"Falscher Schwerpunkt", urteilt die Bogenhauser CSU, und die Initiative für Bahntunnel von Zamdorf bis Johanneskirchen beklagt eine "einzige Katastrophe für München". Was so harsch kritisiert wird, ist der noch undatierte Entwurf einer Beschlussvorlage für den Planungsausschuss des Stadtrats. Das Planungsreferat formuliert darin die Haltung der Stadt zu den Plänen der DB Netz AG für den Ausbau des Güterverkehrsknotens München. Dadurch wird sich der Güterverkehr im Osten Richtung Nordring bis 2030 auf 226 Züge pro Tag verdreifachen, wie die Bahn selbst bestätigt.
Tunnelbefürworter rechnen sogar mit 657 Güterzügen auf der Strecke durch Bogenhausen bis 2050, acht Mal so viele wie heute. Der Entwurf des Planungsreferats - 41 Seiten inklusive Anlagen - stellt die Planungen der Bahn aber nicht grundsätzlich auf den Prüfstand, geht auch nicht näher auf die Probleme der Anwohner ein, etwa den Lärmschutz, sondern befasst sich fast ausschließlich mit Infrastruktur-Details. Es biete sich hier, so heißt es in der Kurzübersicht, "die einmalige Möglichkeit, die Wegebeziehungen im betroffenen Gebiet insbesondere für den Fuß- und Radverkehr zu verbessern".
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Die Aus- und Umbauprojekte der Bahn im Münchner Osten sind zeitlich gestaffelt. Konkrete Formen nimmt gerade der Ausbau der Truderinger und Daglfinger Kurve und Spange (TDK) an, um den es im Entwurf aus dem Planungsreferat geht. Direkt im Norden schließt sich der viergleisige Ausbau der Strecke von Daglfing bis Johanneskirchen an, der nicht vor 2037 fertig wird. Diese Entflechtung von Güter- und S-Bahn-Gleisen soll Express-S-Bahnen zum Flughafen ermöglichen.
Ob der Abschnitt weiterhin oberirdisch verläuft oder in einen Trog oder Tunnel verlegt wird, untersucht die Bahn gerade. Im Frühjahr 2020 will sie ihre Vorzugsvariante vorstellen. Das Geld für einen Tunnel - so ist der Sachstand momentan - würde die Stadt München aufbringen, die östlich der Trasse ein neues Wohngebiet entwickeln will. Die Tunnelbefürworter allerdings sehen angesichts der hohen Güterverkehrszahlen den Bund in der Pflicht.
Die TDK soll schon bis 2030 fertig sein. Die Gleiskurve zwischen Daglfing und Riem wird zweigleisig ausgebaut, in einen Trog verlegt und die eingleisige Verbindungskurve zwischen Trudering und Riem modernisiert. Zudem soll die eingleisige Truderinger Spange zwischen Trudering und Daglfing ein zweites Gleis bekommen. Damit können mehr Züge in höherem Tempo - in den Kurven 80 Stundenkilometer, auf der Spange 100 - den Bahnknoten passieren. Mit dem Ausbau der Truderinger Kurve bekämen die Güterzüge vom Brenner eine schnelle Verbindung Richtung Mühldorf ohne Umweg über den Ostbahnhof, mit der Daglfinger Kurve Züge aus Mühldorf direkten Anschluss an den Rangierbahnhof Nord, auf der ausgebauten Spange könnte mehr Verkehr vom Brenner zum Nordring passieren. Der Bahn-Südring würde entlastet, die Strecke durch Bogenhausen deutlich stärker belastet.
Diese Projekte werden im Entwurf aus dem Planungsreferat nur referiert, nicht bewertet. Erwähnt wird zusätzlich die von Anwohnern entwickelte Alternativtrasse für die Truderinger Spange, die von der Bahn aber mittlerweile verworfen wurde. Auf gut 15 Seiten geht es dann um mögliche Umbauarbeiten an der Thomas-Hauser- und Xaver-Weismor-Straße, um die Auflassung des Bahnübergangs an der Graf-Lehndorff-Straße, die Verschiebung der Riemer Straße nach Nordosten, eine neue Überführung für die Rappelhofstraße, die Verlegung von Grasbrunner Straße und Hüllgraben und um Radwege von Berg am Laim nach Daglfing und Riem.
