Nahverkehr in München:Das neue Hirn am Ostbahnhof

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Das Gebäude, in dem die Fahrdienstleister der Deutschen Bahn am Ostbahnhof den Zugverkehr lenken, wird bald nicht mehr benötigt. Die Bahn tauscht das Relais-Stellwerk durch ein elektronisches Stellwerk (ESTW) aus. (Foto: lok)

Für 222 Millionen Euro will die Deutsche Bahn ein digitales Stellwerk bauen - denn die alte, störanfällige Anlage legt immer wieder den Verkehr lahm. Nun soll es bald losgehen.

Von Andreas Schubert

Ausfälle, Verspätungen, Pendlerfrust: Das Stellwerk am Ostbahnhof sorgt wegen vieler Ausfälle seit Jahren regelmäßig für Ärger bei den S-Bahn-Reisenden. Damit soll in absehbarer Zeit Schluss sein. Im Oktober beginnen die Bauarbeiten für ein neues digitales Stellwerk, das zuverlässig funktionieren und die bereits mehr als 50 Jahre alte Anlage ablösen soll.

Das neue Stellwerk der Deutschen Bahn (DB) wird 222 Millionen Euro kosten. Dass es gebaut wird, ist nun keine neue Nachricht mehr. Am Mittwoch aber hat sich am Ostbahnhof reichlich Prominenz eingefunden, um den baldigen Baubeginn schon vorab ein bisschen zu feiern. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bezeichnete das neue elektronische Stellwerk als "Gehirn des ÖPNV im Großraum München". Zusammen mit der zweiten S-Bahn-Stammstrecke sei dies ein zentraler Baustein für Mobilität in der Region. Ronald Pofalla, DB-Vorstand für Infrastruktur, sagte, für München sei ein zuverlässiges und leistungsfähiges S-Bahn-Netz essenziell. Klares Ziel sei, noch mehr Menschen davon zu überzeugen, ihr Auto zugunsten der klimafreundlichen Bahn stehen zu lassen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erklärte, Bayern habe gedrängt, "wir haben Tempo gemacht und jetzt geht es los".

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Tatsächlich ging das Genehmigungsverfahren durch das Eisenbahnbundesamt verhältnismäßig schnell. Seit Mai liegt die Genehmigung nun vor. Bereits im Juni 2023 soll die neue Anlage in Betrieb gehen. Bis dahin ist einiges zu erledigen.

So baut die DB unter anderem zwei neue Technikgebäude und passt die Leit- und Sicherungstechnik an den Gleisen an. Insgesamt verlegt sie während des laufenden Betriebs 100 Kilometer Kabel und stellt rund 70 neue Signale auf. Zunächst bereitet die DB die Flächen für die zwei künftigen Technikgebäude vor. Dann finden umfangreiche Kabel- und Oberleitungsarbeiten statt. Um die Einschränkungen für den Bahnverkehr möglichst gering zu halten, bündelt die Bahn die Arbeiten so gut es geht, und nutzt vor allem die Zeitfenster, die ohnehin für Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen vorgesehen sind.

Die Inbetriebnahme des Stellwerks erfolgt von Mitte 2023 an schrittweise: Zunächst steuern DB-Mitarbeiter über die elektronische Stellwerkstechnik per Mausklick rund 70 Signale und 60 Weichen im S-Bahn-Bereich am Ostbahnhof. Nach Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke kommt diese dann dazu. Im Anschluss daran erfolgt die Anbindung der Fernbahngleise und der Strecke nach Giesing. Die Fahrdienstleiter und -leiterinnen sitzen künftig in der Betriebszentrale an der Donnersbergerbrücke.

Die alte, anfällige Anlage am Ostbahnhof ist ein sogenanntes Relais-Stellwerk aus den Sechzigerjahren. In einem Stellwerk hat ein Fahrdienstleiter alle Strecken in seinem Bereich auf einem Computerbildschirm oder einer Schalttafel im Blick. Die Fahrdienstleiter lenken die Züge am Ostbahnhof auf die richtigen Gleise, schalten Signale und stellen Weichen. Detektoren im Gleis melden, wenn ein Abschnitt frei ist, erst dann darf ein Zug auf die Strecke. Tritt ein Fehler auf, muss der Zugverkehr stehen, bis der Fehler behoben ist. Dass das alte Stellwerk so oft ausfällt, hat diverse Gründe. Es können etwa Kabel beschädigt sein, Überspannungen auftreten oder Achszähler ausfallen. An den elektromagnetischen Relais selbst kann schon Staub zu Störungen führen.

Am Rande der Veranstaltung am Mittwoch demonstrierte eine kleine Gruppe der "Anwohnergemeinschaft Truderinger und Daglfinger Kurve und Spange" mit Plakaten. Sie forderten unter anderem, dass für den Güterverkehr auf dem Nordzulauf des Brennerbasistunnels auch in München ein Tunnel gebaut wird. Adressat war vor allem Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der von der Demo allerdings gar nichts mitbekam, weil er nicht selbst in München, sondern nur per Videostream aus Berlin zugeschaltet war.

© SZ vom 15.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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