Die Stadtwerke München (SWM) werden bis 2040 neuneinhalb Milliarden Euro ausgeben, um ihr Wärmeangebot auf erneuerbare Energien umzustellen. Gas und Kohle als fossile Lieferanten fürs Heizen sollen dann komplett ersetzt sein. Dafür will das Tochter-Unternehmen der Stadt, einer der größten Energie-Konzerne Deutschlands, zehn neue Geothermie-Anlagen mit 50 Bohrungen errichten. Das Fernwärmenetz in der Innenstadt, das einen Großteil der Heizungen klimaneutral machen soll, soll von jetzt 1000 auf 1600 Kilometer Länge erweitert werden. Etwa ein Drittel der Investitionskosten soll der Bund zuschießen.
Diesen Plan zur Transformation stellt Stadtwerke-Geschäftsführerin Karin Thelen am Donnerstagabend im Klimarat erstmals öffentlich vor. Der Ausbau des Fernwärmenetzes soll im Jahr 2025 beginnen. "Wir wollen pro Jahr 30 bis 50 Kilometer an Leitungen neu verlegen", sagte Thelen im Klimarat. Der Umbau des Heizungsangebots der SWM ist Kern und Voraussetzung für die Wärmewende in der Stadt, die neben der Sanierung von Gebäuden als zweiter entscheidender Faktor auf dem Weg zur Klimaneutralität Münchens gilt. Die Basis dafür hatte Umweltreferentin Christine Kugler zuvor ebenfalls in einer öffentlichen Premiere im Klimarat vorgestellt: den Wärmeplan der Stadt.
Darin wird detailliert vorgestellt, welche Möglichkeiten die Münchnerinnen und Münchner haben, in ihrem Gebäude das Heizen von fossilen Rohstoffen wie Erdgas auf regenerative Energieträger umzustellen. Dieser Wärmeplan sei "als Service" für die Bürger zu verstehen und habe keinerlei verbindliche Auswirkungen, sagte Kugler im Klimarat. Zentral für die Umstellung, gerade in zentrumsnahen Vierteln, wird das Fernwärmenetz der Stadtwerke. Darin ist jetzt noch ein Anteil fossiler Energie enthalten, der durch Geothermie ersetzt werden soll. Den Rest sollen hauptsächlich Wärmepumpen liefern, die mit Energie aus der Luft oder aus dem Grundwasser heizen.
Im Klimarat stießen die Transformationspläne der Stadtwerke und der Wärmeplan des Umweltreferats auf Zustimmung von vielen Seiten. In einer danach verfassten Stellungnahme äußerten sich auch Vertreter der Wirtschaft und des Handwerks positiv. "Die zeitnahe Vorlage der kommunalen Wärmeplanung für die Landeshauptstadt ermöglicht es der Münchner Bevölkerung und den Betrieben aus Handwerk und Mittelstand, gut informiert über ihre künftige Wärmeversorgung zu entscheiden", sagte Franz Xaver Peteranderl, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern.
Die Innungen für Sanitär, Heizung und Klima (SHK) sowie für Maler und Lackierer lobten ebenfalls die frühzeitige Vorlage des Wärmeplans. München ist die erste Großstadt in Deutschland, die diesen Service den Bürgern zur Verfügung stellt. Verlässliche Vorgaben sowie Sicherheit bei der Planung seien eine wichtige Voraussetzung, um "Kunden technologieoffen zu beraten und passende individuelle Lösungen zu erarbeiten", sagte Olaf Zimmermann, Obermeister der SHK-Innung. "Als Folge sollte dann auch die Verunsicherung der Verbraucher relativ schnell schwinden, die derzeit den Heizungsmarkt bestimmt."
Zum 1. Januar trat das neue Gebäudeenergiegesetz im Bund in Kraft, das den rechtlichen Rahmen setzt. Neue Gebäude müssen über eine Heizung verfügen, die zu 65 Prozent mit regenerativen Energien betrieben wird. Parallel sollen defekte Öl-, Gas- oder Kohleheizungen durch eine ökologische Variante ersetzt werden. Diese neuen Regeln sollen für Städte mit mehr als 100 000 Einwohnern zum 30. Juni 2026 gelten.
Welche Form des Heizens jeweils in Frage kommt, darüber soll der Wärmeplan Auskunft geben. Für die Bürgerinnen und Bürger ist er aber derzeit noch nicht einzusehen, weil er zuvor vom Stadtrat offiziell beschlossen werden muss. Ob das wie geplant am 16. April erfolgen wird, weiß im Moment jedoch niemand. Im Vorlauf hatte es in der grün-roten Koalition massiven Ärger gegeben, als Oberbürgermeister Dieter Reiter und seine SPD-Fraktion öffentlich fünf Forderungen aufgestellt und damit Umweltreferentin Kugler hart angegangen hatten. Zu einem ungewöhnlich frühen Zeitpunkt, an dem noch lange Zeit für interne Beratungen gewesen wäre. Grünen-Bürgermeister Dominik Krause reagiert noch mehr als eine Woche danach sehr schmallippig darauf. "Ein ungewöhnlicher Vorgang. Warum ihn der OB gewählt hat, müssen Sie ihn selbst fragen."
Seither beäugen sich die beiden Koalitionäre misstrauisch. Grundsätzlich stellt sich der Oberbürgermeister erst mal hinter den Wärmeplan. "Ich begrüße es, dass wir für München mit dem Beschluss eine konkrete Wärmeplanung vorlegen, um den Bürgerinnen und Bürgern Klarheit zu verschaffen, was die komplizierte Gesetzeslage für sie ganz persönlich im Einzelfall bedeutet", erklärte Reiter. Allerdings sorge der bundesweite Transformationsprozess für Verunsicherung. "Deshalb ist es mir wichtig, die Bürgerinnen und Bürger, aber auch unsere Betriebe und Unternehmen, beim Umstieg auf die umweltfreundliche Wärmeversorgung bestmöglich zu unterstützen." Er betonte zudem erneut die Hauptforderung, die er bei seiner ersten öffentlichen Äußerung aufgestellt hatte. Mit ihm werde es "keine Verschärfung der gesetzlichen Fristen" für einen Heizungsaustausch geben. Den Willen dazu hatte Reiter beim Umweltreferat festgestellt und dies eigenen Angaben zufolge verhindert.
Das hatte Umweltreferentin Kugler umgehend als "Missverständnis" zurückgewiesen. Hört man beim Koalitionspartner, der Fraktion die Grünen/Rosa Liste hinein, dann herrscht dort ebenfalls Verunsicherung, allerdings vor allem darüber, was der OB und seine Fraktion vorhaben. Ob sie tatsächlich beim wohl größten ökologischen Projekt mitmachen oder durch gezielte Fragen und Zweifel politischen Nutzen für sich daraus ziehen wollen. Aus Sicht der Grünen stand niemals ein vorgezogener Zwang für einen Heizungstausch oder einem Netzanschluss zur Debatte, es wurde nur auf wenigen Zeilen in der Beschlussvorlage die Option geschildert. Auf Anregung der SPD habe man diese Passage herausgenommen.
Wenn sich die Koalitions-Partnerinnen letztendlich einigen sollten, wird das Referat für Klima- und Umweltschutz eine große Öffentlichkeitskampagne zum Wärmeplan starten. Diese wird jedoch nur der Auftakt sein, die Wärmewende werde die Arbeit ihres Hauses nachhaltig verändern, sagte Kugler. "Wir werden viel mehr aktiv in die Quartiere gehen und mit den Bürgern auch kreative Lösungen für konkrete Probleme erarbeiten."