Feier und Gottesdienst:Stadt stellt Erinnerungszeichen für Michael Strich vor

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Der Historiker wurde 1941 von München nach Kowno deportiert und dort brutal ermordet - ebenso wie 1000 andere jüdische Frauen, Männer und Kinder aus München.

Von Martin Bernstein

"In Trauer und Scham - und entsetzt über das Schweigen der Mitwissenden - gedenkt die Landeshauptstadt München der 1000 jüdischen Männer und Frauen, die am 20. November 1941 von München nach Kowno deportiert und fünf Tage später an diesem Ort brutal ermordet wurden. Darunter waren auch 94 Kinder." So steht es auf einer Gedenktafel im Rathaus. Sie erinnert an die erste Deportation jüdischer Münchner, der bis zum 22. Februar 1945 rund 40 weitere folgen sollten. Unter den nach Kaunas verschleppten und dort ermordeten Menschen war auch der Historiker Michael Strich. In der Clemensstraße 41, Strichs 1939 zwangsenteigneten Wohnhaus, stellt die Stadt am Mittwoch, dem 78. Jahrestag der Verschleppungsaktion, um 12.30 Uhr ein Erinnerungszeichen vor. Zuvor findet um 11.30 Uhr im Pfarrsaal St. Ursula eine Gedenkveranstaltung für Michael Strich statt.

Strich wurde am 22. März 1881 in Berlin geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München Geschichte und wurde 1907 promoviert. In den Jahren 1910 und 1911 hielt er sich zu historischen Studien in Frankreich auf. Er kämpfte von 1915 bis 1918 im Ersten Weltkrieg. Der Historiker und Privatgelehrte Strich spezialisierte sich auf Neuere Geschichte und veröffentlichte bedeutende Werke und Aufsätze. Sein Hauptwerk "Das Kurhaus Bayern im Zeitalter Ludwigs XVI und die europäischen Mächte" konnte noch 1933 erscheinen. Seit 1920 lebte Strich in der Clemensstraße 41. Seine Tochter Elisabeth Charlotte wurde am 21. August 1923 in München geboren.

In den Tagen vor dem 20. November wurden die Opfer in ein Barackenlager in der Knorrstraße 148 verschleppt. Am Morgen des Deportationstags wurden sie in Milbertshofen in einen Zug getrieben. Die katholische Gemeinschaft Sant' Egidio und die Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) werden am Donnerstag am Ort des ehemaligen "Judenlagers Milbertshofen" an die erste Deportation von Juden aus München erinnern. Um 18 Uhr werden auf dem Vorplatz der Pfarrkirche St. Gertrud in Weyprechtstraße 75 unter anderen IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch sowie Diakon Paul Dawid sprechen.

Zwei Tage lang war der Zug ins mehr als 1300 Kilometer entfernte Kaunas unterwegs. Dort wurden die Menschen ins Fort IX gebracht und auf Befehl des Chefs des SS-Einsatzkommandos 3, Karl Jäger, ermordet. Zehn Tage später verfasste Jäger einen Bericht, in dem er bilanzierte, 138 272 Menschen "umgelegt" zu haben. Aus den von dem Massenmörder vorgelegten Zahlen ergibt sich, dass niemand aus München überlebte. Jäger kehrte nach dem Krieg nach Deutschland zurück und lebte unbehelligt am Neckar. Erst 1959 wurde er verhaftet. Er erhängte sich in der Untersuchungshaft.

© SZ vom 20.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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