Münchner Altstadt:"Da sind wir hier zwei bis drei Jahre kaltgestellt"

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Das sogenannte Bogner-Haus an der Residenzstraße soll abgerissen werden. (Foto: Florian Peljak)

In der prachtvollen Residenzstraße soll ein Geschäftshaus abgerissen und neu gebaut werden. Die Nachbarn fürchten nicht nur Umsatzeinbußen, sondern auch Schäden an den angrenzenden Gebäuden.

Von Patrik Stäbler

An der Fassade prangt ein eingekreistes B - maximal minimalistisch. Zwei Etagen tiefer in den Schaufenstern geht es dagegen ungleich opulenter zu. Dort wird etwa eine rote Frühlingsjacke für 650 Euro feilgeboten; die dazu passenden Turnschuhe kosten 325 Euro. Und doch erstaunen derlei Preise kaum - aus zweierlei Gründen. Zum einen stammt jene Mode aus dem Hause Bogner, das seit jeher für exklusive Bekleidung steht. Zum anderen ist man hier in der Residenzstraße, Hausnummer 15. Also direkt am Max-Joseph-Platz, vis-à-vis von bayerischer Staatsoper und Residenztheater - mehr Bestlage geht kaum.

Ausgerechnet in jener Prachtstraße mit ihren vielen denkmalgeschützten Häusern könnte nun ein größerer Eingriff bevorstehen. Denn wie aus einer Bauvoranfrage hervorgeht, plant die Eigentümerin des Büro- und Geschäftsgebäudes in der Residenzstraße 15 einen Abriss samt Neubau des sogenannten Bogner-Hauses. Dass dieses Vorhaben in der direkten Nachbarschaft nicht eben auf Begeisterung stößt, erfährt man spätestens bei einem Besuch nebenan in der renommierten Maßschneiderei Max Dietl - doch dazu später. Zunächst zu dem Antrag auf Vorbescheid, mit dem sich am kommenden Dienstag die Kommission für Stadtgestaltung befassen wird - "aufgrund der stadträumlich besonderen Lage des Baugrundstücks im Ensemble Altstadt", wie es in der Vorlage zur Sitzung heißt.

Urheberin dieser Bauvoranfrage und Eigentümerin des Bogner-Hauses ist die Holler-Stiftung, deren Zweck laut Stiftungsverzeichnis "die Förderung der Jugendfürsorge, der menschlichen und medizinischen Betreuung Schwerkranker, der Wissenschaft sowie der Kunst und Kultur" ist. Zu ihren Bauplänen in der Residenzstraße will sich die Stiftung auf Anfrage nicht äußern. Diese sehen einen vollständigen Abriss des Gebäudebestands vor, der aus einem Vorderhaus aus den 1950er-Jahren, einem niedrigeren Hinterhaus sowie einem circa 100 Quadratmeter großen Innenhof besteht.

Der geplante Neubau dürfte mutmaßlich mit einer deutlichen Vergrößerung der Flächen einhergehen, zumal für das Grundstück zwar eine hintere Baugrenze festgesetzt wurde, die das Verwaltungsgericht jedoch laut Sitzungsvorlage "für funktionslos erklärt" hat. Das Gebäude beheimatet zwei Arztpraxen, verschiedene Büros sowie das Modegeschäft der Firma Bogner, die laut einer Sprecherin des Unternehmens "als Mieter zu etwaigen Plänen des Eigentümers für das Gebäude nichts sagen" könne.

Inge und Max Dietl betreiben ein Geschäft im Nachbarhaus an der Residenzstraße 16. (Foto: Florian Peljak)

Sehr wohl etwas sagen, und das mit Nachdruck, will dagegen Max Dietl. Er betreibt im Nachbarhaus in der Residenzstraße 16 eine Maßschneiderei, pflegt nach eigenen Angaben ein "gutes Verhältnis" zur Holler-Stiftung - und nennt deren Pläne dennoch "eine Katastrophe". Nicht nur sorgt er sich "am schönsten Platz in München" um den Anblick jener "Zeile mit den Traum-Bürgerhäusern". Sondern bei einem Abriss nebenan fürchte er auch die Folgen für sein 150 Jahre altes Gebäude aus der Neurenaissance, dessen Kern sogar ins 15. Jahrhundert zurückreiche. "Diese Häuser sind Wand an Wand gebaut, deshalb ist das wie bei einem Kartenhaus", warnt Max Dietl. "Wenn man eine Karte rauszieht, dann drohen wahnsinnige Schäden an den benachbarten Häusern. Das reicht von Rissen in den Wänden bis zu Problemen mit der Statik."

Hinzu kämen die Belastungen für die Geschäfte in der Residenzstraße während der Bauzeit, gibt Max Dietl zu bedenken: "Der Lärm, der Schutt, der Dreck - da sind wir hier zwei bis drei Jahre kaltgestellt." Unabhängig davon, sagt der 59-Jährige, "hat ein totaler Abriss auch wenig mit Nachhaltigkeit zu tun". Ähnliche Bedenken hegt offenbar auch der städtische Heimatpfleger. Dieser, so steht es in der Vorlage zur Sitzung der Stadtgestaltungskommission, "sieht das Vorhaben - sowohl was den Umgang mit der Gebäudesubstanz als auch was die Fassadengestaltung betrifft - insgesamt kritisch". Derweil erachte die Untere Denkmalschutzbehörde die Fassade zum Max-Joseph-Platz als "diskussionsbedürftig". Aus bauplanungs- und bauordnungsrechtlicher Sicht ist das Vorhaben laut der Lokalbaukommission jedoch "grundsätzlich möglich".

All diese Einschätzungen werden die Architektinnen, Denkmalschützer und Stadtratsmitglieder zu berücksichtigen haben, wenn sie am Dienstag in der öffentlichen Sitzung der Stadtgestaltungskommission über die Voranfrage für das Grundstück in der Residenzstraße 15 diskutieren. Zwar hat das Gremium keine Entscheidungsbefugnis, kann also weder Baurecht aussprechen noch entziehen. Jedoch haben die Empfehlungen der Kommission durchaus Gewicht bei den anschließenden Entscheidungen im Rathaus oder im Stadtrat.

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