Alternative zum Neubau in Sendling:Soll die Großmarkthalle an den Stadtrand ziehen?

Lesezeit: 3 Min.

Der Großmarkt in München. Das Areal umfasst derzeit 26 Hektar. (Foto: Stephan Rumpf)

Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner hält das geplante Großprojekt im Zentrum der Stadt für zu teuer und und spricht sich für einen alternativen Standort aus. Auf dem Gelände in Sendling könnten dafür mehr bezahlbare Wohnungen entstehen.

Von Sebastian Krass

Ein neuer Großmarkt am Stadtrand und Konzentration auf ein großes städtisches Wohnquartier auf dem bisherigen Großmarkt-Gelände in Sendling: Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner bringt einen Kurswechsel bei den städtischen Überlegungen zur Zukunft des Großmarkts ins Spiel. "Wenn ich mir die Entwicklung der Baukosten und die planungsrechtlichen Unsicherheiten anschaue, dann habe ich große Zweifel, ob der derzeit diskutierte Bau eines Großmarkts mit Wohnungen oben drauf in Sendling eine gute Idee ist", sagte Baumgärtner (CSU) der Süddeutschen Zeitung und der Immobilien-Zeitung.

Baumgärtners Vorstoß ist politisch brisant. Er stellt sich damit unter anderem gegen seine Parteifreundin Kristina Frank, die als Kommunalreferentin zuständig für den Betrieb des Großmarkts ist und sich vehement für einen Neubau an der Schäftlarnstraße, gegenüber dem Heizkraftwerk Süd, einsetzt. Lebensmittel sollten weiter "mitten aus Sendling kommen", sagte sie im Frühjahr, und es solle "im Bauch Münchens ein ultraurbanes Leuchtturmprojekt" entstehen.

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Baumgärtner sieht das anders: "Es bringt nichts, ein derart aufwendiges Projekt zu planen und zu bauen und dann festzustellen, dass es so teuer war und deshalb die Mieten für die Händler so hoch sein müssen, dass es sich keiner mehr leisten kann." Er wolle vermeiden, dass eine Diskussion um einen Großmarkt-Standort außerhalb der Stadtgrenze aufkommt. Vor einigen Jahren war ein Umzug nach Parsdorf im Gespräch. "Aus Sicht des Wirtschaftsreferenten ist es wichtig, dass die Händler in München bleiben, es geht dabei für die Stadt auch um ordentliche Erträge aus der Gewerbesteuer."

Zudem würde durch einen Wegzug des Großmarkts aus der Innenstadt ein "Filetgrundstück in städtischem Eigentum" frei, "dort möglichst viel bezahlbares Wohnen zu schaffen, das wäre eine wunderbare Geschichte", findet Baumgärtner. Zumindest auf einem Teil des derzeitigen Großmarkt-Grundstücks ist das langfristig ohnehin geplant, es würde aber erst möglich, wenn durch einen Neubau Flächen frei werden. Eine Kombination von Großmarkt und Wohnen auf dem 26 Hektar großen Areal (was gut der Hälfte der Theresienwiese entspricht) wirft allerdings wegen des nächtlichen Lieferverkehrs mit teils schweren Lkw auch rechtliche Fragen auf, die noch ungeklärt sind.

Baumgärtners Initiative für ein Alternativkonzept fällt in eine spannende Zeit. Vor Kurzem ist eine Ausschreibung des Kommunalreferats ausgelaufen, auf die sich Investoren mit Konzepten für einen Großmarkt-Neubau bewerben konnten. Ein wichtiger Punkt dabei ist, günstige Mieten für die Händlerinnen und Händler zu sichern - was aber nicht nur wegen der Baukosten, sondern auch wegen der steigenden Kreditzinsen eine Herausforderung werden könnte, wenn das Projekt zugleich eine Rendite abwerfen soll.

