flughafen und zurück.
  • Die S2 verkehrt zwischen Markt-Schwaben und Dachau alle 20 bis 40 Minuten, auf den übrigen Abschnitten im Stundentakt.
  • Die Linien S3, S4, S6 und S7 verkehren im Stundentakt.
  • Die S8 fährt zwischen Ostbahnhof und Pasing alle 20 Minuten, zwischen Pasing und Germering alle 20 bis 40 Minuten und zwischen Germering und Herrsching alle 60 Minuten. Wegen Bauarbeiten wird die S8 zwischen Ostbahnhof und Johanneskirchen durch Busse ersetzt. Zwischen Johanneskirchen und Flughafen besteht im Zeitraum 6 und 21 Uhr S-Bahn-Pendelverkehr im Stundentakt. Aufgrund der beschränkten Kapazitäten und der langen Fahrzeit nutzen Fahrgäste von/zum Flughafen bitte alternativ die S 1.
  • Die S20 entfällt.
Noch bis Freitagabend wollen die Lokomotivführer streiken - davon ist auch die Münchner S-Bahn betroffen. (Foto: Robert Haas)

U-Bahn, Tram und Buslinien sind von dem Streik nicht betroffen, sie gehören zum Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV). Von besonderem Verkehrschaos ist am Hauptbahnhof indes nichts zu bemerken. Der Streik war absehbar, die meisten Fahrgäste sind vorbereitet.

So auch Brigitte Motan, 66, mit Koffer, Kaffee und zwei Taschen am Mittwoch auf dem Weg nach Berlin. "Ich wohne an einer Endstation der S-Bahn, die fällt auch ohne Streik ständig aus", sagt sie. Um sicher einen der wenigen Züge nach Berlin zu bekommen, habe sie heute bei ihrem Sohn in der Nähe des Hauptbahnhofs übernachtet.

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Auch am Freitag gilt der Notfahrplan mit einem stark ausgedünnten Angebot, im Fernverkehr fahren etwa 20 Prozent der Züge. Wie gewohnt dürfte der Zugverkehr wohl erst von Samstagmorgen an laufen.

Wie Motan geht es wohl vielen Fahrgästen, gerade, was den S-Bahn-Verkehr angeht - sie stellen sich vorab auf die besondere Situation ein. "Es funktioniert schon mit dem Notfahrplan. Die Leute können damit umgehen", sagt Andreas Barth, Münchner Sprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn. Die Menschen arbeiteten im Homeoffice oder verschöben Besorgungen in der Stadt. Aber natürlich herrsche gerade bei vielen Münchnern, die bereits im Dezember durch den heftigen Schneefall, den GDL-Warnstreik und den Sturm vor Weihnachten massive Beeinträchtigungen beim Verkehr innerhalb und außerhalb der Stadt hinnehmen mussten, ein wenig das Gefühl: "Jetzt muss ich mich schon wieder einrichten!"

Insofern sei Pro Bahn insgesamt schon "unzufrieden, wie das gerade läuft". Denn der Anspruch an die Verkehrsbranche sei natürlich, Tariffragen auf dem Verhandlungsweg zu lösen, ohne dass es zu Streiks komme. Wobei Barth die Deutsche Bahn ebenso in der Pflicht sieht wie die GDL. Streiks seien nun einmal das Mittel der Gewerkschaften. Und beim Verhindern von Streiks müsse der Arbeitgeber mitwirken. "Es gibt nach wie vor Themen, über die nicht verhandelt wurde - das ist schon bedauerlich", sagt Barth. Dass es anders gehe, zeige das Beispiel Go-Ahead. Das Eisenbahnverkehrsunternehmen hat Anfang Januar eine Einigung mit der GDL hinbekommen.

Auch bei Go-Ahead gibt es Einschränkungen wegen des Lokführerstreiks - obwohl das Unternehmen selbst sich mit der GDL geeinigt hatte. (Foto: Robert Haas)

Dennoch hat der Streik der Lokführer bei der DB zum Teil auch Auswirkungen auf Zugverbindungen anderer Unternehmen nach München im Regional- und Fernverkehr, darunter auch Go-Ahead.

  • So fallen die Züge der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) nach München aus, mit einer Ausnahme: Nicht betroffen sind auf der Strecke Innsbruck Hbf - München Hbf die EC-Verbindungen EC 84, EC 86, EC 286 und EC 288 und auf der Strecke München Hbf - Innsbruck Hbf EC 85, EC 87, EC 287 und EC 289.
  • Die Züge der Westbahn von München über Rosenheim nach Wien sollen hingegen planmäßig fahren, wie das private österreichische Unternehmen mitteilte.
  • Go-Ahead teilte mit, dass es Beeinträchtigungen E-Netz Allgäu (RE 96, RE 72, RB 92) gibt, weil die Stellwerke in Mindelheim und Memmingen bestreikt werden. Gefahren werde zwischen München und Buchloe sowie Lindau und Tannheim. Parallel zum Zugverkehr ist ein Bus-Notverkehr zwischen Lindau und Buchloe eingerichtet.
  • Die Bayerische Regiobahn (BRB) teilte mit, es sei nicht absehbar, inwieweit die BRB indirekt, zum Beispiel durch streikende Fahrdienstleitende der DB, vom Streik betroffen sein könnte. Fahrgäste werden daher gebeten, sich vor Fahrtantritt über den aktuellen Stand zu informieren.

Ein Fahrgast am Hauptbahnhof zeigt sich schicksalsergeben. "Bei der Bahn ist es ja eher die Ausnahme, dass alles klappt", meint der 27-jährige Finn Honsberg. Er wollte ursprünglich um 4.40 Uhr nach Berlin fahren. Immerhin wusste Honsberg rechtzeitig Bescheid und konnte länger schlafen. Um kurz vor 9 Uhr steht er in tannengrüner Daunenjacke am Bahnsteig und wartet trotzdem. "Niemand in der freien Wirtschaft könnte sich so etwas erlauben", findet er. "Bei den Streiks der GDL scheint es inzwischen mehr um Persönliches zu gehen."

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