Kann man die Hölle von Auschwitz beschreiben? Findet nicht allein dadurch schon eine Ästhetisierung statt? Zofia Posmysz, eine Überlebende dieser Hölle, hat Worte gefunden. In ihrem bereits 1962 in Polen erschienenen Roman "Pasażerka" (deutsche Ausgabe 1969 "Die Passagierin") schreibt sie: "Einen halben Kilometer vor dem Lager roch man schon den Gestank. Für dreißigtausend Menschen zwei Latrinen (...), das ganze Lager wurde zur Latrine. Ein stinkender dünnflüssiger Kot."
Wer hier spricht, ist eine ehemalige KZ-Aufseherin. Lisa, sie erinnert sich, denn die Vergangenheit hat sie eingeholt. Auf einem Luxusdampfer, der sie und ihren Mann nach Übersee in ein neues Leben bringen soll, glaubt sie in einer Passagierin Martha wiederzuerkennen, einen Auschwitz-Häftling.
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München-Premiere ohne Zeitzeugin
Es war Dmitri Schostakowitsch, der die russische Übersetzung des Buches gelesen hatte und seinem Freund Mieczysław Weinberg (1919-1996) nahelegte, daraus eine Oper zu machen. So nahm der Komponist, ein polnischer Jude, der seine gesamte Familie in der Shoa verloren hatte, Posmyszs Roman als Vorlage für seine Oper "Die Passagierin" (Libretto: Alexander Medwedew). 1968 vollendet, geriet das Werk im Kalten Krieg in Vergessenheit, die konzertante Aufführung 2006 in Moskau erlebte Weinberg nicht mehr. 2010 dann die szenische Erstaufführung bei den Bregenzer Festspielen, Teodor Currentzis dirigierte.
Seither wurde Die Passagierin auf vielen Bühnen gespielt, meist in Anwesenheit von Zofia Posmysz. Die starb 2022 in Oświęcim (Auschwitz). So wird die München- Premiere der Oper am 10. März im Nationaltheater ohne sie, die Zeitzeugin, stattfinden. Es inszeniert Tobias Kratzer, Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski steht am Pult. Sophie Koch singt die Lisa.
Verschollene Oper wieder aufgetaucht
Ebenfalls eine späte Entdeckung und ein Werk mit besonderer Geschichte ist die Oper Zanaida von Johann Christian Bach. 1763 in London uraufgeführt, galt sie über Jahrhunderte als verschollen. Dass diese wundervolle Musik jetzt wieder zu hören ist, verdankt die Opernwelt Elias Kulukundis, der aus einer griechischen Reedersfamilie stammt, seinerzeit gegen die griechische Militärdiktatur im Widerstand operierte und später als Musikwissenschaftler zum Sammler wertvoller Partituren und Autografen wurde.
In seiner New Yorker Sammlung befand sich auch jene "Zanaida" von Bachs Jüngstem, von der nur einzelne Arien überliefert waren. Zusammen mit 1000 anderen Dokumenten hat sie nun als Dauerleihgabe ihren Platz in der Leipziger Bach-Forschungsstätte. Im Rahmen des Bachfestes 2011 kam es im Goethe-Theater in Bad Lauchstädt zur Wiederaufführung.
Die München-Premiere des Werks wird nun eine ganz besondere sein, denn sie wird von jungen Menschen gestaltet sein. In Kooperation mit dem Münchner Rundfunkorchester bringen Studierende der Bayerischen Theaterakademie August Everding und der Hochschule für Musik und Theater die Oper auf die Bühne des Prinzregententheaters. Premiere ist dort am 8. März.
So alt das Werk, so aktuell: Zwei Völker, seit Jahrzehnten im Krieg um Wasserressourcen, nun soll eine Heirat zwischen Prinzessin Zanaida und dem König des Nachbarlandes Frieden stiften, der die Braut jedoch verschmäht. Man ahnt, was die Titelheldin erwartet, Intrigen, Verschwörungen, Verstrickungen.
Fäden spielen in der Zanaida-Inszenierung von Sabine Hartmannshenn eine gewisse Rolle. Auch in Chris Naylor-Ballesteros Kinderbuch Frank und Bert, einer bezaubernden Geschichte über den Wert von Freundschaft. Komponist Richard Whilds hat daraus ein Musiktheater für Kinder ab vier Jahren geschaffen. Premiere an der Staatsoper ist am 1. März.