Rechte Übergriffe:Hat Haidhausen ein Nazi-Problem?

Lesezeit: 2 min

Immer mehr Straftaten mit mutmaßlich rechtem Hintergrund werden in Haidhausen registriert. (Foto: dpa)

In dem Stadtteil häufen sich derzeit mutmaßlich rechte Straftaten. Jüngstes Beispiel: Die Mauer einer kirchlichen Einrichtung wurde mit Nazi-Symbolen und Parolen beschmiert.

Von Martin Bernstein

Unbekannte Täter aus der rechten Szene haben erneut im Münchner Stadtteil Haidhausen Spuren hinterlassen. Vergangene Woche wurde die Mauer einer kirchlichen Einrichtung in der Sieboldstraße mit Nazi-Symbolen und Parolen beschmiert. Neben Hakenkreuz und SS-Runen war dort unter anderem die Aufschrift "Widerstand Süd" zu lesen, die Selbstbezeichnung eines in den 2000er-Jahren aktiven bayerischen Neonazi-Netzwerks. In aktuellen Verfassungsschutzberichten ist das Netzwerk zuletzt nicht mehr erwähnt worden.

Die Polizei bestätigte am Dienstag, dass sie Hinweise auf die verfassungswidrigen Graffiti über die sozialen Netzwerke erhalten und der Staatsschutz Ermittlungen aufgenommen habe. Das Kommissariat 44 ist für politisch rechts motivierte Kriminalität zuständig und bittet um Zeugenhinweise unter der Telefonnummer 089/2910-0. Den Schaden durch die gut zwei Quadratmeter großen Schmierereien beziffert die Polizei auf rund 500 Euro. Beobachter der Szene haben im Internet dokumentiert, dass an dieselbe Mauer bereits vor Kurzem die Parole "Demokratie angreifen" gesprüht wurde - was von anderen Sprayern inzwischen in "Mehr Demokratie wagen" umformuliert wurde.

Von der kirchlichen Einrichtung werden unter anderem minderjährige Flüchtlinge betreut. Auch in der weiteren Umgebung sind immer wieder rechte Symbole auf Graffiti und Aufklebern zu sehen. "Haidhausen hat ein Nazi-Problem" befürchten die Blogger von "Union Watch", die die Vorfälle auf Twitter dokumentiert haben.

Zuletzt haben sich mutmaßlich rechte Straftaten in Haidhausen tatsächlich auffallend gehäuft. Ende November wurde nahe dem Weißenburger Platz eine Gruppe rassistisch und transfeindlich beleidigt und körperlich attackiert. Einige Tage später griff ein 56-Jähriger einen 15 Jahre alten Schüler an. Der Ältere hatte zuvor den Hitlergruß gezeigt, Naziparolen gerufen und war von dem Schüler zur Rede gestellt worden. Der Mann schlug dem Jugendlichen daraufhin ins Gesicht und verletzte ihn.

Völlig ungeklärt ist der Angriff auf ein israelisches Lokal am Rosenheimer Platz vom 20. November, nur ein paar hundert Meter entfernt vom Ort der jüngsten Schmierereien. Eine Anwohnerin hatte gegen 3.15 Uhr über den Notruf 110 die Polizei alarmiert, nachdem sie das Geräusch von zerbrechendem Glas wahrgenommen hatte. Polizisten entdeckten, dass in dem nahegelegenen Imbiss die Frontverglasung sowie Beleuchtungseinrichtungen durch Steinwürfe beschädigt worden waren.

Am Tag zuvor war in der Clemensstraße ein Erinnerungszeichen für den jüdischen Deportierten Michael Strich beschädigt und beschmiert worden. "Hinweise auf einen etwaigen Tatzusammenhang bestehen derzeit nicht", schreibt die Polizei. Am 20. November jährte sich die Deportation und Ermordung von tausend Münchner Juden aus dem Jahr 1941.

© SZ vom 18.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Antisemitismus
:Wenn Hass zum Grundrauschen wird

Schmierereien, Drohmails, Angriffe: Nahezu wöchentlich werden derzeit antisemitische Vorfälle aus München gemeldet. Statistiken und Studien zeigen, dass Judenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft verbreitet ist.

Von Martin Bernstein

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: