Münchner Stadtparteitag:Mehr Rad, mehr Grün, mehr Regenbogen

Lesezeit: 3 min

Grünen-Stadtparteitag unter Abstandsregeln: Nur das Tagungspräsidium und der Vorstand sind am Samstag im Ampere gesessen, alle anderen Teilnehmer wurden online zugeschaltet. (Foto: Sebastian Gabriel)

Eigentlich wollten die Grünen bei ihrem Parteitag den Bundestagswahlkampf starten. Da aber eine Kandidatin noch nicht bestätigt ist, reden sie über die Paketposthalle und eine riesige Flagge auf der Theresienwiese.

Von Anna Hoben

Welcher Ton soll es sein, um den Redner oder die Rednerin daran zu erinnern, dass die Zeit abläuft? Ein c, ein d oder ein fis? Plong, pleng oder pling? Ja, wenn man darüber nun abstimmen könnte, dann wäre man schon einen Schritt weiter. Aber das Abstimmungstool funktioniert nicht beim digitalen Stadtparteitag der Grünen am Samstag - ein Serverproblem beim externen Dienstleister. Und so dauert es bis zum Mittag, bis die musikalische Testabstimmung gemacht werden kann. Die Partei ist auf die Schnelle auf ihre eigene Infrastruktur umgestiegen, das sogenannte Abstimmungsgrün. Es klappt, Gewinner ist der Ton c, und dann kann es losgehen.

Ursprünglich hätten sich die vier Münchner Direktkandidatinnen und Direktkandidaten zur Bundestagswahl vorstellen sollen, und die Teilnehmer hätten eine interne Listenreihung vorgenommen. Doch wegen formaler Unsicherheiten und weil das Ergebnis im Wahlkreis München-Ost so knapp war - die amtierende Abgeordnete Margarete Bause unterlag Vaniessa Rashid mit nur einer Stimme - entschieden die Grünen, die Aufstellungsversammlung vom Kreiswahlleiter überprüfen zu lassen; in München ist das Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle. Das Ergebnis kam am Freitagnachmittag: Es gibt keine zwingenden Gründe, die für eine Wiederholung der Wahl sprechen. Sie soll nun wie vorgesehen per Briefwahl bestätigt werden. Und die Listenreihung muss noch warten.

"Fridays for Future" in München
:"Wer nicht hüpft, der ist für Kohle"

Münchens Klimaschützer waren wegen der Corona-Pandemie lange wenig sichtbar, nun demonstrieren sie wieder. Sie kritisieren "leere Versprechungen" und fordern konkrete Projekte.

Von Jakob Wetzel

Bei den kommenden Parteitagen wolle man sich dann auf die Bundestagswahl konzentrieren und zeigen, "dass unsere Ideen nicht nur gut, sondern die besten sind", sagte der Grünen-Stadtvorsitzende Joel Keilhauer am Samstag. Tags zuvor war der Entwurf für das Bundeswahlprogramm veröffentlicht worden. Bei diesem Parteitag kam also noch keine richtige Wahlkampfstimmung auf, zumal es mit der Stimmung bei digitalen Veranstaltungen ja so eine Sache ist. Auch der im Herbst neu gewählte Stadtvorstand habe sich das letzte Mal im Oktober live gesehen, berichtete die Vorsitzende Ursula Harper; seitdem habe man sich zwar beinahe täglich gesprochen, aber eben nur online, über die Plattform Zoom. Dort waren am Samstag auch die bis zu 300 Teilnehmer zusammengeschaltet; das Vorstandsteam und das Präsidium wurden im Ampere gefilmt.

Nach dem Parteitag werde man sich "voller Begeisterung in den Wahlkampf stürzen", sagte Harper, sie könne es "kaum erwarten loszulegen". Ein bisschen wahlkämpferisch wurde es dann auch noch im Video-Grußwort von Bürgermeisterin Katrin Habenschaden, die das "sensationelle Ergebnis" der Grünen in Baden-Württemberg als Indiz dafür nahm, dass der "Wunsch der Menschen nach mehr grüner Politik riesengroß" sei. Die SPD beschäftige sich gerade mit dem Gendern, ansonsten höre man von ihr "wenig zur Zukunft des Landes". Gefährlich für die Demokratie aber sei, "was gerade bei der Union passiert", dort sei "der moralische Kompass komplett am Durchdrehen". Habenschadens Fazit: "Noch mal vier Jahre schwarz-rote Ideen und Tatenlosigkeit wären fatal."

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Die Fraktionschefs Florian Roth (T-Shirt-Aufschrift: "in dubio pro velo") und Anna Hanusch berichteten aus dem Stadtrat, von den nun dauerhaften Pop-Up-Bikelanes über den "Sommer in der Stadt" und den Runden Tisch Corona bis zur geplanten Verschmelzung der Wohnungsbaugesellschaften GWG und Gewofag. Man müsse an die Wohnungsbestände ran, sagte Hanusch, in der Sanierung liege ein "riesiges Potenzial an CO₂-Reduzierung".

Viel Potenzial liegt nach Ansicht der Grünen auch in dem Baugebiet an der Paketposthalle. Sie stimmten einem Antrag des Ortsverbands Neuhausen-Nymphenburg zu, dass das Areal ein Vorzeigeprojekte hinsichtlich Klimaanpassung und Biodiversität werden soll. Die Grünen fordern eine Gestaltung mit Quartiersgärten, Flächen für Urban Gardening - möglicherweise auch auf den Dächern - und Obstbäumen in den Innenhöfen. Für die Gebäude sollen nachhaltige Materialien verwendet werden. Gebäude und Verkehr sollen von Anfang an so konzipiert werden, dass Energie eingespart wird. Die sanierte Paketposthalle müsse öffentlich zugänglich sein und weitgehend nicht-kommerziell genutzt werden. Auch sollen Stadt und Investor nach dem Willen der Grünen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass auf der Hälfte der ausgewiesenen Flächen bezahlbarer Wohnraum entsteht und auch Flächen an Genossenschaften vergeben werden.

Beschlossen wurde auch ein Antrag zur Sichtbarkeit von Vielfalt. Die Grünen unterstützen den Plan für eine riesige und dauerhafte Regenbogenflagge auf dem Asphalt der Theresienwiese. Damit würde München "zumindest optisch zur queerfreundlichsten Stadt Europas", sagte Arne Brach aus dem Vorstandsteam, der den Antrag im Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt initiiert hat.

© SZ vom 22.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusPolitik
:Das verdienen Münchens Bundestagsabgeordnete

Sichert ein Nebeneinkommen die Unabhängigkeit eines Politikers oder gefährdet es diese? Die SZ hat Münchner Abgeordnete gefragt, was sie von den Transparenz-Regeln halten - und wie viel sie verdienen.

Von Heiner Effern und Anna Hoben

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: