Nahostkonflikt in München:Stadt München verbietet pro-palästinensischen Autokorso

Lesezeit: 3 min

Die Flagge Israels wurde am 9. Oktober 2023 auf die Fassade des Münchner Rathauses projiziert. (Foto: Sachelle Babbar/IMAGO)

Das Kreisverwaltungsreferat erlässt eine Allgemeinverfügung, um eine angekündigte Demonstration des radikalen Netzwerks "Samidoun" zu verhindern. Oberbürgermeister Dieter Reiter spricht mit Münchner Imamen über ein gemeinsames Friedensgebet.

Von Heiner Effern, Ulrike Heidenreich und Susi Wimmer

Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) unterbindet eine angekündigte pro-palästinensische Demonstration des radikalen Netzwerks "Samidoun" in München. Dieses hatte am Samstagnachmittag einen Autokorso geplant, der laut der Behörde aber nicht offiziell als Demonstration angezeigt wurde. Deswegen erließ das KVR am Freitagabend das Verbot über eine Allgemeinverfügung. Begründet wurde dieses Vorgehen mit "erheblichen Gefahren für den öffentlichen Straßenverkehr". Zu dieser Einschätzung sei man in "enger Abstimmung" mit der Polizei gekommen.

Dazu werde vom Bund gerade ein Verbot von "Samidoun" geprüft, hieß es in der Mitteilung des KVR weiter. Das Netzwerk sei wiederholt "mit Versammlungen im gesamten Bundesgebiet" in Verbindung gebracht worden, die "unfriedliche Verläufe" genommen hätten. In diesem Punkt unterscheide sich der nicht angemeldete Autokorso von jenen Demonstrationen in München, bei deren Verbot die Stadt am Donnerstag vor Gericht gescheitert war.

Wie von den Gerichten gefordert, entschied das KVR am Freitag im Einzelfall, ob die öffentliche Sicherheit gefährdet sei. Vergleichbare Demonstrationen wie am Donnerstag müsse das KVR deshalb künftig genehmigen, teilte die Behörde mit. Um die öffentliche Sicherheit zu wahren, will das KVR aber Auflagen erlassen. Aufrufe zu Gewalt und das Feiern des Angriffs auf Israel werden auch auf rechtmäßig stattfindenden Versammlungen weiter untersagt bleiben.

Am Freitagvormittag hatten sich mehrere Imame, darunter Benjamin Idriz vom Münchner Forum für Islam, im Rathaus mit Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) getroffen. 13 muslimische Geistliche hatten das Treffen zuvor in einem offenen Brief gefordert, weil sie eine Eskalation auf den Straßen Münchens befürchtet hatten. Im Vorfeld des Gesprächs hatte es einige Unstimmigkeiten gegeben. Die Imame hatten dem OB mangelnde Gesprächsbereitschaft vorgeworfen.

Bevor es dann doch zum Treffen kam und Reiter am Freitagmorgen bei einer Pressekonferenz zur Jugendgewalt gefragt wurde, wie er mit Ausländerkriminalität umgehe, antwortete der OB: Er sehe seinen Job darin, zu vermitteln. Deshalb rede er ja auch mit den Imamen, und dann wörtlich: "Trotz mittelmäßig freundlicher Einladung." Seine Zurückhaltung könnte auch darauf zurückzuführen gewesen sein, dass einige der Imame, die den Brief unterzeichnet hatten, eine Nähe zur Muslimbruderschaft haben sollen. Diese wird teilweise als islamistische Organisation eingestuft.

Deutliches Zeichen in Form eines Friedensgebetes oder einer Mahnwache

Offenbar scheint die Gesprächsrunde dann aber in konstruktiver Atmosphäre verlaufen zu sein. Reiter: "Es war ein gutes Gespräch unter schwierigen Voraussetzungen vor dem Hintergrund des Krieges im Nahen Osten. Ich bedanke mich für die Bereitschaft der Imame, im Sinne der Münchner Stadtgesellschaft zur Deeskalation aufzurufen." Man sei sich einig gewesen in der Verurteilung des Terrors der Hamas und in der Trauer um alle zivilen Opfer dieses Krieges. "Deshalb haben die Imame vorgeschlagen, ein deutliches Zeichen zu setzen, in Form eines Friedensgebetes oder einer Mahnwache." Reiter habe zugesagt, dies zu unterstützen.

In ihren Freitagspredigten in den Moscheen wollten die Münchner Imame dazu aufrufen, nicht an dem angekündigten Autokorso teilzunehmen. Idriz sagte in seiner Predigt: "In den nächsten Tagen sind einige Kundgebungen angekündigt worden, manchmal ohne Bekanntgabe, wer dahintersteht. Wir appellieren, besonnen zu bleiben und andere Wege zu suchen, um unseren Unmut zu beklagen. Mit Aufschrei und herabwürdigender Rhetorik schaffen wir eine weitere Kluft." Auch seine Gemeindemitglieder sollten "nicht aus dem Blick verlieren, dass es Schmerzen auf beiden Seiten gibt. Lasst uns nicht in einen Wettbewerb treten, wessen Schmerz größer oder gerechtfertigter erscheint, sondern uns gegenseitig trösten und für Frieden einstehen."

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte am Donnerstagabend das Versammlungsverbot der Stadt München für eine Veranstaltung unter dem Titel "Menschenrechte und Völkerrecht auch für Palästina" gekippt. Im Urteil beruft sich der 10. Senat auf das rechtliche Gewicht der Versammlungsfreiheit. Die Stadt München hatte die Versammlung mit einer Gefahrenprognose begründet und auf Ausschreitungen in anderen Städten, insbesondere in Berlin, verwiesen. Auch das Argument der Stadt, dass das Versammlungsthema "zu einer starken Emotionalisierung auf allen Seiten" führen könne, rechtfertige kein Versammlungsverbot, urteilte der Verwaltungsgerichtshof. Die so kurzfristig genehmigte Kundgebung fand dann am Donnerstagabend mit etwa 60 Teilnehmern auf dem Odeonsplatz ohne Zwischenfälle statt.

Europäische Rabbiner warnen vor Bedrohung für die jüdischen Gemeinden

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat am Freitag die Wohnung eines arabischstämmigen Mannes durchsuchen lassen. Er werde mit einem Instagram-Account in Verbindung gebracht, auf dem der Terrorangriff der Hamas auf Israel als "Widerstandshandlung" bezeichnet wurde. Die Behauptung sei auf einem frei zugänglichen Instagram-Account geäußert worden. Dies erfülle den Tatbestand der Billigung von Straftaten, hieß es zur Begründung. Der Mann gehöre einer propalästinensischen Vereinigung an, für die er am 9. Oktober eine Demonstration auf dem Marienplatz angemeldet hatte.

Europas Rabbiner warnen vor einem Erstarken der extremen Rechten, sollten die Staaten nicht mit Nachdruck auf Pro-Palästina-Demos und etwaige Ausschreitungen reagieren. Die sei "nicht nur eine Bedrohung für die jüdische Gemeinde in Europa, sondern für den Fortbestand der europäischen Demokratie selbst", sagte der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER), Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, am Freitag. Der Hauptsitz der CER war erst im September von London nach München verlegt worden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusReden über den Krieg
:Wie die Münchner Schulen mit dem Nahostkonflikt im Klassenzimmer umgehen

Schüler tragen Shirts, auf denen "Free Palestine" steht, äußern Sympathien für die Hamas - so etwas erleben Lehrkräfte immer wieder. Und müssen einen Weg finden, mit Kindern und Jugendlichen zu diskutieren.

Von Kathrin Aldenhoff

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: