Goldig im Boettners:Italiens bekannte Seiten

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Stuckdecken und Kronleuchter erinnern an vergangene Tage, sonst aber wurde sacht modernisiert. (Foto: Florian Peljak)

Das Goldig im Boettners serviert in Bestlage klassisch-mediterrane Küche zu meist erstaunlich moderaten Preisen. Kulinarische Überraschungen allerdings sucht man vergebens.

Von Max Murke

Hilft alles nichts, man entkommt seinen Klischees ja doch nicht. Steuert man also das Münchner Platzl an, um essen zu gehen, denkt man an barocke Klassik. An Alfons Schuhbeck und den breitbeinigen Gastropomp, den er hier über Jahre zelebriert hat, angefangen natürlich bei den Südtiroler Stuben, später im Fine-Dining-Ableger "Alfons", mit dem aber nach drei Jahren wieder Schluss war. Im Sommer 2020, Corona nahm grad Anlauf zur zweiten Welle, eröffnete dort dann das Goldig im Boettners , und während man also an Brokatschweres und Hochpreisiges denkt, kloppt ein Blick auf die Karte erst mal sämtliche Klischees in die Tonne: Penne arrabiata für 9,90 Euro, schönen guten Abend.

Irene Scopel und Lisa Strauss, die Betreiberinnen, haben schon die Weinbar "Das kleine Kameel" im Hofgraben zusammen geführt, im Goldig bieten sie jetzt klassisch-mediterrane, vor allem italienische Küche an. Das Boettners, wie das Haus lange hieß, war eines der traditionsreichsten Restaurants der Stadt, die Stuckdecken und Kronleuchter erinnern an vergangene Tage, ansonsten wurden die Gasträume sachte modernisiert, viel Holz, viel indirektes Licht.

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Dass sie hier tagesfrisch kochen, merkt man schon daran, dass um halb acht abends mal der Risotto und die Ravioli von der Tageskarte ausverkauft sind, mal das Perlhuhn. Sei's drum, bleiben ja die "Klassiker", die genau so auf der Karte stehen und genau das sind. Hier gefallen vor allem die Vorspeisen. Das Rindercarpaccio Cipriani (15,50 Euro) zum Beispiel, das papierdünn aufgeschnitten ist und nicht mehr braucht als ein paar Fäden hausgemachter Mayonnaise, Pfeffer und Olivenöl. Oder das Vitello tonnato (15,50 Euro), das nicht nur sehr saftig geraten ist, sondern bei dem die gepickelten roten Zwiebeln die Thunfischsoße angenehm auffrischen. Während bei der geflämmten Makrele (15,90 Euro) die Kichererbsen noch einen schönen Biss haben, geht es beim Oktopuscarpaccio (17,90 Euro) gut auf, dass die Küche den Gang eher mit Selleriewürfeln und Oliven würzt, statt ihn mit einem Schleier aus Salz und Pfeffer zu verhängen.

Die Bar ist gut ausgestattet mit italienischen Weinen - aber der Blick geht auch darüber hinaus. (Foto: Florian Peljak)

Auch die Nudeln sind tadellos im Goldig. Die Ravioli mit Ricotta, Spinat und Salbeibutter (15,50 Euro) schmecken wohlig rustikal, die Tagliolini mit schwarzen Trüffeln (21,90 Euro) so elegant, wie man sie als Tajarin aus dem Piemont kennt. Allerdings meinen wir spätestens bei der Pasta, den Gerichten ihre zentrale Innenstadtlage anzumerken. Die Teller wirken, als sollten sie dem FC-Bayern-Fan genauso schmecken wie der termingeplagten Geschäftsfrau, den Operngängern genauso wie den Kaufhausgängern (zwei Damen gegenüber haben ihre C&A-Tüten unterm Tisch verstaut). Geschmacklich bewegt man sich hier fast stromlinienhaft, keine Ecken, keine Kanten, und was immer man bestellt: Man macht mit keinem Gang etwas falsch. Heißt aber auch: Überraschungen gibt's keine.

Bestes Beispiel: der Risotto mit Baby-Calamari. Sehr cremig, das Korn al dente, das Meerestier bestens gegart. Ein Risotto, wie er sein sollte, nicht weniger, aber halt auch nicht mehr. Auf der Rechnung steht die Portion für zwei Personen später übrigens mit 49 Euro, Stichwort Innenstadtlage.

Bei den Hauptgängen lohnt sich ein Blick auf die Tageskarte, wobei die Küche auch hier jedes Risiko vermeidet. Das Entrecôte (29,50 Euro) ist zart, die Jus kräftig und schwer, wie man es von klassischen Fleischgängen gewohnt ist. Ein Rätsel aber bleibt, warum die violetten Kartoffeln so trocken und geschmacklos sind.

Dann lieber den Skrei mit Senfsoße und Kartoffelpüree (25,50 Euro), der an einem anderen Abend auf der Karte steht. Der milde Fisch geht hervorragend mit der angespitzten Soße zusammen, das Püree ist cremig, aber keine Spur leimig, die Karotten und die Zuckerschoten steuern wiederum genügend Textur bei, um dem Ganzen Halt zu geben.

Grappa - bietet sich nach einem italienischen Menü natürlich an. (Foto: Florian Peljak)

Bei den Desserts hält es die Küche wie bei den vorherigen Gängen: Bitte nur auf den ausgeschilderten Wegen wandern. Das Zitronensorbet (4,90 Euro) kommt mit ein paar Blättchen Anstandsminze daher, sonst keine Mätzchen. Das Mille-feuille (8,90 Euro) schichten sie hier nicht mit Blätterteig auf, sondern mit Pane carasau, einer sardischen Version des Fladenbrots. Das macht das Mundgefühl zwar interessanter, ändert aber nichts daran, dass die Creme geschmacklich schnell verfliegt.

Dem Platzl tut es nur gut, dass mit dem Goldig dort ein Lokal aufgemacht hat, das unprätentiös und ohne großes Tamtam klassische Küche zu alltagstauglichen Preisen anbietet. Ein bisschen mehr Risikofreude dürfte es seinen Gästen aber schon zutrauen. Denn wer nicht aufs Eis geht, rutscht zwar nicht aus - sollte aber auch sonst nicht allzu viel erwarten.

Goldig im Boettners , Pfisterstraße 9, 80331 München, Telefon: 089/24210372, Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 11 bis 22.30 Uhr, warme Küche 11.30 bis 20.30 Uhr.

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