Zu den Grundsatzfragen kommen die Entwurfsverfasser aus dem Planungsreferat auf Seite 21. Der Verkehr durch Trudering und Bogenhausen werde zunehmen, heißt es da, die Belastungen für die Anwohner könne die Stadt aber "nur bedingt beeinflussen". Sie favorisiere als Alternative ohnehin den Ausbau der Umfahrungsstrecke von Regensburg über Mühldorf nach Rosenheim. Denn auf dem mit Güterzügen künftig stärker belasteten Nordring sollen ja auch noch Personenzüge fahren. Dazu wird auf eine separate Vorlage verwiesen.
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Kategorisch lehnt das Planungsreferat einen zentralen Ansprechpartner für die TDK ab und pocht auf die eigene Zuständigkeit. Dies sei im Geschäftsverteilungsplan klar geregelt. Die Zuständigkeit könne aber "in den nachfolgenden Planungsschritten bzw. bei der Begleitung der Bauausführung wechseln". Für die Infrastruktur sei "der Bund alleinverantwortlich zuständig", für die Planung die Bahn. Die Stadt könne sich nur im Planfeststellungsverfahren äußern: "Die Einflussmöglichkeiten sind daher stark beschränkt." Und wer Infos wolle, habe einen klaren Ansprechpartner: "In diesem Sinne ist die Forderung nach einer Ansprech- und Informationsstelle an die DB AG zu richten."
Für Klaus-Walter Kröll, den Vorsitzenden der BI Bahntunnel, ist dieser Entwurf ein "Offenbarungseid". Längst habe der Bund die Güterverkehrsumfahrung Rosenheim-Regensburg zurückgestuft, längst stehe der Nordzulauf zum Brenner-Basistunnel via München im vordringlichen Bedarf, doch das "beeindruckt im Planungsreferat offenbar niemanden", beklagt er. "Es gibt nur planerisches Straßenbau- und Radwege-Kleinklein." Dabei gefährde der Ausbau des Güterverkehrs den Ausbau von S-Bahn- und Regionalverkehr auf dem Nordring, dabei habe das Bundesverkehrsministerium auf Nachfrage von Bundestagsabgeordneten und Bürgern Ende Oktober sehr klargestellt, dass der Bund der Bahn keine Vorgaben für ihre Projektabschnitte mache, dass es also durchaus Einflussmöglichkeiten gebe.
"Dazu bräuchte man aber Engagement, tiefe sachliche Einarbeitung in Eisenbahnfragen und Manager-Eigenschaften seitens der Stadt", stellt Kröll fest - Dinge, die er im Gebaren der Verwaltung offenbar vermisst. Denn zum Abschluss stellt er die Frage: "Wie sollen der Oberbürgermeister und der Stadtrat Münchens Interessen vertreten, wenn sie keine professionelle Beratung haben?"
Ins gleiche Horn stößt die Bogenhauser CSU. Zur jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses (BA) präsentierte sie - für die übrigen Parteien überraschend - einen Antrag mit dem Titel "Daten beschaffen, aus einem Guss planen, Anwohnerschutz gewährleisten". Der größte Teil davon wurde auf Dezember vertagt. Bis dahin aber soll die Stadtverwaltung dem BA nach einstimmigem Beschluss schon einmal Auskunft zu zwei Themenkomplexen geben: Zum einen soll die Bahn für die Strecke von Trudering bis Johanneskirchen die Prognosezahlen für 2030 und 2050 und den zusätzlichen Verkehr durch den Brenner-Basistunnel zur Verfügung stellen. Zum anderen soll die Stadt untersuchen, ob angesichts der vielen Güterzüge die Gleiskapazität für S-Bahnen und Regionalzüge überhaupt noch reicht.