Englischer Garten:Eine halbe Tonne Müll pro Tag

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Morgens um halb sechs nach einem heißen Samstag im Englischen Garten: Feiernde lassen immer größere Mengen Müll zurück. (Foto: Petra Payer)

Von Jahr zu Jahr wächst die Menge Abfall, den die Schlösser- und Seenverwaltung jeden Morgen im Englischen Garten aufsammeln lässt. Weil das Problem nicht nur dort auftritt, kommt aus dem Stadtrat nun die Forderung nach sogenannten "Wastewatchern".

Von Ellen Draxel

Am Morgen, wenn es noch angenehm kühl ist an diesen heißen Sommertagen, versprüht der Englische Garten einen ganz besonderen Charme. Die Sonne lugt durch die Bäume, das Wasser in den Bächen glitzert und selbst der Rasen sieht um diese Zeit noch anders aus. Ohne den vielen Müll, der sich im Laufe des Tages vor allem im 130 Hektar großen Südteil des Parks ansammelt. Denn den haben fleißige Helfer dort, zwischen dem Haus der Kunst und dem Kleinhesseloher See, zu früher Stunde bereits beseitigt.

Das Abfallaufkommen in Münchens grüner Lunge hat sich in den vergangenen Jahren zu einem echten Problem entwickelt. "Insbesondere feiernde Gruppen lassen nach Einbruch der Dunkelheit oftmals ihren Müll liegen", sagt Ines Holzmüller von der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung. Bier- und Weinflaschen, Snacktüten, dazu jede Menge To-Go-Verpackungen, mal mit, mal ohne Essensreste. Auch kaputte Schlauchboote, Möbelstücke oder Hausmüll hat das Säuberungsteam in der Früh schon gefunden. Am meisten Unrat liegt dabei auf den Wiesen unterhalb des Monopteros und nahe der Eisbachwelle. Der Anstieg, sagt die Sprecherin, sei so "enorm", dass die Schlösserverwaltung inzwischen an die Parkgäste appelliere, mehr Rücksicht auf dieses "einmalige Gartenkunstwerk" zu nehmen.

Von welchen Mengen Holzmüller ausgeht, zeigt ein Blick in die Statistik. Hatte es 1997 noch 65 Tonnen Feier-Überbleibsel zu entsorgen gegeben, waren es 2019 bereits 163 Tonnen. Ein Jahr später stieg die Zahl auf 200 Tonnen an. 2021 kamen dann sogar 260 Tonnen Müll zusammen. Zwar ging diese Masse inzwischen wieder leicht zurück, auf 225 Tonnen im vergangenen Jahr. Überbordend ist sie aber nach wie vor. Derzeit fällt bei schönem Wetter Tag für Tag rund eine halbe Tonne Müll an - das entspricht einem Volumen von rund drei Kubikmetern. So viel, wie in einen kleinen Bauschuttcontainer passt.

Aus den Abfalleimern, von denen es allein im Südteil dieses Landschaftsschutzgebietes 120 gibt - ergänzt durch zehn "Trashboxen" mit einem Fassungsvermögen von jeweils einem Kubikmeter -stammt nur ein Bruchteil dieser Menge. Weitere 34 Müllbehälter stehen im Hofgarten. Und mehr als 200 im nördlichen Parkbereich, der 245 Hektar großen "Hirschau". Sie alle werden täglich geleert. Die Schlösser- und Seenverwaltung, erklärt Holzmüller, habe "bereits Mülleimer mit einem größeren Fassungsvolumen aufgestellt", um der Lage Herr zu werden. Doch das Ganze funktioniert nur, wenn die Behälter auch genutzt werden.

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Noch aber sind die Wiesen mit Pizza-Kartons, Einwegbechern und Flaschen übersät - da hilft lediglich die Greifzange des Gartenteams. Bis vor ein paar Monaten erledigte ein Trupp der Schlösserverwaltung diesen Reinigungsjob noch selbst, seit diesem Frühjahr kümmert sich nun im Auftrag der Schlösserverwaltung eine Privatfirma um die Müllbeseitigung im Englischen Garten. Auf freiwilliger Basis hin und wieder unterstützt durch Firmen und Vereine, die in Form von Team-Building-Aktionen ebenfalls mit Zangen und Säcken bestückt durch den Park streifen.

Immerhin, Proteste von Anwohnern, wie sie in den vergangenen Jahren infolge der Feierlaune von Parkbesuchern beim Bezirksausschuss Altstadt-Lehel massiv aufgepoppt sind, sind heuer bislang ausgeblieben. "Es gab noch keine einzige Beschwerde in diesem Jahr", sagt Gremiums-Chefin Andrea Stadler-Bachmaier (Grüne). Weder wegen Müll noch wegen Lärm. Coronabedingte Einschränkungen, so erklärt sie sich das, existierten nicht mehr, Bars und Restaurants hätten wieder geöffnet. Wodurch sich der Ansturm auf den Englischen Garten etwas verringere.

Doch auch wenn gerade kein akuter Handlungsbedarf besteht - das Konfliktpotential bleibt. "Wir werden das Problem nicht lösen, der öffentliche Raum gehört allen", meint die Lokalpolitikerin. "Wir können nur versuchen, Verständnis zu wecken." Banner mit der Bitte um Rücksichtnahme auf Nachbarn, wie sie voriges Jahr rund um den Feier-Hotspot Gerner Brücke am Nymphenburger Schlosskanal aufgehängt wurden, lassen sich im Englischen Garten nicht verwirklichen, aus rechtlichen Gründen. Aber möglicherweise könne auf Plakaten an MVV-Wartehäuschen für ein faires Miteinander sensibilisiert werden. Eine entsprechende Anfrage läuft bereits. Die Stadtteilpolitiker sind zudem im Gespräch mit dem Wilhelmsgymnasium: Die Idee ist, im Rahmen eines Kunstprojekts etwa die Prinzregenten- und die Paradiesstraße mit Piktogrammen oder Schriften auszustatten. Details gilt es noch zu klären.

Stadtrats-Fraktionen wollen "Wastewatcher" etablieren

In den Griff bekommen wollen die Bürgervertreter außerdem die seit Langem schwelende Toiletten-Thematik. Denn im Englischen Garten gibt es zu wenige öffentliche Klos. Die neueste Idee ist nun, angrenzend an die Schulsportanlage am Hirschanger ein öffentliches WC zu errichten. "Das ist aber noch nicht spruchreif", sagt Stadler-Bachmaier. Der Ball liege jetzt beim Bildungs- und Baureferat.

Die Problematik im Englischen Garten zeigt wie in einem Brennglas, was sich im Rest der Stadt abspielt. Das sogenannte "Littering" - Einwegverpackungen, Plastikflaschen oder auch Zigarettenkippen, die achtlos auf den Boden oder in die Büsche geworfen werden - ist mittlerweile auch dem Stadtrat ein Dorn im Auge. Die Fraktionen von Grünen/Rosa Liste, CSU/FW, SPD/Volt, ÖDP/München Liste und Linke/Die Partei fordern daher unisono den Einsatz von "Wastewatchern". Die Aufgabe dieser Patrouille soll es sein, mit den Menschen zu sprechen, ihnen Mülltüten und Aschenbecher in die Hand zu drücken und so präventiv zur Aufklärung und Müllvermeidung beizutragen. Bei besonders renitenten Umweltsündern ist auch das Verhängen von Bußgeldern eine Option. In Hamburg wird das Wastewatcher-Konzept schon seit Jahren erfolgreich praktiziert.

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