Kommende Woche will Kristina Frank im nicht-öffentlichen Teil der Stadtrats-Vollversammlung vorstellen, wie die Ausschreibung ausgegangen ist. Bisher bekannt war das Interesse der Büschl-Unternehmensgruppe aus Grünwald, die die Idee aufgebracht hatte, auf dem Dach des Großmarkts eine noch nicht bezifferte Zahl an Wohnungen zu errichten, zur Hälfte frei finanziert, zur Hälfte preisreguliert. Auch die Stadtwerke München hatten Interesse angemeldet, sie würden auf dem Areal wohl gern auch einen Busbetriebshof einrichten.

Unstrittig ist, dass ein neuer Großmarkt dringend nötig ist. Der bisherige, über Jahrzehnte gewachsene Bestand mit verstreuten Hallen blockiert viel wertvollen Grund. Vor allem ist die Bausubstanz so marode, dass die Stadt mindestens 30 Millionen Euro investieren muss, um den Betrieb wenigstens bis 2030 zu sichern. Dann, so die Planung, soll der neue Großmarkt in Betrieb gehen.

"Unsere Arbeitsbedingungen derzeit sind extrem belastend"

Aus Sicht vieler Händler ist der zeitliche Aspekt enorm wichtig. "Unsere Arbeitsbedingungen derzeit sind extrem belastend und unbefriedigend", sagt etwa Semih Yildirim, Geschäftsführer der Or-Pa Handels GmbH. Sein Kollege Daniel Schury, Chef der Franz Schmitt GmbH und Co. KG und Vorstandsmitglied des Bayerischen Fruchthandelsverbandes, ergänzt: "Wir brauchen möglichst bald einen neuen Großmarkt, der auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten ist. Wenn das an einem anderen Standort in München schneller und einfacher zu realisieren ist, bin ich dafür offen." Zu bedenken sei allerdings, dass ein solcher Standort für die Beschäftigten auch nachts gut erreichbar sein müsse.

Die Frage, ob es ein anderes Grundstück im Stadtgebiet gäbe, ist zentral für den Vorstoß von Baumgärtner. Das Kommunalreferat teilt dazu mit, das Planungsreferat habe im Herbst 2020 "mögliche Grundstücksalternativen innerhalb der Stadtgrenzen geprüft", mit dem Ergebnis, dass es "keine alternativen unmittelbar verfügbaren Standorte für die Großmarkthalle gibt". Aus Sicht des Wirtschaftsreferenten ist da aber das letzte Wort noch nicht gesprochen. Er wolle selbst noch einmal prüfen, ob es nicht doch Flächen gäbe, die in Frage kommen. Er denke da etwa "im Osten Richtung Messegelände oder im Westen in der Nähe der Paulaner-Brauerei in Langwied".

Aus der Immobilienbranche ist Skepsis zum derzeit geplanten Investorenmodell zu vernehmen. Sowohl bei der ursprünglich von einem Großmarkt-Unternehmen verfolgten Idee "Großmarkt plus Büro" als auch bei der von der Büschl-Gruppe aufgebrachten Idee "Großmarkt plus Wohnen" handele es sich um enorm komplexe Vorhaben mit kaum absehbaren Problemen und Baukosten, sagt Peter Bigelmaier, Geschäftsführer beim Immobilienberater Colliers in München. "Solche Projekte sind gefährlich." Zudem halte er das Ziel 2030 für illusorisch, "vor 2035 wird da überhaupt nichts fertig".

Den Neubau einer reinen Großmarkthalle auf der grünen Wiese hingegen halte er in vier bis fünf Jahren für realisierbar, so Bigelmaier. In dieser Zeit könne man parallel Wohnbaurecht auf dem derzeitigen Großmarkt-Areal in Sendling schaffen, eventuell auch gemeinsam mit der Büschl-Gruppe, die für Teile der Flächen noch ein Erbbaurecht für etwa 15 Jahre hat. "Die Stadt muss sich die Grundsatzfrage stellen", sagt Bigelmaier, "was der richtige Weg ist."

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