Coronavirus und Schule:Die Not mit der Notbetreuung

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Das neue Jahr beginnt an den Schulen so, wie das alte zu Ende gegangen ist: mit Distanzunterricht, vielerorts mit fehlender Technik und zu wenig Personal. Und wie viele Kinder trotz Schließung kommen, bleibt bis zuletzt unklar.

Von Jakob Wetzel, München

Rektorin Carmen Fröhler lässt sich überraschen, es geht gar nicht anders. An ihrer Grundschule an der Gilmstraße am Westpark beginnt an diesem Montag wie an allen bayerischen Schulen wieder der Unterricht. Doch wie viele Kinder vor der Tür des Schulhauses stehen und wie viele zuhause bleiben, weiß Fröhler erst, wenn es soweit ist. Sie hätten versucht, den Bedarf abzurufen, sagt sie; doch es war wenig Zeit. Am Freitagvormittag sandte die Schule einen Brief an die Eltern ihrer 165 Schülerinnen und Schüler, bis zum frühen Abend kamen 17 Anmeldungen zur Notbetreuung zurück. Sie rechne aber mit mehr Kindern, sagt Fröhler. "Wir werden dann ab 7.45 Uhr am Pausenhof stehen und zusehen, dass wir alle unterbringen."

Das neue Jahr beginnt an den Schulen so, wie das alte zu Ende gegangen ist: mit Distanzunterricht, vielerorts mit fehlender Technik und zu wenig Personal - und vor allem: mit viel Flexibilität. Insbesondere gilt das für die Grundschulen. Denn die müssen damit rechnen, dass Schüler aus allen Jahrgangsstufen einen Platz in der Notbetreuung brauchen. Anspruch haben Kinder bis zur sechsten Klasse, wenn sich ihre Eltern tagsüber nicht kümmern können, etwa weil sie arbeiten müssen - und das gilt anders als im Frühjahr 2020 nicht mehr nur, wenn der Beruf der Eltern als systemrelevant gilt, sondern für alle. Schwarz auf weiß hatten das die Schulen allerdings erst am Donnerstagabend. "Bei der permanenten Kurzfristigkeit braucht man gute Nerven", sagt Schulleiterin Fröhler.

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Das gilt auch für Eltern. Die haben teils am Donnerstagabend, teils am Freitagvormittag von den Schulen erfahren, wie es im Einzelnen weitergeht. Die Kinder könnten notfalls kommen, sollten das aber eigentlich nicht, heißt es in vielen Elternbriefen. Einige Schulen haben sich auch bemüht, Erwartungen herunterzuschrauben. "Uns ist klar, dass in den Medien und seitens des Kultusministeriums ein digitaler Distanzunterricht gefordert wird", heißt es etwa im Elternbrief einer Grundschule im Stadtzentrum. Doch tatsächlich digital unterrichten könne man nur begrenzt, "da wir trotz gegenteiliger Bekundungen technisch immer noch nicht ausreichend aufgestellt sind".

Was möglich ist, unterscheidet sich von Schule zu Schule stark. Viele nutzen vor allem digitale Pinnwände und verteilen Wochen-Arbeitspläne. Doch einige versuchen mehr. An der Grundschule an der Burmesterstraße in Freimann zum Beispiel soll es jeden Morgen Videokonferenzen geben; danach würden die Kinder ihre Aufgaben bearbeiten, und die Lehrkräfte stünden über Microsoft Teams für Fragen zur Verfügung, sagt Rektorin Ulrike Arndt. Die Lehrer würden teils von zuhause aus arbeiten, teils in der Schule - etwa um dort eine digitale Tafel zu nutzen. Dafür, sich parallel um die Notbetreuung zu kümmern, haben sie dann freilich keine Zeit. Sie rechne damit, dass etwa jedes zehnte der rund 500 Schulkinder in die Schule komme, sagt Arndt. Betreut werden sollen die Kinder dann möglichst von Lehrern ohne Klassenleitung oder auch von Mitarbeitern der Ganztagsbetreuung.

Sie hätten schnell begonnen, den Unterricht zu digitalisieren, erzählt auch Sabine Schnell-Lauer, Rektorin der Grundschule am Bayernplatz in West-Schwabing. Das Kollegium sei sehr engagiert. Sie hätten allerdings für 14 Klassen nur fünf Webcams; weitere seien längst bestellt, aber nicht geliefert. Sie ärgere sich über die Ausstattung durch die Stadt, sagt die Schulleiterin. So hätten sie etwa im Sommer Laptops erhalten, die weder Kameras noch Mikrofone hatten. Und es kamen Dokumentenkameras, bei denen in Videokonferenzen der Ton nicht funktioniert. In ihrer Grundschule hatten sich bis Freitag bereits ein Sechstel der 300 Schulkinder für die Notbetreuung angekündigt; laut Rektorin trudelten aber noch weitere Anmeldungen ein. Die Kinder sollten möglichst bei ihren Lehrkräften im Klassenzimmer sitzen, die von dort aus Distanzunterricht geben.

In anderen Schulen geht das freilich von vornherein nicht. "Die Lehrkräfte müssen von zuhause aus arbeiten", sagt etwa Carmen Fröhler von der Gilmschule. Im Schulhaus gebe es nach wie vor weder Wlan noch Rechner mit Kameras und Mikrofonen. Sechs der Kinder für die Notbetreuung sollen nun am Montag gleich in den Hort gehen, der extra früher aufsperrt. Um die übrigen kümmern sich zum Beispiel Fachlehrer sowie die Rektorin.

In manchen Schulen wird es ab Montag zudem womöglich eng. An der Grundschule an der Weißenseestraße in Giesing etwa gab es bis Freitagnachmittag schon mehr als 50 Anmeldungen; sie rechne aber mit mehr als 100 Kindern, sagte Rektorin Monica Schröger. Insgesamt zählt ihre Schule 540 Schülerinnen und Schüler. Die Kinder im Gebäude jeweils mit Abstand zueinander unterzubringen, sei kein Problem, sagt Schröger. Aber das Personal sei knapp. Zur Not müsse sie auch die Klassenlehrer für die Notbetreuung einsetzen.

Die Grundschule an der Berg-am-Laim-Straße in Berg am Laim schließlich rechnet gar mit noch mehr Kindern. Genau werde man es am Montag wissen, sagt Schulleiter Michael Hoderlein-Rein. Bis Freitag waren aber schon mehr als 70 Anmeldungen eingegangen, "und es hört nicht auf"; am Ende könnte jeder zweite bis dritte Schüler in die Notbetreuung kommen, sagt er: "Wir sind nicht weit vom Wechselunterricht für geteilte Klassen entfernt", freilich mit dem Unterschied, dass sich die Kinder nicht abwechseln. Ein Unterricht im Wechsel wäre ihm lieber gewesen, sagt Hoderlein-Rein. "Dann hätten wir alle Kinder gesehen."

© SZ vom 11.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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