Die Stadt darf ihr umstrittenes Steinkohlekraftwerk nicht in drei Jahren abschalten - auch wenn das die Münchner in einem Bürgerentscheid so beschlossen haben. Dies hat die Bundesnetzagentur nun offiziell untersagt. In einem Bescheid vom Montag stuft sie den entsprechenden Block 2 des Heizkraftwerks München Nord als "systemrelevant" ein: Eine Stilllegung würde die sichere und zuverlässige Stromversorgung gefährden, eine Alternative dazu gebe es nicht. Daher dürfe die Anlage nicht vor Ende 2024 abgeschaltet werden.
Die Stadtwerke, die das Kraftwerk am Nordrand Münchens betreiben, hatten diese Entscheidung erwartet - und sie dürften sie insgeheim auch begrüßen. Auf dessen Systemrelevanz habe man ja "in der Debatte um den Bürgerentscheid bereits von Beginn an" hingewiesen, sagte ihr Technischer Geschäftsführer, Helge-Uve Braun, am Donnerstag.
Kohleausstieg:Streit ums Heizkraftwerk
Ein Gutachten des TÜV Süd hält die Abschaltung des Kohleblocks im Heizkraftwerk Nord bis Ende 2022 für nicht möglich. Doch diesen Ausstiegstermin hatten die Münchner in einem Bürgerentscheid beschlossen. Der Streit zwischen Betreiber und Klimaschützern geht weiter.
Tatsächlich hatten sich die Stadtwerke, die der Stadt gehören, genauso wie die Mehrheit des Stadtrats gegen ein Bürgerbegehren gestellt, das vor allem die ÖDP betrieb und das einen vorzeitigen Ausstieg aus der Steinkohleverfeuerung Ende 2022 forderte. Gleichwohl stimmten die Münchner vor zwei Jahren mit gut 60 Prozent der Stimmen dafür. Rechtlich bindend ist dieses Votum nicht mehr, durch die Entscheidung der Bundesnetzagentur ist es nun aber auch formal ausgehebelt worden. Denn die in Bonn sitzende Behörde muss dem Abschalten eines Kraftwerks zustimmen.
Das Heizkraftwerk München Nord, das auf dem Gemeindegebiet von Unterföhring steht, besteht aus drei Blöcken, die alle Strom und Fernwärme produzieren: In den Blöcken 1 und 3 wird Müll verbrannt - sie sind von der ganzen Debatte und dem Bescheid aus Bonn nicht betroffen. Im Block 2 wird die klimaschädliche Steinkohle verfeuert. Wie es mit der Anlage nun weitergeht, ist offen.
Ihren ursprünglichen Plan, sie bis zum Jahr 2035 zu betreiben, verfolgen die Stadtwerke - im Einklang mit der Rathausspitze - nicht mehr. Stattdessen wollen sie das Kraftwerk bis Ende 2027 gedrosselt weiterlaufen lassen: In den drei Sommermonaten gar nicht, mit 60 Prozent Leistung in den Wintermonaten, um die Anlage dann bei Bedarf rasch hochfahren zu können, und dazwischen mit etwa einem Viertel der Leistung.
Den Betrieb noch stärker zu drosseln oder die Anlage gar nur als Reserve für echte Strom-Notfälle bereitzuhalten, sei unmöglich, ohne sie zu beschädigen - schließlich sei sie technisch auf einen Dauerbetrieb ausgelegt. Diese Variante favorisiert auch ein Gutachten des TÜV Süd, das der Stadtrat in Auftrag gegeben hat.
Noch im November soll der Stadtrat über den weiteren Betrieb abstimmen
Die Befürworter eines früheren Kohleausstiegs sind aber misstrauisch gegenüber diesem Gutachten und vermissen bei der Stadt und den Stadtwerken den echten Willen, mit dem Kohleausstieg Ernst zu machen. Ein Streitpunkt ist zum Beispiel die Frage, wie viel Fernwärme aus dem Block 2 München braucht. Während man bei einer Abschaltung Strom auch zukaufen könnte, ist das bei der Fernwärme nicht möglich. Dann blieben bei einem sehr strengen Winter womöglich Wohnungen unbeheizt.
Auch wegen dieser "Deckungslücke in der Fernwärmeversorgung" könne man das Kraftwerk nicht abschalten, sagte Stadtwerke-Geschäftsführer Braun. Die ÖDP hingegen wirft ihm vor, den Wärmebedarf höher anzusetzen, als er tatsächlich sei, um einen Grund zu haben, das Kraftwerk weiter zu betreiben. Noch im November soll der Stadtrat darüber abstimmen, wie der Block 2 künftig betrieben wird.
Der Beschluss der Bundesnetzagentur besagt nun nicht, dass die Stadtwerke die Anlage über 2022 hinaus zwingend laufen lassen müssen. Sie müssen sie aber in den Jahren 2023 und 2024 zumindest als Reserve vorhalten, zum Beispiel für Kraftwerksausfälle. Wie das im Einzelnen aussehe, müssten sie dann mit dem zuständigen Netzbetreiber Tennet klären, erläuterte ein Sprecher der Bundesnetzagentur.
Und es sei nicht ausgeschlossen, dass die Systemrelevanz des Kraftwerks auch über 2024 hinaus gegeben sei, sprich: dass der Bescheid der Behörde später noch verlängert wird. Den dürfe man rechtlich für maximal zwei Jahre ausstellen. Die Frist beginnt am Neujahrstag 2023 zu laufen, an dem Tag, an dem laut Bürgerentscheid das Kraftwerk vom Netz hätte gehen müssen.