Thalkirchner Straße 80:Stadt verliert Kampf um Haus in der Isarvorstadt

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Weil es in dem Anwesen früher Ateliers gab, wird es gern als "Künstlerhaus" tituliert. Seit 2016 wurde das Haus drei Mal verkauft. Etwa ein halbes Dutzend Mietparteien leben noch in dem Haus, mit einer Ausnahme alle im Rückgebäude. (Foto: Florian Peljak)

Das Rathaus zieht im Insolvenzverfahren um ein umkämpftes Haus wohl den Kürzeren gegen einen Investor. Hat die Verwaltung zu lange gebraucht, oder war sie von Anfang an chancenlos?

Von Bernd Kastner

Die Stadt wird wohl den Kürzeren ziehen. Und die Mieterinnen und Mieter werden weiter bangen um ihre Zukunft in der Thalkirchner Straße 80. Eines der am heftigsten umkämpften Häuser der Stadt wird erneut verkauft. Am Alten Südfriedhof lässt sich beobachten, wie gering die Chancen der Stadt sind, wenn sie in einem Insolvenzverfahren mit privaten Investoren konkurriert.

Nach zwei Verkäufen der Immobilie seit 2016 stehen die meisten der 24 Wohnungen leer. Zu den verbliebenen Bewohnern gehört Tilman Schaich, den seine Erfahrungen zu einem der bekanntesten Mieteraktivisten und Gründer der Initiative "Ausspekuliert" werden ließen. Vor wenigen Wochen wurde publik, dass die Stadt das Haus kaufen könnte. Die Eigentümerfirma war pleite, der Insolvenzverwalter suchte Käufer. Die Stadt wiederum hat Geld übrig, weil sie vorerst kein Vorkaufsrecht mehr ausüben darf. In einem Insolvenzverfahren aber darf sie zugreifen, theoretisch zumindest.

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Ende Oktober baten Grüne und SPD das Kommunalreferat, den Insolvenzverwalter zu fragen, ob er nicht an eine städtische Wohngesellschaft verkaufen wolle. Vergangene Woche wollte Stefan Jagel, Stadtrat der Linken, vom Kommunalreferat wissen, was nun Sache ist. Daraufhin informierte das Haus von Kristina Frank (CSU) den Stadtrat. Das Haus sei schon so gut wie verkauft, hieß es. Hat die Verwaltung zu spät reagiert?

Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) schickte ein Statement an die Presse: Das Kommunalreferat habe dem Insolvenzverwalter "mehrfach mitgeteilt", dass man interessiert sei. "Umso bedauerlicher ist es, dass der Makler trotz der eindeutigen Absichten der Stadt diese nicht ernsthaft an dem Verfahren beteiligt hat und nun das Anwesen wohl an einen anderen gehen wird. Wir haben alles getan, um das Objekt zu bekommen und versuchen dies auch weiterhin." Das klingt, als wolle das Rathaus die Schuld einem garstigen Makler zuschieben.

Ja, die Stadt war nicht gerade schnell, aber das hat seine Gründe

Das zielt auf Axel Bierbach, den Insolvenzverwalter. Der weist den Vorwurf auf SZ-Anfrage zurück: "Die Stadt München hatte dieselben Möglichkeiten wie alle anderen Interessenten, sich an dem Verkaufsprozess zu beteiligen." Er habe die Stadt "von Anfang an auf die Dringlichkeit" hingewiesen, schließlich laufe das Verfahren seit Sommer 2021.

Folgenden Ablauf skizziert Bierbach: Erster Kontakt mit der Stadt am 11. November; zwei Monate später, Anfang Januar, Vertraulichkeitsvereinbarung; am 10. Januar Unterlagen an die Stadt. Dann habe es einen weiteren Monat gedauert, ehe eine städtische Delegation das Haus besichtigt habe, vergangenen Montag. Unterm Strich ist das eine Retourkutsche Bierbachs: Die Verwaltung ist zu träge, um bei diesem Objekt mitzuhalten.

Das wiederum will das Kommunalreferat nicht auf sich sitzen lassen. Schon im November, erklärt eine Sprecherin, habe der Makler mitgeteilt, dass der Verkauf "weit fortgeschritten" sei. Zudem habe der Makler zu verstehen gegeben, dass die nötige Investitionssumme und auch der zeitliche Ablauf für die Stadt "kaum realistisch" seien. Der Verkauf sei mit Fokus "schneller Abschluss" vorangetrieben worden, so die Sprecherin.

Die Stadt aber müsse in solch einem Verkaufsprozess "mehrere Dienststellen" involvieren, zudem die städtischen Wohnungsgesellschaften, und sich auch mit dem Stadtrat abstimmen. Außerdem habe man mit Steuergeldern verantwortlich umzugehen. Das Haus sei nicht nur teuer, sondern auch mit hohen Risiken belastet. Die Kämmerei habe einen Kauf abgelehnt, das Kommunalreferat würde trotzdem gerne den Wunsch der Mehrheitsfraktionen erfüllen und zugreifen. Unterm Strich bedeutet das: Ja, die Stadt war nicht gerade schnell, aber das hat seine Gründe.

Im Stadtrat wollen nun manche, dass sich die Verwaltung besser rüstet für künftige Verkaufsprozesse. Stefan Jagel fordert "frühzeitige Transparenz gegenüber dem Stadtrat". Und Anna Hanusch, Fraktionschefin der Grünen, wünscht sich, dass die Verwaltung künftig mit mehr Vehemenz solche Immobilien-Gelegenheiten angehe. Und gegen welchen Investor hat die Stadt das Rennen wohl verloren? Noch schweigt der Insolvenzverwalter.

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