Demonstrationen in München:Solidarität mit Israel, aber auch mit den Palästinensern

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Keine Plakate, keine Slogans: Am Schweigemarsch beteiligten sich 550 Menschen. (Foto: Johannes Simon)

Das Wochenende steht im Zeichen des Nahost-Kriegs. Auf mehreren Kundgebungen treten die Redner für Frieden ein, den Schlusspunkt bildet ein Schweigemarsch für alle Länder, die von Krieg geplagt sind.

Von Sabine Buchwald und Tom Soyer

Der Krieg in Nahost und das Mitgefühl mit den Opfern jener Gewalt haben das Demonstrationsgeschehen in der Münchner Innenstadt am Wochenende geprägt. Den größten Zulauf hatte dabei eine propalästinensische Kundgebung am Freitagabend auf dem Odeonsplatz mit bis zu 1100 Menschen, die ebenso friedlich verlief wie die anderen Demonstrationen.

Am Samstag war Nahost auch Thema bei einer Kundgebung zum internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen mit bis zu 500 Menschen. Ein breites Bündnis Münchner Stadtratsparteien sowie jüdischer Organisationen brachte am Sonntagnachmittag immerhin noch an die 400 Menschen auf den Odeonsplatz, um Solidarität mit Israel zu bekunden. Und etwa ebenso viele Menschen beteiligten sich an einem Friedens-Schweigemarsch am Sonntagabend vom Odeonsplatz zum Friedensengel.

"Solidarität mit Israel" forderten Demonstranten am Wochenende auf dem Odeonsplatz. (Foto: Robert Haas)

Allen rhetorischen und diplomatischen Fallstricken ist der vom Ägyptologen und Koptologen Professor Stefan Wimmer und den "Freunden Abrahams" organisierte Schweigemarsch für den Frieden geschickt aus dem Weg gegangen: Knapp 400 Menschen haben sich in der Kälte am Sonntagabend von der Feldherrnhalle zum Friedensengel mit Lampions, Kerzen und Laternen "auf den Weg gemacht für die Menschlichkeit", so Wimmer. Ihren überparteilichen, ja universellen Wunsch nach Frieden beziehen die Veranstalter auf Israel und Palästina, aber auch auf die Ukraine, den Sudan, Syrien und alle anderen Länder, die von Krieg geplagt sind.

"Viele Menschen wollen dem Geschehen auf der Welt etwas entgegensetzen", so Wimmer, "doch sinnvoll tun können wir wenig; Worte werden falsch verstanden, sogar Gebete werden abgesagt. Wir wollen deshalb schweigend durch München ziehen, mit nichts anderem als Kerzenlichtern." Tatsächlich verzichteten die "Freunde Abrahams" auf Reden, um all den herrschenden Unfrieden und all die Spaltung "zu überdröhnen mit unserem Schweigen". An dem stillen Marsch beteiligte sich auch Heinrich Bedford-Strohm, bis Ende Oktober noch Bayerns evangelischer Landesbischof, aber auch katholische Ordensleute und viele Familien.

Ludwig Spaenle fordert, dem wachsenden Antisemitismus mehr entgegenzuhalten

Eisiger Wind, Minusgrade und obendrein Schneefall prägten auch die anderen drei Veranstaltungen. Angesichts der zurückhaltenden Beteiligung sprachen einige Redner bei der Israel-Solidaritätsveranstaltung am Sonntagnachmittag von einer Enttäuschung. Kabarettist Christian Springer formulierte das unter Applaus so: "Schön, dass ich hier eine so große Menge vor mir habe - aber wir sind immer noch zu wenige! Das nächste Mal sind wir mehr, oder?"

Er blieb nicht der einzige Redner, der sich ein deutlicheres Zeichen gewünscht hätte. Denn die Solidarität mit Israel ist aus seiner Sicht lebensnotwendig für eine gesunde Demokratie, ohne sie drohe angesichts des wachsenden Antisemitismus hierzulande "ein Klima von faschistischer Unterdrückung". Es sei notwendig, sich gegen die Terrororganisation Hamas an Israels Seite zu stellen - denn die Hamas leugne den Holocaust "und sagt, Hitler war ein guter Politiker".

Deutlich wurde auch CSU-Politiker Ludwig Spaenle, der seit gut fünf Jahren als Antisemitismusbeauftragter der bayerischen Staatsregierung fungiert. Er forderte dazu auf, dem wachsenden Antisemitismus mehr entgegenzuhalten, auch durch größere Anstrengungen bei der schulischen sowie der Erwachsenenbildung. Antisemitismus sei strikt zu bekämpfen, "wir müssen die BDS-Kampagne verbieten". Mit BDS ist die antiisraelische Boykott- und Isolationsbewegung "Boycott, Divestment and Sanctions" gemeint.

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Grünen-Stadträtin Mona Fuchs, die in dem breiten Veranstalterbündnis Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) vertrat, hatte die erste der 20 Reden gehalten und klargestellt: "Israel muss von seinem verbrieften Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch machen." Sie empörte sich darüber, dass gerade in Medien von einem "Geiselaustausch" die Rede sei, das sei "eine Dummheit, eine Täter-Opfer-Umkehr". Denn da würden straffällige Palästinenserinnen und Palästinenser, die in einem Verfahren verurteilt wurden, ausgetauscht gegen unschuldige Kinder.

Auch das Münchner SPD-Vorstandsmitglied Raoul Koether erhielt viel Applaus vor der Feldherrnhalle. Er zitierte ein Schreiben der anwesenden, fast 90-jährigen Ruth Melzer, die als Zehnjährige Auschwitz überlebte. "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass 80 Jahre nach dem Holocaust die Hamas kommen konnte und Kinder, Frauen, Menschen abschlachtete", so Melzer. "Wir lassen uns nicht ins Meer werfen!" Es könne nicht sein, dass Juden in München inzwischen Angst hätten, ihre Religion zu zeigen, so Koether. "Nie wieder" gelte jetzt.

Münchner Fraueninitiativen und Verbänden hatten zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen zu Protesten aufgerufen. (Foto: Robert Haas)

Ohne Zwischenfälle war bereits am Samstag auch die zweieinhalbstündige Demonstration eines breiten Aktionsbündnisses von Münchner Fraueninitiativen und Verbänden zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen verlaufen. Zum Auftakt am Georg-Freundorfer-Platz kamen rund 300 Menschen zusammen, in der deutlichen Mehrzahl Frauen, beim Umzug durch die Stadt Richtung Karl-Stützel-Platz am Alten Botanischen Garten waren es bis zu 500, bei der Schlusskundgebung im eisigen Schneetreiben dort dann nur noch etwa 150. Skandiert wurden Parolen gegen "Patriarchat" und "das System", auch gegen den "Rechtsruck" und "die Stärkung patriarchaler Strukturen" durch die AfD, aber auch durch den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz. Alle Demo-Auflagen wurden befolgt, insbesondere jene, keine Nationalflaggen zu zeigen, die Polizei hatte keine Mühe.

Die Polizeistatistik zur "Gewalt gegen Frauen" im engeren Raum München belegt einen erschreckenden Zuwachs: Im Jahr 2022 wurden insgesamt 3069 Fälle von "häuslicher Gewalt" und 1892 Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung erfasst, das seien 703 Fälle mehr als 2021. Zudem wurden 2022 drei versuchte Tötungsdelikte im Bereich München verzeichnet, zwei dieser Taten mit tödlichem Ausgang.

Am Ende der Demo am Samstag gab es auch Redebeiträge, die sich mit dem Nahostkonflikt befassten. Israels Politik wurde scharf und zugespitzt kritisiert mit Worten wie "Unterdrückung", "Besatzung" und auch "Genozid" und "Apartheid", jedoch ohne verbale Attacken auf das Existenzrecht Israels und immer in Verbindung mit ausdrücklicher Kritik am aktuellen Hamas-Terror.

"Freiheit für Pälestina" forderten Demonstranten vor der Feldherrnhalle. (Foto: Robert Haas)

Unter dem Motto "Freiheit für Palästina. Stoppt den Genozid. Stoppt den Krieg" haben außerdem bereits am Freitagabend bis zu 1100 Menschen demonstriert und zogen vom Odeonsplatz zum Mariahilfplatz. Der Münchner Zweig der deutschlandweiten Bewegung "Palästina spricht" hatte zu dieser Demo aufgerufen und darauf hingewiesen, dass sie keine rassistischen oder antisemitischen Parolen akzeptierten und dass das Existenzrecht Israels nicht infrage gestellt werden dürfe. Nach Angaben der Polizei blieb die Demonstration bis zu ihrem Ende friedlich.

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