Projekt mit Vorbild in Barcelona:"Autos werden künftig weniger Platz haben"

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Bis Ende Oktober bleiben nun von Studenten aufgebaute Parklets in der Steinheilstraße. Hier Simone Aumann (links), Ana Rivas (Mitte) und Benjamin Büttner. (Foto: Catherina Hess)

In der Maxvorstadt startet ein neues TUM-Projekt, das für grünere Straßen und mehr Begegnungsfläche sorgen soll. Dafür mussten einige Parkplätze weichen. Ein ähnliches Projekt hatte jüngst in der Au für Anwohnerproteste gesorgt.

Von Patrik Stäbler

In der Steinheilstraße in der Maxvorstadt stehen ein halbes Dutzend Halteverbotsschilder - alle paar Meter eines. Dazwischen sitzen und knien junge Leute auf dem Asphalt und schrauben dort, wo bis vor Kurzem noch Autos parkten, Hochbeete und hölzerne Parklets als Sitzgelegenheiten zusammen. Es sind die letzten Vorbereitungen für ein Experiment, das mutmaßlich polarisieren wird. "Straßenexperiment", nennt es Benjamin Büttner vom Lehrstuhl für Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung der Technischen Universität München (TUM). Er leitet jenes Projekt, das auf den Namen "Steinhuber Miniblock" hört, was sich wiederum von den zwei Straßen ableitet, die von diesem Freitag an und bis Ende Oktober ein neues Gesicht erhalten: die Steinheil- und die Enhuberstraße.

"Wir wollen Erkenntnisse sammeln, wie wir die Stadt umbauen können, damit sie erlebenswert wird", sagt Büttner über den Verkehrsversuch, der im Rahmen des Münchner Mobilitätskongresses von der Stadt gefördert wird und für den die TUM mit dem Verein Kollektivis sowie "Wow! Urbane Utopien" kooperiert.

So fallen entlang der Steinheil- und Enhuberstraße insgesamt 22 Parkplätze weg; an ihrer Stelle werden zehn Parklets aufgebaut - als Begegnungsort ohne Konsumzwang für Nachbarinnen und Nachbarn. Darüber hinaus laden Hochbeete zum Gärtnern ein, an einer Fahrradstation können Räder aufgepumpt und repariert werden und über einen Verschenkschrank lassen sich Bücher, CDs und andere Dinge tauschen.

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"Es geht uns darum, an dieser Stelle mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen", sagt Büttner. Zudem wolle man zwei Straßen, "die bisher extrem asphaltiert sind", weitestmöglich ergrünen lassen. Hierzu dienen nicht nur die Hochbeete und die Bepflanzung der Parklets, sondern der Verein Green City wird im Zuge des Projekts auch seine 14 Wanderbäume aus Sendling in die Maxvorstadt bringen. An den Enden von Steinheil- und Enhuberstraße wird überdies je ein Mobilitätspunkt aufgebaut, wo Carsharing-Autos sowie Fahrräder und E-Roller zum Ausleihen bereitstehen. Sie sollen die Nachbarinnen und Nachbarn, die Gutscheine für diese Verkehrsmittel erhalten haben, zum Umstieg vom eigenen Auto auf alternative Möglichkeiten überzeugen.

Das Vorbild stammt aus Barcelona

Bei dem Projekt, sagt Benjamin Büttner, habe man sich an den sogenannten "Superblocks" orientiert - eine Maßnahme zur Verkehrsberuhigung von Wohngebieten, die Anfang der 2000er-Jahre in Barcelona erprobt wurde und dort großen Anklang fand. Die Idee dahinter ist, dass der Durchfahrtsverkehr mittels Maßnahmen wie Poller, Pflanzkästen oder Einbahnstraßen aus einem Quartier verbannt wird; stattdessen entstehen dort neue Grün- und Aufenthaltsflächen. Wäre es nach der TUM gegangen, dann hätte man für den Verkehrsversuch die Steinheil- und Enhuberstraße gesperrt - doch da habe die Stadt nicht mitgespielt, bedauert Büttner. Alternativ versuche man nun durch Parklets, Wanderbäume und Co. den Miniblock für die Durchfahrt von Autos so unattraktiv wie möglich zu machen.

Hier noch beim Aufbau. (Foto: Catherina Hess)

In seiner Konzeption erinnert das Straßenexperiment in der Maxvorstadt an das Projekt "Autoreduzierte Quartiere für eine lebenswerte Stadt" (AQT), im Zuge dessen vor einigen Wochen die Kolumbusstraße in der Unteren Au und die Landlstraße in Obergiesing gesperrt und umgestaltet wurden. Dieser temporäre Pilotversuch, hinter dem ebenfalls die TUM steht, hat neben viel Lob auch harsche Kritik geerntet. So haben sich in der Kolumbusstraße mehr als 90 Anwohnende für einen sofortigen Stopp des Projekts ausgesprochen, das eigentlich noch bis Ende Oktober laufen soll. Und zuletzt brach Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sogar einen Streit in seiner grün-roten Rathaus-Koalition vom Zaun, indem er das AQT heftig kritisierte. "Verkehrsberuhigte Straßen können ein Mehr an Lebensqualität bringen", sagte Reiter. "In der Südlichen Au und am Walchenseeplatz aber sehen wir, dass das kein Automatismus ist."

Auch in der Maxvorstadt habe man bei einer Infoveranstaltung im Vorfeld durchaus kritische Stimmen gehört, berichtet Benjamin Büttner - allen voran was die wegfallenden Parkplätze betreffe. Und dennoch betont er: "Es ist gut, dass wir hier noch ein Projekt starten, um weitere wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen." Schließlich ist er überzeugt, dass der Straßenraum mittelfristig neu verteilt werden muss - zumal München die am dichtesten besiedelte Stadt in ganz Deutschland sei, so Büttner. "Autos werden künftig weniger Platz haben. Und unsere Mobilität wird sich ändern müssen." Entsprechend sei es auch das Ziel des Projekts in der Steinheil- und Enhuberstraße, dass aus den temporären Maßnahmen irgendwann eine dauerhafte Umgestaltung des öffentlichen Raums wird. Wobei Benjamin Büttner betont: "Das geht natürlich nur, wenn das von der Nachbarschaft gewollt ist."

Das Projekt "Steinhuber Miniblock" lädt für diesen Freitag zu einer Eröffnungsfeier ein. Auf einer mobilen Bühne an der Kreuzung von Steinheil- und Enhuberstraße gibt es von 15 Uhr an mehrere Vorträge, Musik und ein gemeinsames Picknick.

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