Kampagne in München:#sexismisntsexy": Plakat-Aktion gegen sexistische Werbung

Lesezeit: 2 min

An etwa 500 Bushaltestellen hängen derzeit Plakate gegen sexistische Werbung: Ein Dalmatiner verliert seine Punkte. (Foto: Macromedia-Hochschule)

Man muss nicht nackt sein, um aufzufallen: An Hunderten Bushaltestellen der Stadt üben Zebras ohne Streifen oder Dalmatiner ohne Punkte kreativ Kritik.

Von Anna Hoben

Wer in diesen Tagen an einer Haltestelle in München auf einen Bus wartet, der schaut dabei möglicherweise auf ein Zebra, das in der Körpermitte einige seiner Streifen verloren hat. Neben dem Zebra gibt es auch einen Dalmatiner, der auf mehrere Punkte verzichten muss, außerdem eine stellenweise musterlose Giraffe. Die drei Tiere gehören zu einer Kampagne, die eine Woche lang an 500 Bushaltestellen im Stadtgebiet zu sehen ist. "Man muss nicht immer die Hüllen fallen lassen, um aufzufallen", steht auf den Plakaten, ergänzt wird das Ganze von einem Hashtag: "#sexismisntsexy", Sexismus ist nicht sexy.

... eine Giraffe lässt ihre Muster fallen ... (Foto: Macromedia-Hochschule)

Elena Faist, 22, hat zusammen mit ihrer Kommilitonin Anna Hubrich, 26, die Motive entworfen, die als Sieger aus einem Wettbewerb für eine Kampagne gegen sexistische Werbung hervorgegangen sind. Faist studiert Medienmanagement mit Spezialisierung auf Werbung an der Hochschule Macromedia. Ein Semester lang hatten sie und Hubrich sich mit dem Thema beschäftigt und die Rolle einer Kreativagentur eingenommen. Dabei seien sie zunächst ganz schön erschrocken, wie Faist sagt: Darüber, wie allgegenwärtig Werbung immer noch ist, die Menschen, zumeist Frauen, zum Objekt macht.

... und ein Dalmatiner verliert seine Punkte. (Foto: Macromedia-Hochschule)

Den Anstoß für das Projekt hatte Münchens Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) gegeben. Es war zum Beginn ihrer Amtszeit, als der Streaminganbieter Joyn für eine neue Datingshow warb, mit Sprüchen wie "Was Altes? Was Junges? Was Neues!" Die Werbekampagne mache sie wütend, schrieb Habenschaden damals in den sozialen Medien. "In ganz München hängen diese frauenverachtenden, herabwürdigenden Plakate. ... Hängt diesen Mist sofort ab!"

Habenschaden trat in einen Dialog mit der Firma Ströer, die für die Stadt der wichtigste Partner bei der Vermarktung von öffentlichen Werbeflächen ist. Ströer bot ihr an, für ein Kooperationsprojekt mit der Hochschule Macromedia ein Thema beizusteuern und die Schirmpatenschaft zu übernehmen. "Da habe ich den Moment genutzt", sagt Habenschaden, die an der Stadtspitze für das Thema Gleichstellung von Männern und Frauen verantwortlich ist. Die Maxime "Sex sells" sei in der Werbebranche seit Jahrzehnten verankert, gleichzeitig gebe es viele junge Werberinnen und Werber, die das ändern wollten.

München geht seit 2018 gegen sexistische Werbung auf städtischen Flächen vor

So wie Elena Faist und Anna Hubrich. Es sei gar nicht so einfach gewesen, sich eine Kampagne zu dem Thema auszudenken, die Sexismus und Klischees nicht reproduziere, sagt Faist. "Wir hatten erst mal keinen Plan, wie wir das darstellen können, damit es eine gesamtgesellschaftliche Zielgruppe anspricht." Was sie aber bald hatten: einen Gedanken, einen Satz. "Man muss nicht nackt sein, um aufzufallen." Im Internet stießen sie auf ein Bild eines Tieres, das einen Teil seines Fells verloren hatte. Ihre Kampagne war geboren. Aus etwa zehn Entwürfen wählte eine Jury schließlich ihre Motive aus. Die Firma Ströer übernahm die Produktion der Plakate und stellt die Werbeflächen kostenlos zur Verfügung. Eigentlich hätte die Kampagne schon im Sommer präsentiert werden sollen, Ströer verschob sie jedoch auf Januar.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Ein Beitrag gegen die allgegenwärtige sexistische Werbung, hier beobachtet am Isartor. (Foto: Stephan Rumpf)

Seit 2018 geht die Stadt München gegen sexistische Werbung auf städtischen Plakatflächen vor. Damals beschloss der Stadtrat einstimmig, alle Anzeigen zu verbieten, die "gegen die guten Sitten oder die Menschenwürde verstoßen". Irgendwann könnte es auch eine sogenannte Werbewatchgroup geben, in der Fachleute die Werbelandschaft beobachten, anhand definierter Kriterien bewerten und gegebenenfalls mit Unternehmen in Kontakt treten sollen. Erste Schritte in diese Richtung hat die grün-rote Stadtregierung bereits gemacht. Dass es bei dem Thema vorangeht, sei dringend nötig, findet Bürgermeisterin Habenschaden. Denn sexistische Werbung präge die Vorstellungen von Jungen und Mädchen, ohne dass es ihnen bewusst sei. "Stereotype Rollenbilder werden dann leicht Teil des Selbstbilds."

Dass sie mit ihren Plakaten dem etwas entgegensetzen und ein politisches Thema bearbeiten konnten, das sei eine "megacoole Sache", auf die sie stolz seien, sagt Elena Faist. Stefan Helbig, Geschäftsführer von Ströer, bezeichnet die Motive der Studentinnen als "starke Eyecatcher, die die Aufmerksamkeit binden und nachhaltige Denkanstöße vermitteln". Ganz ohne Sexismus und Stereotype.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKunstprojekt
:"Niemand soll behaupten, dass er weiß, wie das Leben läuft"

Jahrzehntelang wurden im Haarer Klinikum Menschen mit psychischen Krankheiten behandelt. Bevor die Räume zu Luxuswohnungen umgebaut werden, haben Studierende sie fotografiert. Wie fängt man ihn ein - den schmalen Grat zwischen "krank" und "gesund"?

Von Bernhard Lohr

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: