Königin Silvia in München:Erinnerungen einer Königin

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Termin bei einer Buchpräsentation zu Olympia 1972: Königin Silvia von Schweden (Bildmitte, mit Buch), links daneben ihre Nichte Désirée von Bohlen und Halbach, Presseclub-Chef Uwe Brückner (l.), Presseclub-Vorstandsmitglied Petra Schmieder-Runschke (2. v. r.) und Autor Andreas Mach (r.) . (Foto: Leonhard Simon)

Silvia von Schweden erzählt beim Besuch in München von ihrer Zeit als Olympia-Hostess 1972 und setzt sich ein für Menschen mit Demenz - eine Krankheit, an der einst auch ihre Mutter litt.

Von Sabine Buchwald, München

Am Ende möchte niemand den großen Saal im Alten Rathaus verlassen. Denn auch sie ist immer noch da: Königin Silvia von Schweden. Die Monarchin grüßt, nimmt Blumen entgegen, beugt sich hinab zu einer Dame im Rollstuhl. Eine Stunde hatte sie an der Seite ihrer Nichte Désirée von Bohlen und Halbach zugehört, lächend und still. Dabei hatte Sängerin Julia von Miller doch am Anfang des Konzerts dazu aufgerufen, mitzusingen, zu summen, zu pfeifen und zu klatschen. Es gebe keine Regeln an diesem Nachmittag, sagt sie, bevor sie dann loslegt mit Liedern von Zarah Leander, Lale Andersen oder Heinz Rühmann. Julia Miller singt in der Reihe "Musik im Kopf" Lieder, die Erinnerungen beim Publikum wecken sollen. Sie richten sich an Menschen, ältere vor allem, die mit dem Vergessen kämpfen.

Für Königinnen aber gibt es immer Regeln. Ganz besonders, wenn sie unablässig von Fotografen mit Teleobjektiven fixiert werden. Silvia bleibt keine Sekunde unbeobachtet. "Sie ist eine von uns", sagt eine weißhaarige Seniorin zu ihrer Nachbarin, nachdem die letzten Töne des Kreisler-Lieds "Die Liebe kommt, die Liebe geht" verklungen sind. Das Mädchen aus dem Volk, das war einmal. Carl Gustaf von Schweden machte Silvia 1976 zu seiner Königin. Ein Besuch in München ist für die Monarchin immer mit Vergangenheit verbunden: Hier war sie auf dem Sprachen- und Dolmetscherinstitut, hier kümmerte sie sich im hellblauen Dirndl als Hostess um die VIPs der Olympischen Spiele.

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50 Jahre später, an einem ungewöhnlich warmen 20. Mai, sitzt sie in einem Konferenzzimmer des Hotels Bayerischer Hof. Sie ist gekommen, um über Demenz zu sprechen - eine Krankheit, die sie selbst mit ihrer Mutter erleben musste, aber sie soll eben auch über ihre Monate als Olympia-Hostess erzählen. "Eine großartige, unglaublich intensive Zeit", sagt sie dazu.

Schmal wirkt die Königin, die inzwischen 78 Jahre alt ist. Sie trägt Ballerinas, eine schwarze Hose zu einer hellen Jacke im typischen Chanel-Stil und Perlen um den Hals. Ihr Lächeln ist so breit und einnehmend, wie man es von unzähligen Bildern aus den vergangenen fünf Jahrzehnten kennt. Es wirkt ohne viele Worte zugewandt. So reagiert Silvia auf Menschen, die spontan an sie herantreten. Das ist allerhöchste Königinnen-Kunst. Auf Fragen zu den vereinbarten Themen aber weiß sie Warmherziges und Kluges zu antworten.

Der Verein Desideria Care will die Demenz-Krankheit enttabuisieren

Der Münchner Presseclub hat diese Konferenz organisiert. Es war im Vorfeld pro forma um Fragen gebeten worden, direkt durfte die Königin nicht angesprochen werden. Wie es um die Ehe ihrer ältesten Tochter steht? Das tut an diesem Freitagnachmittag nichts zur Sache. Der Anlass für die Reise nach München sind eine Spendengala und das Konzert am Samstagnachmittag für Demenzkranke und ihre Angehörigen im Alten Rathaus. Auch hier ist Désirée von Bohlen und Halbach neben ihr, die in München lebende Nichte des schwedischen Königs. Sie hat vor fünf Jahren den Verein Desideria Care gegründet, der sich für Aufklärung über Demenz einsetzt, diese Krankheit enttabuisieren will und betroffenen Familien hilft.

Woran aber erinnert sich Silvia von Schweden, wenn sie an die Sommerspiele 1972 denkt? Sie beginnt akzentfrei mit überraschend tiefer Stimme zu erzählen. Dass sie als Kind in Heidelberg aufwuchs, zehn Jahre in Brasilien lebte und jetzt seit fast 50 Jahren in Schweden wohnt, hört man nicht.

Frühe Jahre einer Königin: Bei Olympia 1972 hieß die spätere Königin von Schweden noch Silvia Sommerlath. (Foto: Sven Simon/Imago)

Schon drei Monate vor Beginn der Spiele sei sie in die Organisation eingebunden gewesen, sagt sie. Die vielen hundert Hostessen mussten vorbereitet und eingearbeitet werden. 14 Sprachen seien vertreten gewesen, zusammen mit einer Kollegin war sie verantwortlich für deren Einsatz in und um das Olympiagelände. Silvia fasst die Arbeit an dem Einsatzplan so zusammen: "Wir haben das mit vielen, vielen Zetteln gemacht, die an den Wänden unserer Räume hingen." Und betont: "Es gab ja damals noch keine Computer."

König Carl Gustaf schaute der Olympia-Hostess über die Schulter - mit einem Fernglas

Nach dem Attentat am 5. September sei das alles wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Sie war inzwischen zur persönlichen Assistentin von Willi Daume aufgestiegen, des Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees (NOK). In dessen Auftrag brachte sie einem angeschossenen Hubschrauberpiloten einen Farbfernseher mit Genesungswünschen ins Krankenhaus. Die Begegnung mit diesem verwundeten Helden sei ihr sehr ans Herz gegangen, sagt Silvia. Einen Platz darin hatte sich zu dieser Zeit schon ihr späterer Mann erobert. Der hatte ihr bei der Arbeit im VIP-Bereich über die Schulter gesehen - mit einem Fernglas. Dieser etwas skurrilen Art von Distanzwahrung sei sie mit Lachen begegnet. Da habe es bei ihrem Carl Gustaf "klick" gemacht.

Sich an solche Anekdoten zu erinnern, könnten demenzkranke Menschen oft nicht mehr, betont Silvia und schlägt den Bogen zu ihrem eigentlichen Anliegen. "Wir alle müssen lernen, mit Demenz umzugehen." Die Krankheit sei so häufig wie Krebs. Für sie selbst sei es eine schreckliche Erfahrung gewesen, die eigene Mutter so hilflos zu sehen, sagt die Monarchin. Dann erzählt sie, wie die Mutter ihr Zimmer nicht habe verlassen wollen. Wie sich später herausstellte, wegen eines grün-blauen Teppichs an der Tür. "Sie hat ihn als Abgrund gesehen."

Für Pfleger ("Sie sind die Brücke zur Erinnerung der Patienten"), Krankenschwestern und auch Ärzte hat die Königin unter dem Namen "Silviahemmet" 1996 eine Stiftung und ein Ausbildungsprogramm gegründet. Sie sei eigentlich eher bescheiden, sagt sie. "Aber ich wollte mit meinem Namen den Menschen, die sich um Demenzkranke kümmern, einen Status geben."

Das nächste Konzert "Musik im Kopf" mit Julia von Miller und Manfred Manhardt am Klavier findet am Sonntag, 29. Mai, von 15 bis 16 Uhr in Gauting statt. Haus der Künste - Remise Schloss Fußberg; https://desideriacare.de.

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