"Der beste Müll ist der, der gar nicht erst entsteht." Nach diesem Prinzip will Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Stadt München auf einen "Müllminderungspfad" schicken. Sämtliche Referate sowie die städtischen Betriebe und Organisationen sollen eine Gesamtstrategie entwickeln, wie sich die Abfallberge minimieren lassen. "Wir kennen alle die Bilder von Meeren voller Plastik. Und Tieren, die sich in Plastikresten verfangen", so Reiter. München müsse einen spürbaren Beitrag leisten, dass künftig weniger Müll anfällt. Ergebnisse erwartet Reiter noch in der aktuellen Amtsperiode des Stadtrats.
Mit seiner Initiative wagt sich Reiter als oberster Chef der Verwaltung weit aufs Terrain seiner Kommunalreferentin Kristina Frank. Die CSU-Politikerin ist nicht nur für Müll zuständig, sondern tritt auch gegen Reiter für den Chefposten im Rathaus an. Ein wenig verschnupft fiel Franks Reaktion denn auch aus. Es sei "begrüßenswert, dass der Oberbürgermeister mich nun in meinem Kampf um Müllvermeidung unterstützt", so die Referentin, die sich in ihrem Kurs insgesamt bestätigt sieht.
Abfall:Die Wege des Mülls
Im Jahr produzieren die Münchner 563 846 Tonnen Müll. Was mit dem Abfall passiert, nachdem er in der Tonne gelandet ist. Ein Überblick.
Reiter hat sich bei seinem Vorstoß von dem Wissenschaftler Henning Wilts beraten lassen. Aus den Gesprächen hat der SPD-Politiker mitgenommen, dass München zwar gut beim Recyceln ist, in puncto Müllvermeidung aber Nachholbedarf besteht. Reiter setzt dabei eher auf Anreize denn auf Zwang - wohl wissend, dass die Einflussmöglichkeiten der Stadt auf den Einzelhandel und das Kaufverhalten der Münchner ohnehin begrenzt sind. "Niemand muss Angst haben, dass wir die Verbraucher überfordern."
Verwaltungsintern will der OB allerdings entschieden durchgreifen - durch neue Richtlinien beim Einkauf etwa. Reiter schwebt vor, eine möglichst geringe Menge an Verpackung zu einem Kriterium in den Vergaberichtlinien zu machen. Dieser Aspekt spiele derzeit überhaupt keine Rolle. Damit "die Last der Entscheidung" nicht das jeweils letzte Glied in der Kette tragen muss, benötigten die städtischen Mitarbeiter klare Vorgaben, nach welchen Kriterien eingekauft oder Aufträge vergeben werden. Notfalls dürfe es dann auch einmal etwas teurer werden, wenn dafür weniger Abfall anfällt. Aber auch bislang ungewohnte Wege könnten beschritten werden, mit dem Kauf von Secondhand-Möbeln beispielsweise.
Ein Vorbild für städtische Müllvermeidung bildet das Oktoberfest, bei dem durch Vorgaben der Stadt die Müllmenge bereits erheblich reduziert wurde. Reiter glaubt, dass ähnliche Erfolge auch in anderen Bereichen möglich sind. In Schulen etwa, wo man bei der Verpflegung komplett auf Mehrwegsysteme umsteigen könnte. Laut Wilts zählt die Abfallvermeidung auf der Wiesn international zu den Vorzeigeprojekten. Der Experte, der die Abteilung Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie leitet, warnt davor, den Einfluss der öffentlichen Hand auf die Müllmenge zu unterschätzen. 16 Prozent aller Gelder, die in Deutschland ausgegeben werden, stammten aus kommunalen oder staatlichen Kassen.
Da spiele es eine große Rolle, wenn plötzlich auch die Lebensdauer von Produkten oder auch die Möglichkeiten zur Reparatur in den Kriterienkatalog beim Einkauf aufgenommen werden. München solle sich das ehrgeizige Ziel setzen, zur "Zero Waste City" zu werden, so Reiter - also früher oder später gar keinen Müll mehr produzieren, der nicht wiederverwendet werden kann. Und weil das ohne den Einzelhandel und die Gastronomie nichts werden kann, will der OB einen Dialog mit den Betreibern aufnehmen. Vielleicht hätten auch die internationalen Kaffee- und Burgerketten irgendwann ein Einsehen, dass Mehrweg die bessere Lösung sei. Hilfreich könnten aber auch Appelle an die Kunden sein. "Jeder von uns kann beim Einkauf darauf achten, Müll zu vermeiden, indem wir Produkte aussuchen, die nicht unnötig verpackt sind", so der SPD-Politiker. Die Kommune könne besonders umweltfreundliche Läden auch durch ein stadtweites Qualitätslabel unterstützen. Nach dem Vorbild von "Einmal ohne, bitte", das für müllfreies Einkaufen steht.