Das Thema schwelt schon seit Langem, seit Jahren gibt es immer wieder Beschwerden von Betroffenen. Aber mit der Entschließung des Bundesrates, notfalls Fahrverbote für Motorräder auf beliebten Ausflugsstrecken zu erlassen, ist die Diskussion über den Motorradlärm wieder voll entbrannt. Auf der einen Seite fordern lärmgeplagte Anwohner - zu Recht - endlich Maßnahmen gegen den Krach, vornehmlich an Wochenenden und Feiertagen. Zum anderen protestieren Motorradfahrer dagegen, dass sie mit Maschinen, die den geltenden Bestimmungen entsprechen, von bestimmten Strecken ausgesperrt werden sollen. Eine Online-Petition hat innerhalb kurzer Zeit fast 200 000 Unterschriften bekommen, an diesem Wochenende gibt es in verschiedenen deutschen Städten Protestveranstaltungen gegen die Pläne. In München hatten die Initiatoren für Samstag einen Motorrad-Korso mit bis zu 8000 Teilnehmern auf dem Mittleren Ring geplant. Dies wurde von der Stadt am Freitagnachmittag wegen "massiver Sicherheitsbedenken" und "zu erwartender enormer Verkehrsbehinderungen" untersagt. Das Angebot der Stadt, den Korso auf Sonntag zu verschieben und auf maximal 1000 Teilnehmer zu beschränken, lehnten die Anmelder ab.
Zu den Initiatoren der Bewegung gehört Heiko Schmidt. Der 44-Jährige aus Essen zählt mit seiner Gruppe nicht zu denjenigen in der Motorradszene, die das Problem einfach ignorieren und auf einer plumpen Freie-Fahrt-für-freie-Bürger-Haltung beharren. So wie der Chefredakteur der Zeitschrift Motorrad, der Streckensperrungen als "dümmlichen Populismus" abgekanzelt hat. Im Gegenteil, Schmidt hat Verständnis für diejenigen, die sich nicht nur von der schieren Zahl der Motorräder gestört fühlen, sondern auch vom Verhalten vieler Fahrer. Im niedrigen Gang mit hoher Drehzahl durch Ortschaften zu jagen oder an Kreuzungen und Ampeln extra das Gas aufzureißen, "das ist totaler Schwachsinn in meinen Augen", sagt Schmidt. Die Motorradfahrer hätten es zu einem guten Teil selbst in der Hand, zur Lärmvermeidung beizutragen. "Die müssen einfach mal die Gashand ruhiger halten", sagt er über die Unbelehrbaren in den eigenen Reihen. Auch die sollen durch die Demos erreicht und, wenn es geht, sensibilisiert werden. "Wir wollen zeigen: Das geht auch leiser." Notfalls müsse man auch in der eigenen Gruppe zu Leuten, die zu laut unterwegs seien, auch mal sagen: "Dann kannste nicht mehr mitfahren."
Oberstaufen:Ohrenbetäubendes Hobby
Anwohner beliebter Motorradstrecken ärgern sich über den Lärm von Bikes, die verbotenerweise technisch verändert wurden. Polizei und Politik wollen das beenden
Doch statt einfach pauschale Verbote zu verordnen, setzen Schmidt und seine Mitstreiter auf den Beginn eines Dialogs zwischen beiden Seiten. "Zusammensetzen mit den Betroffenen, das ist unser Ziel." Man solle doch erst mal über technische Lösungen nachdenken, Lärmdisplays etwa, die, ähnlich wie die Geschwindigkeitsanzeigen in Ortschaften, den Lärmpegel anzeigen und so zu vernünftigerer Fahrweise beitragen. "Das müsste als Erstes ausprobiert werden, ehe man über Streckensperrungen diskutiert", sagt Schmidt.
Das Standgeräusch sagt nichts über das reale Fahrgeräusch aus
Wie diffizil das Problem ist, zeigt das Beispiel Tirols. Dort sind bestimmte Strecken für Motorräder verboten, deren Standgeräusch über 95 Dezibel liegt. Auf den ersten Blick scheint es vernünftig zu sein, die Überlauten herauszufischen und die anderen unbehelligt zu lassen. Doch mit der technischen Realität hat das wenig zu tun. Denn das Standgeräusch, das in den Fahrzeugpapieren eingetragen ist, sagt nichts über das reale Fahrgeräusch aus. Aber genau darauf kommt es an, wenn man den Lärm eindämmen will.
Trotzdem wird das Tiroler Vorpreschen die Politik auch hierzulande unter Zugzwang setzen. Denn sie hat es in der Hand, durch klare Lärmobergrenzen, die dann durch Messungen unter realen Fahrbedingungen auch kontrolliert werden können, dafür zu sorgen, dass Motorräder insgesamt leiser werden. Und den Sound-Ingenieuren der Hersteller die Möglichkeit zu verbauen, den Lärm mit trickreicher Steuerung der Auspuffanlagen durch die Hintertür wieder einzuführen.