Nach den Affären in der Union um Maskendeals und Lobbyismus für ausländische Politiker will die grün-rote Rathauskoalition mit mehr Transparenz das Vertrauen in die Politik auf kommunaler Ebene stärken. In drei Anträgen schlägt sie Maßnahmen vor, die es den Bürgerinnen und Bürgern erleichtern sollen, sich über die Arbeit des Stadtrats ein Urteil zu bilden, wie es in einer Mitteilung der beiden Fraktionen heißt.
Erster Baustein soll ein Transparenz- und Verhaltenskodex sein. Dazu ist eine Satzung geplant, in der die Stadt relevante Informationen von sich aus zur Verfügung stellt. Drittens soll es ein sogenanntes Whistleblower-System geben, für anonyme Hinweise zu Korruptions- oder Compliance-Vorfällen.
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Bei den Geschäften mit den Schutzmasken sollten für fünf Vermittler insgesamt fünf bis sechs Millionen Euro an Provisionen herausspringen. Allerdings dürfte noch einiges Geld in Liechtenstein liegen.
Die Einsicht, dass Transparenz Vertrauen schafft, sollte die Informationspolitik der Stadt München noch stärker prägen, sagt Grünen-Fraktionsvorsitzender Florian Roth. Nicht nur Entscheidungen, auch deren Zustandekommen müsse sichtbar werden. Diesem Ziel diene auch eine Darstellung der beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten der Stadträtinnen und Stadträte. Diese seien zwar, anders als Abgeordnete des Bundes- oder Landtags, keine Berufspolitiker mit hohen Diäten. "Es dient aber auch auf kommunalpolitischer Ebene dem Vertrauen in demokratische Entscheidungsprozesse, mögliche Interessenkonflikte sichtbar zu machen."
Das Recht auf den Zugang zu Informationen und eine Verpflichtung zur automatischen Veröffentlichung einer Vielzahl von Dokumenten sei "ein wesentlicher Schritt, dem berechtigten Informationsbedürfnis nachzukommen", sagt SPD-Stadträtin Micky Wenngatz. Auch die Möglichkeit, sicher und anonym auf den Verdacht der Korruption hinzuweisen, trage zur Transparenz bei. "Dabei ist es uns wichtig, dass ein digitales Portal die Möglichkeit bietet, Nachfragen zu stellen, ohne dass die Anonymität gefährdet wird."
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Nun ist die Stadtverwaltung gefragt. Als Orientierung für einen Transparenzkodex könnten laut Antrag vergleichbare Richtlinien etwa in Stuttgart oder Leipzig dienen; die Stadt könne sich auch durch den Anti-Korruption-Verein Transparency International beraten lassen, heißt es. Wie Transparenz funktionieren kann, weiß auch Henrike Hahn; die Münchnerin ist industriepolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament. Dort gelten längst strengere Regeln als in Kommunen oder im Bundestag. Seit 2019 etwa müssen EU-Parlamentarier, die an Gesetzesvorhaben beteiligt sind, einschlägige Kontakte mit Interessengruppen offenlegen.
Lobbyismus hat auf EU-Ebene eine andere Dimension als in München; Hahn etwa berichtet von täglich mehreren hundert Gesprächsanfragen und Einladungen von Lobbyisten an sie selbst sowie an ihre Mitarbeiter. Die meisten blieben unbeantwortet, sagt sie. Generell verwerflich seien solche Gespräche aber nicht. Man müsse mit denen sprechen, die eine Gesetzgebung betrifft. Dass Lobbyisten dabei eigene Interessen verfolgten, sei ja klar.
Möglichkeiten, sich zu bereichern, gebe es kaum, für ehrenamtliche Politiker schon gar nicht
Als Münchner Stadtrat habe man es tatsächlich allerdings weniger oft mit klassischem Lobbyismus großer Firmen zu tun, berichten mehrere Stadträte. Öfter als diese suchten da schon Vereine oder Initiativen den Kontakt zum Rathaus, die sich städtische Zuschüsse wünschen. Dabei hat München ebenso wie andere Städte strukturell ein offenes Ohr für die Interessen hiesiger Firmen. Kommunen sind schließlich angewiesen auf die Einnahmen aus der Gewerbesteuer. "Wie gut es München geht, hängt davon ab, dass hier so viele Firmen angesiedelt sind", sagt Christian Müller, Fraktionschef der SPD. Grundsätzlich habe der Stadtrat mit allen Unternehmen zu tun. Möglichkeiten, sich selber zu bereichern, gebe es aber kaum, und für ehrenamtliche Stadträte schon gar nicht.
Der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion im Stadtrat, Manuel Pretzl von der CSU, würde mehr Transparenz grundsätzlich ebenfalls begrüßen. Die Anträge von Grün-Rot seien jedoch "relativ unkonkret, ich bin gespannt, was die Verwaltung dazu sagt". Die Forderung eines Whistleblower-Systems sei zudem ein Schaufenster-Antrag. Die Verwaltung sei da längst dran. Pretzl gibt auch zu bedenken, dass das Amt des Stadtrats ein Ehrenamt ist, anders als auf höheren politischen Ebenen. "Für uns ist es wichtig, dass jede Berufsgruppe im Stadtrat vertreten ist."