Sie war "die mit den vielen Sonetten. Und irgendeiner unappetitlichen Krankheit. Im Dreißigjährigen Krieg geboren. Und gestorben". Da war Sibylla Schwarz keine 18 Jahre alt. Dass sie trotzdem "einen Haufen Gedichte" hinterlassen hat, das erfährt man ebenfalls. Und dass ihre Zeitgenossen diese gesammelt, kommentiert, veröffentlicht und "allgemein für gut befunden" hätten. Nach ihrem Tod? Da wurde sie "für ein paar hundert Jahre vernachlässigt" und irgendwann wiederentdeckt. Damit scheint eigentlich alles gesagt. Weshalb Max Baitinger nach dieser kurzen, illustrierten Biografie der vor 401 Jahren geborenen deutschen Barockdichterin unter ein Kriegsbild mit einer brennenden Stadt einfach den Satz "Ende der Graphic Novel!" hinhaut.
Da sind wir gerade mal auf Seite 11. Max Baitingers im Reprodukt-Verlag erschienene Graphic Novel " Sibylla" hat aber 176 Seiten. Und man kriegt hier schon einmal eine Ahnung, dass es sich bei dem Buch, das der in Leipzig lebende Künstler am 27. April in der Lesereihe " Lix" im Theater HochX in München vorstellt, um keine gewöhnliche Biografie handelt. Auf jeden Fall um keine brave, mit unzähligen Klischees gespickte Schilderung eines Künstlerinnenlebens, wie man sie haufenweise im Kino und teilweise auch im Medium Comic findet. Nein, "Sibylla" ist eine genauso freche wie gewitzte, sehr kluge und humorvolle Künstler-Biografie, wie es sie nur wenige gibt. Dem 1982 im oberbayerischen Penzberg geborenen Zeichner ist hier ein großer Wurf gelungen.
Sibylla Schwarz' Leben und Dichten waren geprägt vom Krieg
Das zeigt sich schon am Anfang. Da lässt Baitinger eine gebogene, schwarze Linie von oben rein ins Bildkästchen und auf eine ruhige Küstenlandschaft niedersausen. Danach sieht man eine schwarz gekleidete Figur mit Buch im Wasser und daneben steht: "... das hier sei jetzt Sibylla Schwarz". Später erfährt man, dass der in Greifswald beheimatete Sibylla Schwarz e. V. anlässlich des 400. Geburtstags der Dichterin Baitinger um eine Comic-Biografie gebeten hat. Man erfährt vom Ringen mit dieser ungewollten Aufgabe, kriegt dann aber doch recht viel vom Leben der 1621 geborenen "pommerschen Sappho" mit. Man erlebt, wie der Krieg in ihr Leben und das ihres Vaters, des Greifswalder Bürgermeisters, einbricht. Wie sie vor den kaiserlichen Truppen fliehen, Sibylla schließlich an der Ruhr erkrankt und stirbt.
Gezeichnet ist das in einem klaren, reduzierten Stil, der aber immer wieder ins Surreale und Fantastische ausbricht. Und der von Hieronymus Bosch bis A. R. Penck nicht mit Anspielungen geizt. Mit Baitinger hat der Sibylla-Schwarz-Verein jedenfalls den falschen und damit genau den richtigen Biografen gefunden. Und wer an den Erwerb von einer der im letzten Jahr erschienenen drei Neuausgaben von Sibylla Schwarz' Werken denkt, findet hier die passende Einführung. Einen Dichter der Jetzt-Zeit kann man in Person des Münchners Tristan Marquardt übrigens ebenfalls bei "Lix" erleben. Und mit dem Berliner Bov Bjerg ist ein Schriftsteller zu Gast, der mit seinem Roman " Serpentinen", einer schonungslosen Vater-Sohn-Geschichte, vor zwei Jahren Aufsehen erregte und für den Deutschen Buchpreis nominiert war.
Lix #14 mit Max Baitinger, Tristan Marquardt und Bov Bjerg, Mi., 27. April, 20 Uhr, Theater HochX, Entenbachstr. 37, theater-hochx.de