Valentin-Karlstadt-Musäum:Ein Gespenst spukt im Isartor

Lesezeit: 2 Min.

Karl Valentin, fotografiert in seinem Münchner Haus 1947. (Foto: imago images/Rolf Poss)

Karl Valentins Geist kriegt man nimmer raus aus dem Gemäuer, egal was kommt. Er bleibt dort bis zum Jüngsten Tag. Oder sogar bis zur Vollendung der zweiten Stammstrecke.

Glosse von Wolfgang Görl

Sollte das Unvorstellbare, das Schauerliche, das Entsetzliche eintreffen, sollte das Valentin-Karlstadt-Musäum tatsächlich das Isartor räumen müssen, weil es am Brandschutz hapert, dann - ja, was dann? In jedem Fall wäre am Tag des Auszugs ein Trauermarsch vom Isartor zu Ritter Unkensteins Burg in Grünwald fällig, mindestens so groß wie die Christopher-Street-Day-Parade, aber unter Ausschluss der Narrhalla, die mit der frevelhaften Verleihung ihres Karl-Valentin-Ordens an Humornieten wie Stoiber, Söder oder Heino jegliches Recht an der Teilnahme verspielt hat. Unerlässlich wären auch Trauerbeflaggung und eine Galavorstellung des Valentin-Karlstadt-Stücks "Der reparierte Scheinwerfer" in den Kammerspielen, in den Hauptrollen echte Elektriker, die vor Jahren für die Sanierung des Gasteigs engagiert wurden und seitdem ohne Arbeit sind.

Was aber wird aus dem Isartor, dem mittelalterlichen Gemäuer, das ja nicht so einfach plattgemacht werden kann wie ein Giesinger Uhrmacherhäusl? Sofern es der Investor René Benko nicht in ein extravagantes Abenteuer-Kaufhaus verwandelt, wird das dreitürmige Stadttor zu einem Domizil für Haus- und Fledermäuse, dazu ein paar Millionen Fliegen, die Valentin zufolge zum Geflügel zählen und "sehr oft heiße Bäder nehmen", mit Vorliebe im Suppentopf.

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Doch das ist nicht alles. Noch jemand wird im Isartor leben, einer, der schon seit 1959, seit der Eröffnung des Musäums, dort wohnt: Karl Valentins Geist. Das ist nicht irgendwie poetisch gemeint, nein, es handelt sich um ein veritables Gespenst, ganz so wie im Falle der alten Rittersleut, von denen der Meister sang: "Nur die Geister von densölben / spuken nachts in den Gewölben." Sabine Rinberger, die famose Chefin des Musäums, wird es bestreiten, aber gewiss hat sie, wenn sie nachts die Turmtreppe hinabstieg, öfter mal eine zaundürre, violett schimmernde Gestalt von ätherischer Substanz gesehen, die mit schauerlicher Stimme krächzte: "Ich singe und zupfe die Harfe, ich wüsst ja net, was ich sonst tat, ich weiß nicht, was soll es bedeuten, das Lied wird mir jetzt schon bald fad." Keine Frage, das war Valentins Astralleib aus dem Schattenreich.

Nein, diesen Geist kriegt man nimmer raus aus dem Gemäuer, der wird bleiben bis zum Jüngsten Tag, wenn nicht gar bis zur Vollendung der zweiten Stammstrecke. Begraben haben sie ihn ja in Planegg, seinem letzten Wohnort - aber mal ehrlich: Valentin und Planegg, das ist wie Landwirtschaft und Naturschutz, das passt nicht zusammen. Valentin war Münchner mit Leib und Seele, und eines Tages ist die Seele ausgebüxt aus der Planegger Grabstätte, ist die Würm entlang bis Pasing gewandert, dann über die Landsberger Straße stadteinwärts, dorthin, wo sein furchteinflößendes Historiendrama "Raubritter vor München" spielt: ins Isartor. In diesen Gewölben fühlte sich Valentins Geist sofort zu Hause. Egal was kommt, der geht da nicht mehr fort. Und so werden mitternächtliche Spaziergänger noch in 100 Jahren im Turmfenster eine dürre, violett schimmernde Gestalt herumspuken sehen. "Das gibt's ja nicht", werden sie sagen. "München leuchtet."

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