Ungewöhnliche Polizeimeldungen:Kommissar Zufall und der weiße Alligator

Lesezeit: 7 min

Ein Passagier wollte einen lebenden Albino-Alligator durch die Kontrollen am Flughafen schmuggeln. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Polizei und Feuerwehr mussten sich 2022 nicht nur um diverse Tiere kümmern, sondern auch um Falschparker auf den Gleisen und nackte Einbrecher im Garten. Die kuriosesten Einsätze des Jahres.

Von Martin Bernstein

Tiere gehen immer: Um zwei Biber an einem Isarwehr und ein Reh im Auer Mühlbach, um eine Kornnatter in einem Garten und einen in einer Eisengussplatte feststeckenden Igel, um Fuchs und Pferd, Katzen und Enten auf Abwegen mussten sich die Münchner Polizei und die Feuerwehr im zu Ende gehenden Jahr kümmern - und die Medien durften darüber berichten. Denn wie gesagt: Tiere...

Die Feuerwehr musste einen Igel aus einer misslichen Lage befreien. (Foto: Berufsfeuerwehr München)

Rettungsdienste und Sicherheitsbehörden hatten aber noch weitere kuriose Einsätze. Als besonders ergiebig erwies sich in dieser Hinsicht der Mai, warum auch immer. Und es zeigte sich, dass die Benutzung von Aufzügen gute Chancen bietet, in der alljährlichen Übersicht aufzutauchen:

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Rauf und runter

Um es vorwegzunehmen: Aufzüge sind sicher. Wie sicher, erlebten fünf Partygäste im Mai im Tal in der Münchner Altstadt. Sie steckten in einem Aufzug fest - und dieser in einer mechanischen Absturzsicherung. Die mit einem Mobiltelefon zu Hilfe gerufenen Feuerwehrleute konnten die Metallbox also auch nicht per Notfallsteuerung bewegen. Sie benötigten jede Menge Muskelkraft.

Eine noch "härtere Gangart" musste die Feuerwehr nach eigenem Bekunden im November am S-Bahnhof Ostbahnhof einschlagen. Ein Aufzug mit vier Personen wollte nicht mehr so, wie er sollte, und blieb stehen. Weil auch dort die Notsteuerung nicht ging, entschloss sich der Einsatzleiter, eine spontane "Cabrio-Umrüstung" des Aufzugs durchzuführen: Mit einem Trennschneider und einer Säbelsäge wurde das Dach des Aufzugs entfernt und zwei Erwachsene und zwei Kinder konnten aus ihrer Zwangslage gerettet werden.

In Allach nahm ein Autofahrer die falsche Einfahrt. (Foto: Bundespolizei)

Die Treppe allerdings ist auch nicht immer der geeignete Weg - zumindest nicht mit dem Auto, wie ein 86-Jähriger im August in Allach erfuhr. Statt ins Parkhaus rumpelte sein VW Polo die Stufen zum Personentunnel hinunter. Verletzt wurde zum Glück niemand. Der Mann aus Karlsfeld hatte einen Führerschein und war nicht alkoholisiert: Warum er Einfahrt und Treppe verwechselt hatte, konnte er den alarmierten Bundespolizisten nicht erklären. Nachdem die Feuerwehr sein Fahrzeug geborgen und zurück auf die Straße gestellt hatte, wollte er damit sogar nach Hause fahren. Fahrzeugzustand und Polizei erlaubten ihm das jedoch nicht. Der 86-Jährige trat die Heimreise per Taxi an.

Hin und her

Vorwärtsgang? Rückwärtsgang? Egal - Hauptsache einparken. Für einen 38-Jährigen und dessen Mietauto hatte diese Verwechslung im März am Ostbahnhof gravierende Folgen. Das Auto schoss statt in eine Parklücke auf die nahen Gleise. Er habe wohl den Wahlschalthebel unbemerkt in die falsche Stellung gebracht, berichtete der sichtlich mitgenommene Autofahrer den Bundespolizisten. Dann sei er vorwärts in das 1,20 Meter tiefe Gleisbett gestürzt. Die Strecke wurde gesperrt, Bahntechniker schalteten den Strom ab - dann erst konnte ein Autokran das Mietauto bergen.

Schlecht eingeparkt: Ein Auto landete am Ostbahnhof auf den Gleisen. (Foto: Bundespolizei)

Eine andere Verwechslung hätte im November weitaus schlimmer ausgehen können. Ein S-Bahn-Fahrer wähnte sich mit seinem Zug bereits in Giesing - und machte sich auf den Rückweg. Dumm nur: Es war erst der Halt an der St.-Martin-Straße, als er seinen Zug abstellte, den Führerstand wechselte und wieder Richtung Ostbahnhof zurückfuhr. Zur gleichen Zeit befuhr eine Triebfahrzeugführerin mit einer S-Bahn vom Ostbahnhof kommend die Strecke zum Giesinger Bahnhof. Ein Langsamfahrsignal, die (zurückgekehrte) Aufmerksamkeit der beiden Lokführer und eine Zwangsbremsung verhinderten den Crash.

