"Sisi" auf RTL:Völlig losgelöst

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Kurz nach der Vermählung lädt das junge Kaiserpaar Sisi (Dominique Devenport, l.) und Franz Joseph (Jannik Schümann, r.) zum Empfang der Kronländer. (Foto: RTL/Story House Pictures/Lukas Åalna)

Mit "Sisi" startet die erste Neuadaption über das Leben der österreichischen Kaiserin. Und die ist vielversprechend.

Von Carolin Gasteiger

Sisi trägt also Schwarz. Anders will sie nicht an den Hof des österreichischen Kaisers Franz Joseph I. reisen - und da ihre Mutter und Schwester Néné aber nicht ohne sie nach Wien zu Nénés künftigem Gatten fahren können (zu auffällig!), dann eben in Schwarz. Sie ist in Trauer, da ihre Mutter einen einfachen Grafen für sie nicht akzeptieren will. Auf die Frage des Kaisers, was denn vorgefallen sei, weswegen sie Schwarz trage, antwortet Sisi nonchalant: "Ich trauere um meine große Liebe, Eure Majestät."

Sie ist also zurück. In Zeiten, in denen das Kino einen historischen Stoff nach dem anderen zum Biopic verfilmt, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Geschichte von Elisabeth in Bayern, der späteren Kaiserin von Österreich, neu adaptiert wird. Die sechsteilige RTL-Serie Sisi ist nun Auftakt einer Reihe von Produktionen, die die Kaiserin facettenreicher darstellen wollen als bislang.

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Und eine Renaissance kann Sisi gut vertragen. Denn das Bild der österreichischen Kaiserin ist immer noch geprägt von der einen Trilogie: der von Ernst Marischka aus den Fünfzigern mit Romy Schneider. Auch sechzig Jahre später läuft der Kitsch-Dreiteiler jedes Jahr an Weihnachten im Fernsehen, immer noch fällt Schneiders Name in einem Zug mit der Rolle, die "wie Grießbrei" an ihr kleben blieb. Und ähnlich wie Romy Schneider hat auch Sisi viel mehr zu bieten.

"Ich würde mir wünschen, dass sie sich beim Schauen unserer Serie von dem Klassiker befreien."

Die RTL-Adaption will zwar historisch genauer sein als die Marischka-Filme, verdrängen will sie sie jedoch nicht. Hauptdarstellerin Dominique Devenport drückte es bei der Premiere der Serie in Cannes im Hinblick auf die Fans der alten Filme so aus: "Ich würde mir wünschen, dass sie sich beim Schauen unserer Serie von dem Klassiker befreien."

Zwar ist der Kern der Geschichte derselbe - die Herzogin von Bayern verlobt sich statt ihrer Schwester mit dem österreichischen Kaiser und leidet bald unter der Last aller Verpflichtungen einer Kaiserin. Und doch zeigt die Neuauflage eine facettenreichere Sisi. Sie weiß zwar nicht, was sie am kaiserlichen Hofe erwartet, aber sie weiß ziemlich genau, dass sie sich dafür nicht verrenken wird. "Niemand wird mich ändern", ruft sie ihrem Vater im Streit zu. Der schweizerisch-amerikanischen Schauspielerin Dominique Devenport nimmt man diese neugierige, störrische, eigenwillige Sisi ab, die schlussendlich auch nicht davor zurückscheut, genau die Frau als Zofe zu engagieren, bei der ihr künftiger Ehemann eine Nacht im Bordell verbracht hat.

Die echte Sisi war nicht nur gebildet und reiste viel, sie war liberal, eine begeisterte Reiterin, befasste sich mit Ernährung, Diäten, Fitness und schrieb Gedichte. Alles in allem ziemlich fortschrittlich für die damalige Zeit. Angeblich hat sie sich sogar einen Anker als Tattoo stechen lassen. Von Tattoos ist in den ersten beiden vorab verfügbaren Folgen von Sisi zwar nichts zu sehen, dafür aber von Hofdamen, die Dildos in die Wiener Hofburg schmuggeln.

Auch Kaiser Franz Joseph I. ist nicht leicht zu fassen

Man wolle die österreichische Kaiserin als eine "empfindsame und widerständige Frau" porträtieren, hieß es zu Beginn des Projekts von Produktionsseite. Aber auch der Kaiser (ein bisschen zu steif: Jannik Schümann) ist nicht leicht zu fassen. Zwar ist er in Sisi verliebt, aber nicht kopflos, immer noch bleiben da Zweifel im Blick, ein Rest Skepsis. Sein politisches Tun nimmt viel Raum in der Serie ein, und während Sisi sich auf die Hochzeit vorbereitet, taktiert der Kaiser zwischen Napoleon und dem russischen Zaren. Ebenfalls taktierend: Julia Stemberger als Sisis Mutter Ludovica und Désirée Nosbusch als Franz' Mutter Erzherzogin Sophie.

Opulent inszeniert - gedreht wurde unter anderem in Lettland und Litauen -, wird Sisi gerade schon in einem Zug mit The Crown oder Bridgerton genannt. Ein Vergleich, der RTL freuen dürfte. Soll die Serie doch die eigene Videoplattform RTL+ stärken und helfen, sich gegen Anbieter wie Netflix zu positionieren. Bis Frühjahr 2022 könnte das vielleicht funktionieren, aber dann launcht Netflix selbst die Sisi-Adaption The Empress mit Devrim Lingnau und Philip Froissant als Kaiserpaar, eine weitere Serie ist in den USA in Arbeit. Ebenfalls im Frühjahr 2022 bringen Frauke Finsterwalder und ihr Ehemann Christian Kracht "Sisi und ich" ins Kino. Darin wird die Geschichte der österreichischen Kaiserin aus dem Blickwinkel ihrer Hofdame Irma (Sandra Hüller) erzählt.

Wenn in den weiteren Folgen von Sisi eher die Charaktere als die Dildo-Komik im Vordergrund stehen, ist die Renaissance geglückt. Eine zweite Sisi-Staffel wurde bereits in Auftrag gegeben.

Sisi, 28., 29. und 30. Dezember, RTL, jeweils in Doppelfolgen ab 20.15 Uhr, sowie auf RTL+

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