Dreikönigstreffen der Münchner CSU:Der Spitzenkandidat singt ein kritisches Loblied auf Europa

Lesezeit: 3 min

Manfred Weber, der Fraktionsvorsitzende der EVP, hat einigen Szenenapplaus bekommen. (Foto: Robert Haas)

Manfred Weber plädiert für europäische Rüstung, warnt vor digitaler Propaganda - und muss auf ungeplanten Applaus reagieren.

Von Bernd Kastner

Einmal gibt es eine Art Szenenapplaus, allerdings an einer Stelle, an der er offenbar gar nicht vorgesehen war. Manfred Weber steht auf der Bühne im Augustiner-Wirtshaus in der Fußgängerzone, die Münchner CSU hat zum Dreikönigstreffen geladen. Der Chef der Europäischen Volkspartei spricht über das, was Europa im neuen Jahr erwartet angesichts von Krisen und Kriegen in der Ukraine und in Nahost. "Es geht wieder um Grundsätzliches", sagt Weber, der die CSU als Spitzenkandidat in die Europawahl im Juni führt.

Die ruhige Zeit der Zehner-Jahre sei vorbei, es gehe um Frieden und Freiheit und die Demokratie. Weber spannt einen großen Bogen, von der zerstörerischen Europapolitik der AfD bis hin zum wirtschaftlichen Protektionismus Chinas und zur drohenden Trump-Rückkehr in den USA.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Als er über die "Wucht der Digitalisierung" spricht, vor digitaler Propaganda und der Macht von Großkonzernen warnt, plädiert er dafür, jene in den Medien zu stärken, die korrekt informieren. Eher beiläufig erwähnt er, dass es "viel Reformbedarf" bei den öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland gebe. Er wirkt überrascht, als er just an dieser Stelle von Applaus unterbrochen wird. Der Lautstärke nach halten viele der gut 300 CSU-Mitglieder und -Sympathisanten den öffentlichen Rundfunk in Deutschland in seiner jetzigen Form für ein Problem.

Weber aber sagt, in Ländern mit ausschließlich kommerzorientiertem Rundfunk sei es keinesfalls besser. Vielmehr müsse die Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Bürger korrekt zu informieren, "neu erfunden" werden: "Wir brauchen eine Erneuerung dieser Idee in den sozialen Netzwerken." Europa müsse Regeln für die digitale Kommunikation in den Netzwerken konzipieren. Es gelte zu unterbinden, dass online verfassungsfeindliche Inhalte verbreitet werden, die in der analogen Welt verboten sind.

Webers Rede ist eine Werbeveranstaltung für Europa. "Das heutige Europa ist kein perfektes Europa", ruft er, aber es sei "das beste, in dem wir je gelebt haben". Hier ist der Applaus sehr kräftig. Dass Deutschland angesichts der russischen Aggression einen Raketenschutzschild, gekauft in Israel, aufbauen wolle, sei gut. Besser aber wäre, würde die EU einen eigenen Schutzschild entwickeln. Auch deshalb, weil niemand wisse, was ein künftiger US-Präsident Trump womöglich mit Putin verhandle, auf Kosten Europas.

Die außenpolitische Rolle Europas müsse stärker werden, sagt Weber. Die EU müsse mit einer Stimme sprechen, was derzeit aber nur möglich sei, wenn sich alle Mitgliedsstaaten einig sind. "Die Einstimmigkeit in der Außenpolitik muss abgestellt werden", fordert er. Die EU dürfe nicht länger abhängig sein von Personen wie Viktor Orbán, dem ungarischen Ministerpräsidenten, der gerne Beschlüsse verhindert.

Migration, Rüstung, der öffentlich-rechtliche Rundfunk - Manfred Weber handelte eine Reihe von Themen ab. (Foto: Robert Haas)

Und dann wäre da noch das "Megathema", wie Weber die Debatte um Migration nennt. Erfreut sei er über den europäischen Asylkompromiss Ende vergangenen Jahres. Künftig sollen Flüchtlinge bereits an den europäischen Außengrenzen in "Camps" festgehalten werden, um dort zu entscheiden, ob jemand rein dürfe oder zurück müsse. Die Menschen sollen nicht wie bisher in offenen Camps leben, aus denen sie sich gerne "verflüchtigt" hätten und mit Vorliebe nach Deutschland weitergezogen seien. Die Camps sollen geschlossen sein.

Das ganze Asyl-Modell aber, sagt Weber, hänge an der Frage, ob die Herkunftsstaaten bereit seien, mit Europa zu kooperieren, ob sie die abgewiesenen Migranten zurücknähmen. Er selbst habe mit dem Staatspräsidenten Tunesiens gesprochen, dem derzeit wichtigsten Transitland in Nordafrika. Der habe sich beklagt, dass sich Europa nur dann für sein Land interessiere, wenn die Migrationszahlen hoch seien. Weber wirbt dafür, dass Europa mit seiner Nachbarschaft gut umgehe, deren Perspektive verstehen lerne und sie wirtschaftliche unterstütze. "Sie müssen drastisch sinken, die Zahlen." Er meint die Zahlen der Flüchtlinge und Migranten, die nach Europa kommen und bleiben.

Zum Schluss gibt es wieder ungeplanten Applaus. Manfred Weber blickt zurück auf das Geschehen nach der Europawahl 2019: Als er nicht zum Kommissionspräsidenten gewählt wurde, obwohl Spitzenkandidat der siegreichen EVP. Damals sei Schaden an der europäischen Demokratie entstanden. Er sei nach dieser Niederlage aber nicht liegen geblieben, sondern aufgestanden, weil er von der europäischen Idee überzeugt sei. Weber appelliert ans Publikum, die großen Ziele nicht aus den Augen zu verlieren, so wie er, der heute als Chef der größten europäischen Partei auf der Bühne stehe. Da brandet Applaus auf, die CSU-Versammlung erhebt sich, dabei ist Weber gar nicht fertig. Er lacht. "Jetzt haben Sie mir meine Rampe zum Schluss zunichtegemacht." Er kommt dann schnell zum echten Ende: "Wir rocken unser Land, und wir rocken Europa." Der Schlussbeifall fällt kurz aus.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusStadtbevölkerung
:München wächst weiter und wird jünger

Bis 2040 könnten fast zwei Millionen Menschen in der Stadt leben. Der aktuelle Demografiebericht erklärt, woher die meisten neuen Einwohner kommen, in welche Viertel es sie zieht - und wo künftig besonders viele junge Leute leben.

Von Heiner Effern, Joachim Mölter und Sead Mujić

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: