Gerichtsurteil:Fahrverbote prüfen reicht - verhängen muss man sie nicht

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Nach Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) hat der Freistaat seine Pflicht, ein Konzept für Dieselfahrverbote in München zu prüfen, inzwischen erfüllt (Foto: dpa)

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hält die Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen den Münchner Luftreinhalteplan für unbegründet - Grund ist ein Detail in einem früheren Richterspruch.

Von Dominik Hutter

Ganz am Ende hat die Deutsche Umwelthilfe doch noch eine Niederlage kassiert: Nach Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) hat der Freistaat seine Pflicht, ein Konzept für Dieselfahrverbote in München zu prüfen, inzwischen erfüllt - weitere Zwangsgelder oder gar Zwangshaft für Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) lehnen die Richter daher ab.

Der Senat verweist auf die 7. Fortschreibung des Münchner Luftreinhalteplans im Herbst 2019, bei der Fahrverbote auf besonders stark von Luftverschmutzung betroffenen Strecken von den Behörden geprüft, letztlich aber wieder verworfen wurden. Damit sei der Freistaat der Forderung des VGH aus dem Jahr 2017 nachgekommen.

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Was nach juristischer Spitzfindigkeit klingt, ist auf den Wortlaut des damaligen Richterspruchs zurückzuführen: Damals verpflichtete der VGH auf Betreiben der Umwelthilfe den Freistaat, ein Konzept für Dieselfahrverbote auszuarbeiten - nicht aber, sie auch zu verhängen. Ob dies bei der Überarbeitung des Luftreinhalteplans eigentlich erforderlich gewesen wäre, wird erst in einem anderen, ebenfalls beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren entschieden.

In der Sache ist also noch alles offen, darauf weist der VGH explizit hin. Denn auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat den Freistaat verklagt - wegen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eben jener 7. Fortschreibung. Wann diese Entscheidung fällt, ist noch offen. Rechtsanwalt Remo Klinger, der sowohl die Umwelthilfe als auch den VCD vertritt, drückt nun aufs Tempo. "Ich habe darum gebeten, schnell einen Termin zu nennen, weil ansonsten der effektive Rechtsschutz nicht gewährleistet ist." Die Klagen gegen die Nichteinhaltung der EU-Luftschadstoff-Grenzwerte ziehen sich nun schon über viele Jahre.

Zwangsgelder gab es viele, aber die taten dem Freistaat nicht weh

2012 hatte die Umwelthilfe erstmals vor dem Münchner Verwaltungsgericht erstritten, dass der Freistaat wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen muss, um die Limits tatsächlich einhalten zu können. Dies ist, das belegen die Messwerte der Münchner Stationen, bis heute an vielen Stellen zumindest beim Stickstoffdioxid nicht der Fall. Da der Freistaat seinen Verpflichtungen nicht nachkam, hat die Justiz nach Beschwerden der Umwelthilfe schon mehrfach Zwangsgelder verhängt. Die freilich dürften den Freistaat nicht sonderlich tangieren, da sie auf 10 000 Euro begrenzt sind und obendrein nur von einem Ministerium ans andere überwiesen werden. 2017 dann forderte der VGH erstmals ausdrücklich die Ausarbeitung eines Konzepts für Dieselfahrverbote.

Die lange Reihe von Prozessen machte später sogar einen Umweg über den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Denn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte auf europäischer Ebene prüfen wollen, ob die von der Umwelthilfe als letztes Mittel eingeforderte Zwangshaft zulässig ist. Die Luxemburger Richter hielten dies zwar für möglich und geboten, falls sich ein Politiker beharrlich weigert, gerichtliche Vorgaben umzusetzen. Allerdings sei dies nur möglich, wenn es im deutschen Recht verankert und verhältnismäßig sei. Was deutsche Richter zuvor verneint hatten.

Die Verhältnismäßigkeit hat auch bei dem Verzicht auf Dieselfahrverbote in der Fortschreibung des Luftreinhalteplans die entscheidende Rolle gespielt. Damals kamen der Freistaat und der Münchner Stadtrat zu dem Schluss, dass Dieselfahrverbote in den hoch belasteten Straßenzügen unverhältnismäßig und damit rechtswidrig seien, weil sie lediglich den Verkehr auf andere Strecken verlagern und damit den dortigen Anwohnern schaden.

Das Bayerische Umweltministerium begrüßt das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs. "Zusammen mit dem Bund und der Landeshauptstadt München wurden unter Beteiligung der Öffentlichkeit vielfältige Maßnahmen geprüft und ein kraftvolles Paket zur Luftreinhaltung mit mehr als 100 Maßnahmen geschnürt", erklärt ein Sprecher. Verkehrsverbote für München seien durch das konsequente Handeln abgewendet werden.

© SZ vom 05.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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