Winter in München:Wenn die "Großmutter" zum Schneeschaufeln geschickt wird

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Unterwegs mit historischem Gerät: Eine bald 100 Jahre alte Tram hilft bei den Räumarbeiten. (Foto: Robert Haas)

Fünf Tage nach den heftigen Schneefällen funktionieren Tram und S-Bahn in und um München noch immer nicht überall. Peinlich und ärgerlich, findet die Opposition. Um die Lage in den Griff zu bekommen, wird nun sogar historisches Gerät eingesetzt.

Von Joachim Mölter, Martin Mühlfenzl und Andreas Schubert

Wenn in Bayern und dann sogar noch in München etwas nicht klappt, sprechen Politiker, bevorzugt solche aus der CSU, gerne von "Berliner Verhältnissen". So zum Beispiel Hans Theiss, der stellvertretende CSU-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat. Fünf Tage nach dem heftigsten Schneefall seit vielen Jahren ist der Straßenbahnverkehr noch immer nicht wieder komplett angelaufen. Nur nach und nach gehen die Linien an den Start. Das geht so langsam, weil die Mitarbeiter der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) per Hand die vereisten Rillengleise freikratzen müssen und sich dabei Meter für Meter vorarbeiten. Einen Räum-Unimog hat die MVG im Einsatz, für Verstärkung sorgt aktuell auch ein ähnliches Fahrzeug aus Stuttgart.

Dazu kommt eine historische Tram, die heute als Fahrdraht-Kontrollwagen fungiert und zudem mit einem Schneepflug ausgerüstet ist. Das bald 100 Jahre alte Fahrzeug ist bei Schnee den heutigen Niederflur-Tramwagen überlegen. Ein Umstand, den der Verein Freunde des Münchner Trambahnmuseums auf seiner Homepage mit Humor kommentiert: "Eigentlich schickt man bei Schnee nicht die Großmutter zum Schneeschaufeln raus, aber Trambahngeschichten sind eben so."

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Für die Zukunft sei entscheidend, ein Verfahren zu finden, um vereiste Rillen zu vermeiden, teilt MVG-Sprecher Maximilian Kaltner mit. "Dies muss durch eine verbesserte Koordination der Räumdienste erfolgen und durch ein frühzeitiges Räumen der Kreuzungsbereiche, um zu vermeiden, dass Schneematsch in die Rillen eingebracht wird."

Wenn die Rillen frei oder zumindest nicht vereist sind, sei zu diskutieren, ob mit historischen Fahrzeugen Winterdienstaufgaben erfüllt oder ob neue multifunktionale Zwei-Wege-Sonderfahrzeuge mit Streueinrichtungen beschafft werden, die außerhalb der Schneeperiode für andere Aufgaben verwendet werden könnten.

Die CSU hat das Thema am Mittwoch aufgegriffen und einen Antrag zum Schneeräumen eingebracht. Sie fordert ein optimiertes Konzept. "Das Schneechaos auf Münchens Straßen ist nicht nur höchst peinlich, es ist auch für viele Tausende Menschen ein ärgerliches Hindernis und bei Behinderung der Rettungswege auch noch lebensgefährlich", so Stadtrat Theiss.

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Auch bei der Münchner S-Bahn entspannte sich die Lage nur schrittweise. Im Münchner Umland - insbesondere im Süden und Osten - war der S-Bahn-Verkehr nach wie vor stark eingeschränkt. Schäden an der Infrastruktur verzögerten nach wie vor die Wiederinbetriebnahme zahlreicher Teilstücke, die Deutsche Bahn arbeitet einem Sprecher zufolge mit Hochdruck daran, die Abschnitte wieder freizubekommen. "Wir sind mit allen verfügbaren Kräften im Einsatz."

Auf dem West-Ast der S7 war auch am Mittwoch noch die Trasse zwischen Großhesselohe und Wolfratshausen gesperrt, dort ist Vegetation in die Oberleitung geraten. Am Bahnhof Wolfratshausen ist die Oberleitung teilweise gerissen und stärker beschädigt. Im südöstlichen Landkreis München fährt die S7 mittlerweile wieder, aber nur bis Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Am Mittwochnachmittag arbeiteten Einsatzkräfte daran, die Strecke weiter Richtung Aying und Kreuzstraße vom Schnee zu befreien. Es wurde ein Schienenersatzverkehr eingerichtet.

Der Verkehr auf der S4 zwischen Geltendorf und Ebersberg musste wieder komplett eingestellt werden. Bei Grafrath im Landkreis Fürstenfeldbruck gerieten Bäume ins Gleis und knickten Oberleitungsmasten um; die Strecke soll laut Deutscher Bahn am Donnerstag wieder befahrbar sein.

Dass es auch hier nur langsam vorwärtsgeht, kritisierte auch Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU). Der Wintereinbruch sei angekündigt gewesen, "da muss man sich entsprechend vorbereiten". Es fehle an Personal, aber auch an Material, zum Beispiel Schienenräumlokomotiven. "Da müssen wir mit der Bahn Tacheles reden." In den vergangenen Jahren, so Bernreiter, sei zu viel gespart worden. "Allein bei der Münchner S-Bahn müssen 25 Prozent der Züge gewartet werden."

In Wien und Bern stellte der Schneefall kein großes Problem dar

In den Nachbarländern Österreich und Schweiz wundert man sich ein wenig über die Lage in München. Auch in Wien hatte es ja am Samstag stark geschneit, ohne dass der ÖPNV deswegen zum Erliegen gekommen wäre. Im Netz der Wiener Linien seien "sämtliche Schienenräum- und Streufahrzeuge sowie zusätzliche Funkwägen und Kontrollfahrzeuge unterwegs" gewesen, teilte eine Sprecherin der Wiener Verkehrsbetriebe mit. Generell rückten dort ab einer Schneehöhe von fünf Zentimetern Räumfahrzeuge aus, um den Schnee von Straßenbahn-Gleisen sowie U-Bahn-Bahnsteigen und Gehsteigen vor den Stationen zu entfernen. Bereits vor den "ungewöhnlich starken Schneefällen vom Wochenende" seien "zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Leitstelle eingesetzt" worden.

Im Gegensatz zu München konnten dadurch in Wien in den vergangenen Tagen fast alle Trambahnen fahren, auch wenn es mitunter zu Verspätungen kam, die aber zum Großteil Autounfällen auf den glatten Straßen geschuldet waren, die den Tram- und Busverkehr behinderten. "Auch wenn Schnee und Eis von Räumfahrzeugen auf Gleise geschoben wird, kann dies zu Verzögerungen führen", erklärte die Sprecherin der Wiener Linien. Diese Verzögerungen seien jedoch "meist in wenigen Minuten wieder behoben".

In der Schweiz beeinträchtigte der jüngste - wenn auch nicht so heftige - Schneefall den öffentlichen Verkehr ebenfalls nicht lange. In der Hauptstadt Bern hatte es bereits am vergangenen Donnerstagmorgen zu schneien angefangen, nach anfänglichen Behinderungen und Ausfällen normalisierte sich der Verkehr jedoch schon im Laufe des Tages wieder.

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