Der goldene Oktober ist schon wieder eine Ewigkeit her. Damals saßen wir noch jeden Abend beim Lieblingsgriechen in Harlaching, selbstverständlich mit der gebotenen Distanz zu den anderen Gästen, den Mundschutz stets gezückt, die Hände schon etwas rau vom Desinfizieren, die Stimmung leicht überdreht, crazy Endzeitrausch! Feuchtfröhlich ging dieser letzte Monat in Freiheit zu Ende, mit noch einer letzten Flasche Wein und noch einem Schnaps aufs Haus, so dass man schon um kurz nach acht Uhr das Gefühl hatte, gleich ist Mitternacht, denn man wollte jeden Moment in vertrauter Runde möglichst intensiv genießen.
Im Rückblick wirken diese Tage wie Ferien: Allein das Glücksgefühl, wenn man sich Gastroprofis wie dem Georgios und dem Kostas anvertrauen konnte. Ja, der Lieblingsgrieche von Harlaching war der richtige Ort, um innerhalb einer Stunde in einen Zustand des höheren Wohlgefühls zu gelangen, aber dafür hat so ein Virus nicht das geringste Verständnis.
Corona-Krise im Freistaat:Bayern lockert weiter: Diese Corona-Regeln gelten künftig
Am 3. April entfallen fast alle Vorschriften. Nur noch in Nahverkehr, Kliniken und Heimen gibt es dann eine Maskenpflicht. Ungeimpfte dürfen wieder überall hin. Die neuen Vorschriften im Überblick.
Jetzt müssen die Harlachinger eben ohne ihren sicheren Hafen auskommen, ohne die Illusion eines in die Münchner Schotterebene hineingepflanzten Mittelmeeres, ohne Georgios, den Kapitän der guten Laune. Schon mittags stehen sie leicht verloren am Schlittenberg mit ihren riesigen Leergut-Taschen. Längst können die Behälter all das Altglas gar nicht mehr fassen, das die Bewohner dieses nicht ganz armen Viertels ständig anschleppen, zeitweise sieht die Fläche aus wie nach einem epischen Besäufnis. Alles, was im Weinregal Rang und Namen hat, liegt hier achtlos im Herbstlaub oder steht als Mahnmal der pandemischen Tristesse auf den schmutzigen Containern; Flaschen aus der Produktion italienischer Edelwinzer, Champagner und Gin, manchmal auch der Rotkäppchen-Sekt, der zu den bevorzugten Getränken der hiesigen Teenager zählt.
Für viele Viertelbewohner gehört der Besuch der Altglas-Container neuerdings zum Höhepunkt des Tages. Man begegnet sich dort ohne falsche Scham und nickt sich kurz zu, schließlich trinken alle zu viel. Das laute Klirren und Scheppern, das Krachen von Glas auf Metall gibt einem zumindest das Gefühl, noch am Leben zu sein.
Hoffentlich wird es nicht zu lange dauern, bis der Harlachinger Lieblingsgrieche wieder aufmacht. Dann muss man nicht länger alleine trinken - und um die Flaschen kümmert sich wie gewohnt wieder unser Kapitän.