Wenn so etwas unmittelbar nach dem Sankt-Martins-Tag nahe der St.-Martins-Straße passieren kann, was ist dann gar an einem Freitag, dem 13. zu erwarten, wie es ihn im Mai gab? Der Fahrer eines Lieferdienstes lieferte sich da selbst ein - physikalisch erwartbares - Missgeschick, als er mit seinem Lkw in der Barer Straße in einen Innenhof zum Entladen fuhr. Nachdem er die Ware beim Kunden abgegeben hatte, setzte er mit seinem Lastwagen wieder zurück, um aus dem Innenhof herauszufahren. Dabei blieb er an der Tordurchfahrt hängen. Durch das Entladen hatte sich das Gewicht reduziert. Und zwar genau um so viel, dass der Wagen die entscheidenden Zentimeter höher war. Ein Umdrehen im Innenhof war nicht möglich - der Lieferwagen steckte fest. Findige Feuerwehrleute fanden schnell eine Lösung: Die Mannschaft stellte sich einfach auf die Ladefläche. Das ursprüngliche Gewicht war wieder hergestellt, der Lkw passte durchs Tor.

Doch auch kleine Gefährte sind nicht immer einfach zu steuern. Drei junge Münchner nutzten im Juni einen Rasenmäher als Fluchtfahrzeug. Sie hatten zuvor in einem Innenhof in Pasing Radau gemacht. Als Polizisten nach dem Rechten schauen wollten, hörten sie zunächst Stimmen aus einer Tiefgarage, dann ein Motorengeräusch - und plötzlich knatterte ein mit drei Personen überbesetzter Aufsitzrasenmäher an ihnen vorbei. Die Polizeibeamten nahmen die Verfolgung des rasanten Gartenpflegegeräts zu Fuß auf. Bald stießen sie auf das nach einer Kollision mit einem Begrenzungspfosten verlassene Fluchtfahrzeug - und wenig später auf die drei betrunkenen Delinquenten.

Hin und weg

35 Jahre lang stand ein Klappanker in der Senftenauerstraße in Kleinhadern, ursprünglich vor einem Fischgeschäft. Doch im Februar war das 2,3 Tonnen schwere Trumm plötzlich spurlos verschwunden. Die Diebe müssen mit einem schweren Lkw angerückt sein, vermutete der Eigentümer des nautischen Geräts. Warum sie den Anker jedoch klauten, dafür hatte er keine plausible Erklärung.

Ein tonnenschwerer Anker verschwand spurlos. (Foto: Polizeipräsidium)

Drei Buben und zwei Mädchen, die plötzlich weit über ihre finanziellen Verhältnisse leben? Die sich Ohrringe und Schmuck leisten, neue Rucksäcke, Ausflüge zum Bowling und zum Schluss sogar einen E-Roller? Das macht irgendwann auch Eltern stutzig, und sie fragten nach der Quelle des plötzlichen Reichtums ihrer Sprösslinge. Der Geldsegen entsprang einer Aktentasche mit fast 15 000 Euro darin, die ein Mann Anfang Mai am S-Bahn-Haltepunkt Furth vergessen hatte. Als er den Fehler bemerkte und zurückeilte, fand er seine Tasche wieder, jedoch ohne Inhalt. Ein 13-Jähriger hatte das Kuvert mit dem Geld mitgenommen und teilte Entdeckung und Bares mit seinen Freunden. Zwei Wochen später brachten die Eltern und die reumütigen Strolche das Geld zurück auf eine Polizeiwache.

Ein durstiger Löwe im Hauptbahnhof kam den Polizisten verdächtig vor. (Foto: Bundespolizei)

Mit einem gestohlenen E-Roller war ein Mann ebenfalls im Mai am Hauptbahnhof unterwegs. Wobei: Als Mann war der Täter anfangs nicht leicht zu identifizieren. Er trug nämlich ein Ganzkörper-Löwenkostüm. Da sich der Löwe insgesamt recht auffällig verhielt, nahmen Bundespolizisten ihn mit zur Wache. Dort entdeckten sie in einem Paket auf dem Roller mehrere Flaschen Wodka und Aperol. Ein durstiger Löwe, der sich indes zu seiner ungewöhnlichen Montur nicht weiter auslassen wollte.

Rein und raus

Was aus Deutschland raus oder von irgendwoher rein geschmuggelt werden soll, haben die Zöllner am Münchner Flughafen im Blick. Appetitlich ist es nicht immer, was sie dort zu sehen bekommen: Zum Beispiel eine ganze gebratene Rohrratte aus dem Kongo oder 100 Gramm getrocknete Frösche, die in einem verschweißten Beutel aus Asien transportiert wurden. Im Oktober dann zwei gebratene Antilopen aus Ghana. Alles jeweils zum Verzehr hierzulande bestimmt.

Weniger eindeutig war dagegen ein Fund im September: Bei der Kontrolle des Reisegepäcks eines 42 Jahre alten Geschäftsmannes, der nach Singapur wollte, hatten Mitarbeiter der Sicherheitskontrolle ein ungewöhnliches Röntgenbild entdeckt. Sie informierten umgehend die Zollbeamten, die beim Öffnen des Reisekoffers einen lebenden weißen Alligator fanden, der in Frischhaltefolie eingewickelt war, aber lebte. Die Nasenlöcher waren frei. Zusammen mit einem Tierarzt befreiten die Zöllner das Tier und übernahmen die Erstversorgung.

