Buch und Serie über Sisi:Die wilde Kaiserin und ihre Abgründe

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Im Schaufenster steht das Buch, im Inneren des Büros von Elena Hell hängt ein großes Sisi-Porträt. (Foto: Robert Haas)

Elena Hell hat ein Buch über eine lebenslustige Sisi geschrieben, in dem ein Fluch und ein Bordell eine Rolle spielen. Eine Geschichte über eine unangepasste, selbstbestimmte und fortschrittliche Frau.

Interview von Gerhard Fischer

Elena Hell hat in ihrem Büro im Westend ein riesiges Sisi-Gemälde an der Wand hängen. "Das habe ich vor drei Wochen gekauft", sagt sie und lächelt. "Ich finde es sehr schön." Hell, 32, hat - gemeinsam mit Robert Krause - die Sisi-Drehbücher für eine RTL-Serie und ein Sisi-Buch geschrieben, das in dieser Woche erschienen ist. Sie kennt Krause von der Hochschule für Fernsehen und Film; sie studierte, er war ihr Dozent. Eines Tages sei Krause mit dem Sisi-Projekt auf sie zugekommen, erzählt Hell. "Robert sagte, er habe bei Sisi sofort an meine Autorinnen-Stimme denken müssen."

SZ: Frau Hell, Romy Schneider hat das Sisi-Bild in den Filmen von Regisseur Ernst Marischka geprägt ...

Elena Hell: ... ich war als Kind ein großer Sisi-Fan. Meine Mutter musste die Marischka-Filme jedes zweite Wochenende mit mir ansehen.

Als Sie "jedes zweite" sagten, dachte ich, es würde der Zusatz folgen: jedes zweite Weihnachten.

(lacht) Nein, schon jedes zweite Wochenende.

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In Ihrem Buch - und auch in der RTL-Serie - wird ein anderes Sisi-Bild gezeichnet als in den Marischka-Filmen der Fünfzigerjahre . Sisi ist wilder, mutiger, unangepasster, moderner. Haben Sie neue historische Erkenntnisse, die zu diesem Bild geführt haben?

Nein, es gibt keine neuen Quellen, die wir genutzt hätten. Wir berufen uns zwar auf historische Fakten, haben aber einen sehr freien Umgang damit. Wir erzählen eine große, tiefe Liebesgeschichte zwischen Sisi und Kaiser Franz, in der auch Sexualität eine Rolle spielt - und Sisis Liebe zu einem Mann mit einer dunklen Seite.

Welche dunkle Seite hatte Kaiser Franz Joseph I. von Österreich?

Ihm wurde ja tatsächlich der Kaiser antrainiert. Seine Mutter, Erzherzogin Sophie, war von dem Ehrgeiz getrieben, ihn auf den Thron zu bringen. In unserer Geschichte haben wir das ernst genommen. Franz sollte keine Schwäche zeigen, und es wurde ihm eingetrichtert, dass Gefühle und Liebe ihn schwach machen. Er hat deshalb Angst vor der Liebe. Außerdem haben wir einen Fluch eingebaut ...

Den es wirklich gab?

Bestimmt wurde er nicht nur einmal verflucht. (lacht) Er war ja nicht bei allen beliebt, denn er herrschte neoabsolutistisch. Vor allem in den Kronländern wie Ungarn und der Lombardei, die damals zu Österreich gehörten, drängten die Menschen auf ihre Freiheit und nationale Selbstbestimmung. Überhaupt zeigen wir andere Aspekte dieser Zeit als die Marischka-Filme. Da bestand Politik nur aus Mappen, die dem Kaiser vorgelegt wurden, damit er etwas unterzeichnet. Franz zieht bei uns auch in die Schlacht. Aufstände werden dargestellt.

Und der Fluch?

Bei uns verflucht ihn eine ungarische Frau, weil Kaiser Franz deren Mann, einen Revolutionär, hängen ließ. Die Frau verfluchte Franz und alle, die er liebte. Er solle als einsamer alter Mann sterben. Tatsächlich hat er ja zwei Kinder verloren, und Sisi starb bei einem Attentat.

Sie schreiben, dass Sisi eine ehemalige Prostituierte als Zofe an den Hof holte - obwohl Kaiser Franz zuvor bei dieser Frau im Bordell gewesen ist.

Das ist rein erfunden. Sisi holt diese Frau als Vertraute an den Hof, auch um in Liebesdingen von ihr zu lernen. Sie war verunsichert und glaubte, dass er mehr Erfahrung hat als sie. Ich denke nicht, dass Franz, wie von uns beschrieben, in diesem Bordell bei Possenhofen gewesen ist. Aber es war damals gang und gäbe, dass Männer Frauen neben der Ehe hatten.

Kaiser Franz im Bordell, Sisi lernt bei einer ehemaligen Prostituierten: Sie muten dem Sisi-Publikum etwas zu. Wie, glauben Sie, wird es auf Serie und Buch reagieren?

Generell hoffe ich, dass es mit Begeisterung auf Serie und Buch reagieren wird. Sisi war in den Marischka-Filmen zwar eine naive und dem Frauenbild der Fünfzigerjahre entsprechende, aber auch schon eine sehr lebendige Figur. Jetzt wird sie noch zeitgemäßer gezeigt, wir schreiben auch über die dunklen Seiten und Abgründe ...

... und über eine Sisi mit Tattoo.

Das hatte sie wirklich! Allerdings erst später, daher kommt es auch in unserer Geschichte noch nicht vor. Kaiserin Elisabeth entwickelte sich zu einer für die damalige Zeit sehr unangepassten, selbstbestimmten, ja fortschrittlichen Frau. Ich glaube aber trotzdem, dass wir die Zuschauer von den Marischka-Filmen abholen können. Auch da war Sisi schon rebellisch, ein Wildfang, naturverbunden. Bei uns begeistert sie sich für Pferde und fürs Leben, und sie will nicht so unglücklich und selbstmitleidig werden wie ihre Mutter Ludovika. Sie hat wirklich Lust aufs Leben.

Welche Sisi ist denn näher an der echten Sisi - die Sisi aus den Marischka-Filmen oder Ihre Sisi?

(lächelt) Ich kann mir vorstellen, dass wir etwas näher dran sind.

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