Normal ist, wenn man im Sommer draußen sitzen und Kaffee oder Bier trinken kann und dort auch etwas zu essen bekommt. In München definiert sich die warme Jahreszeit ja im wesentlichen durch das Aufstellen von Tischen und Stühlen vor dem Café und dem Wirtshaus oder durch den Gang zum Biergarten, und wenn es regnet, geht man halt rein. Insofern hielt die Normalität in den vergangenen Wochen nur ganz langsam Einzug. Es gab ja noch die Zwei-Haushalte-Regel, und mit Reingehen, wenn's regnet, war's erst einmal nichts. Und das, obwohl es sehr viel regnete.
Seit Beginn dieser Woche sieht das aber wieder anders aus, seitdem darf man nämlich auch rein, wenn's regnet. Und nicht nur dann. Eitel Freude also bei Gastronomen und ihren Gästen?
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Einerseits ja. "Man spürt richtig, wie sich die Leute freuen, dass sie wieder ins Wirtshaus gehen können", sagt Christian Schottenhamel, der Wirt vom Nockherberg und der Menterschwaige, beides große Biergärten, zu denen auch Wirtschaften mit Veranstaltungsräumen gehören. "Seit wieder zehn Personen aus verschiedenen Haushalten an einem Tisch sitzen dürfen", sagt er, "kommen natürlich wieder unsere Stammtische und Gruppen von Kartlern zum Spielen im Wirtshaus. Da kommt dann schon richtig Freude auf, das ist schön."
So wie früher sei's noch nicht, klar, schon wegen der Abstandsregeln und anderen Corona-Auflagen, die Hygiene betreffend, der Andrang ist noch überschaubar. "Der Mensch muss sich erst wieder dran gewöhnen", sagt Schottenhamel, der auch Münchner Kreisvorsitzender des Gastronomenverbands Dehoga ist, "dass er seine Lieblingsgastwirtschaft besuchen kann. Aber es läuft an."
Angeblich müssen manche Eröffnungen wegen Personalmangel verschoben werden
Wobei die Sache die ist: Manchmal kann er sie auch nicht wieder besuchen, oder zu anderen Zeiten als früher. Und manchmal dauert es auch länger, bis er etwas zu essen und zu trinken bekommt. Denn vielen Lokalen fehlt schlichtweg das Personal nach einem halben Jahr Lockdown: Ihre ehemaligen Angestellten und Aushilfskräfte haben sich in der Zwischenzeit etwas anderes gesucht. Es gibt angeblich sogar schon Gaststätten, die ihre Wiedereröffnung aus diesem Grund verschieben mussten.
"Das ist tatsächlich ein Problem geworden", sagt Carl Geisel, der zusammen mit seinen Brüdern Michael und Stefan die Gruppe der Geisel-Privathotels und auch das Weinrestaurant Geisels Vinothek in der Schützenstraße betreibt. "Momentan haben wir wegen Personalmangels dort nur abends geöffnet", erzählt er, "mittags können wir leider noch nicht aufmachen: zu wenig Leute für den Service da."
Geisel findet das natürlich sehr schade, weil der Zuspruch von den Gästen da wäre, und man spüre richtig, wie sich die Leute freuten, wieder essen gehen zu können. Zwar sei es immer schon schwierig gewesen, Personal zu finden - alleine die Arbeitszeiten schreckten viele ab. Aber während der Schließung hätten sich viele gute Kräfte auch nach anderen Jobs umgesehen. "Die meisten haben den Beruf zwar wegen des sozialen Kontakts gewählt", sagt Geisel, "aber den hat man zum Beispiel als Empfangsdame im Büro auch, aber zu normalen Arbeitszeiten."
Warum sich die Arbeit bei wenigen Plätzen kaum lohnt
Christian Schottenhamel hört nicht nur von seinen Wirtekollegen ähnliche Schilderungen, er kann auch selber davon berichten: "Wir suchen aktuell vier Köche für die Menterschwaige, und auch am Nockherberg könnten wir drei gebrauchen", sagt er, "im Service fehlen ebenfalls fünf Leute, das hat natürlich Auswirkungen." Im Lockdown, schätzt er, seien zwischen zehn und 15 Prozent der Mitarbeiter abgewandert.
Das ist nicht nur bei den großen Gastronomen so, auch die meisten kleineren Lokale haben durch die Bank vergleichbare Probleme. Loïc Cantegrel vom französischen Spezialitätenrestaurant "L'Adresse 37" im Westend etwa hat bereits vor der Öffnung der Innengastronomie sein Lokal nur noch draußen bespielt - er als Koch alleine mit seinem Küchenhelfer. Personal sei momentan sowieso nicht zu finden, sagt er, und bei wenigen Plätzen rentiere sich das auch nicht. Weder für ihn noch für die Servicekraft.
Das liegt daran, dass die Trinkgelder, die man als Bedienung bekommt, oft ein nicht unwesentlicher Bestandteil des Gehalts sind: Die Nettogehälter sind in der Gastronomie oft zu niedrig, um damit im teuren München zu leben, und sie waren während der Kurzarbeitsphase noch deutlich niedriger, sofern Wirt oder Wirtin nicht aufgestockt hatten. Wobei die oft selbst unter große Existenzängsten litten.
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Tim Lünnemann, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) für die Region München, erklärt das auch mit den stockenden Tarifverhandlungen: "Der Tarifvertrag liegt seit 15 Monaten brach. Die Menschen brauchen aber sichere Löhne und kehren deshalb der Branche den Rücken. Wir sehen das mit großer Sorge."
Aslan Celik, Inhaber von zwei und demnächst drei Pizzerien mit dem Namen Mozzamo, sagt, ihm sei das Personal in seinen beiden Filialen in Neuhausen und Thalkirchen weitgehend geblieben. Aber bei der dritten in Pasing habe er schon gemerkt, dass es viel schwerer geworden sei, neue Leute zu finden.
An diesem Freitagvormittag ist Mozzamo am Romanplatz gut besetzt, die italienische Handelskammer hat dorthin eingeladen, weil einer der berühmtesten neapolitanischen Pizzabäcker, Luciano Sorbillo, gekommen ist, um einen Workshop zu geben. Und die Mozzamo-Kette ist spezialisiert auf die Pizza Napolitana, was Celiks Frau zu verdanken ist, einer gebürtigen Neapolitanerin.
Auch sonst ist Celik zufrieden, die Stammgäste seien alle wiedergekommen. Nur in Pasing, wo der Workshop eigentlich hätte stattfinden sollen, gab es ein kleines Problem. Die Eröffnung hätte am Samstag stattfinden sollen, jetzt wird es kommender Mittwoch. Grund ist allerdings nicht der Personalmangel. Bei der Abnahme durch die Stadt am Donnerstag wurde moniert, dass ein Waschbecken in der Behindertentoilette ein Stückchen zu hoch angebracht war, das muss nun noch geändert werden. Und der nächstmögliche Termin zur Abnahme ist eben erst am kommenden Dienstag.