Bei der Kontrolle des Reisegepäcks entdeckten Sicherheitsleute einen in Frischhaltefolie gewickelten Alligator im Koffer. (Foto: Hauptzollamt)

Hineingeschmuggelt hatte sich vier Wochen lang auch ein 23-Jähriger im Mai - als Lehrer in eine dritte Klasse an der Pater-Rupert-Mayer-Grundschule in Pullach. Dann kam die Polizei. Der Hochstapler hatte zu dick aufgetragen, gar von einem Studium in Harvard erzählt. Dabei hat er nur einen Realschulabschluss. Gegen ihn wurde wegen Urkundenfälschung ermittelt.

Drunter und drüber

Und dann waren da noch die allzu menschlichen Missgeschicke, bei denen Polizei anrücken musste. Nach einer "fesselnden" Nacht mit einer Frau hat ein Münchner im Februar diese Hilfe dringend gesucht. Die Hände des 31-Jährigen steckten in Handschellen, die ihm zuvor in einem Schlafzimmer angelegt worden waren. Zu weiteren Details wollte der Mann sich nicht äußern, er sei "sehr diskret" gewesen, hieß es. So war auch nicht zu erfahren, wo genau der Münchner in seine missliche Lage gebracht wurde und warum seine Partnerin ihn nicht daraus befreien konnte oder wollte.

Eine andere Art von "Spiel" beschäftigte die Polizei einen Monat später, als sie alarmiert wurde, weil in Neubiberg vier mit Sturmhauben maskierte Männer einen Mann in einen Pkw gezerrt hätten. Dem Mann sei auch ein Sack über den Kopf gezogen worden, so ein Anrufer. Zahlreiche Streifen und ein Polizeihubschrauber sowie Spezialkräfte rückten aus. Das Auto wurde auf der A99 entdeckt, aus Sicherheitsgründen aber erst nahe dem Flughafen gestoppt. Die vermeintliche Entführung erwies sich dann als Junggesellenabschied. Die Männer wollten mit ihrem Spezl nach Mallorca weiterreisen, um ihn dort dort wieder zu "entlassen". Die Polizei meinte dazu: nicht lustig.

Wassermelonen sind eine erfrischende Alternative zum üblichen Süßkram. Einen 48-jährigen Münchner überkam im Mai der Heißhunger auf das bereits in mundgerechte Stücke zersäbelte Kürbisgewächs. Er bediente sich an der Obsttheke eines Supermarkts in Pasing und verließ den Laden, ohne die Ware zu bezahlen. Drei Angestellte versuchten, den Melonendieb zu stoppen. Der Mann wollte jedoch von seiner süßen Beute nicht lassen und fing an, wild um sich zu schlagen. Als die Polizei eintraf, schien der Ladendieb sich zunächst zu beruhigen. Plötzlich jedoch griff er wieder nach dem Obst - und nach zwei Polizisten.

Wenn die Süßigkeit nicht aus dem Automaten kommt, hilft manchmal nur ein Gabelstapler. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Mindestens ebenso groß war der Hunger, der einen Staplerfahrer im Juni am Flughafen packte. Und sein Zorn, der ihn erfasste, weil der Snack-Automat streikte und die begehrte Schokolade partout nicht ausspucken wollte. Der 34-Jährige kam zurück - mit dem Gabelstapler. Mit dessen Zinken fuhr er unter den Automaten, hob diesen an und schüttelte. Immerhin: Die Schokolade purzelte endlich heraus. Dennoch keineswegs zur Nachahmung empfohlen.

Drinnen und draußen

Einen Einbrecher nahm die Polizei im Juni in Moosach fest. Was der Mann in dem Haus wollte, in das er während der reisebedingten Abwesenheit der Bewohner eindrang, war völlig unklar. Entdeckt wurde der Mann nämlich im Garten, nackt. Als die Beamten ihn aufforderten, sich doch bitteschön erst einmal etwas anzuziehen, verweigerte der Mann zunächst auch das. Seine Kleidung fanden die Polizisten im Obergeschoss des Hauses, wo er zuvor geduscht hatte.

Manchmal bleibt auch erfahrenen Polizisten nur noch verständnisloses Kopfschütteln. Wie bei einem Fall im Juli, bei dem es eigentlich nur um den Abriss eines Zauns ging. Doch die Bauarbeiten an der Grundstücksgrenze erbosten einen Mann aus dem Landkreis München derart, dass er zur Waffe griff und seinen Nachbarn sowie zwei Bauarbeiter mit einem Luftgewehr bedrohte. Er werde sie erschießen, wenn die Arbeiten nicht unverzüglich eingestellt würden, soll er gedroht haben. Damit der Zaun fallen konnte und der betagte Wüterich klein beigab, kamen 13 Polizeistreifen und mit ihnen das Unterstützungskommando zum Einsatz. Ob es ein Maschendrahtzaun war, ließ sich später nicht mehr eruieren.

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