Die Folgen der Corona-Krise:"Es geht jetzt ums nackte Überleben"

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Auch Johannes Schwarz in seiner Gärtnerei hat es nicht leicht. (Foto: Florian Peljak)

Von Gaststätten, Restaurants und Bars leben nicht nur Wirte und Bedienungen. Auch deren Lieferanten stehen jetzt zum Teil vor dem wirtschaftlichen Aus.

Von Franz Kotteder

"Eigentlich bin ich noch in Schockstarre", sagt Johannes Schwarz, sonst ein heiterer Mensch, den nicht so leicht etwas aus der Ruhe bringt. "Es geht halt jetzt ums nackte Überleben." Schwarz steht im großen Gewächshaus seiner Gärtnerei im Stadtteil Johanneskirchen. Eigentlich ist gerade Tomatenzeit, 8000 Stauden werden da eingetopft. Das geschieht zum Teil auch, aber alles Weitere ist völlig unklar. "Wir fahren derzeit nicht nur mit angezogener Handbremse", sagt Schwarz, "sondern mit kaputtem Motor."

Die Gemüsegärtnerei Am Schwarzfeld 9 lebt zu 85 Prozent von der Gastronomie. Die gibt es momentan aber so gut wie gar nicht. "Den Rest verkaufen wir auf Kräuter- und Gemüsemärkten", so Schwarz, "die werden aber gerade alle abgesagt." Von heute auf morgen muss er den florierenden Betrieb "auf null fahren, das geht eigentlich nicht, die Natur ist ja ein träges System". Nun hofft er auf staatliche Hilfen. Und darauf, dass über den Einzelverkauf, seine Homepage kinara-gemuese.de und den Naturland-Verband etwas geht.

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So wie Schwarz stehen viele Lieferanten für die Gastronomie jetzt vor dem Nichts. Insbesondere solche, die qualitativ hochwertige Ware oder eher Exotisches anbieten. Martin Zech von der Münchner Bauern-Genossenschaft in Feldmoching hat da noch Glück gehabt. "Wir bauen als Einzige in München Quinoa an", sagt er, "das kann man ein Jahr lang einlagern." Das peruanische Korn, gerne als "Superfood" bezeichnet, war also eine glückliche Wahl, ebenso wie der Topinambur: "Das ist saisonale Ware, die ist jetzt sowieso aus." Zech hofft nun, dass die diversen Hofläden, gute Kunden der Genossenschaft, weiter offen haben. Dann komme er durch die Krise. Anders sieht es bei Lieferanten von nicht lagerfähiger und hochwertiger Ware aus. Die können nicht plötzlich auf Billig- und Massenproduktion umstellen. Wie geht es mit ihnen nun weiter?

"Gute Frage", sagt Nikolai Birnbaum von Birnbaums Fischzucht in Penzing bei Landsberg. Etwa die Hälfte seines Umsatzes macht er mit Forellen, Saiblingen, Karpfen und Huchen für gehobene Restaurants wie etwa den Werneckhof von Münchens Zwei-Sterne-Koch Tohru Nakamura. Die andere Hälfte mit dem eigenen Hofladen und sogenannten "Besatzfischen" für Anglervereine, die gewissermaßen zum Üben in einen Teich ausgesetzt werden. Dass ihm jetzt die Hälfte des Umsatzes wegbricht, ist dramatisch: "So, wie wir arbeiten, können wir dann gerade mal vier bis acht Wochen lang die Gehälter zahlen", sagt er. Im Hofladen hat er jetzt einen Abholservice eingerichtet. Wenn die Kunden vorher anrufen oder über die Adresse service@fischzucht-birnbaum.de bestellen, dann legt er die Fische abholbereit zurück. Auch über einen Lieferservice, "zumindest im Landkreis Landsberg", denkt er jetzt nach. So hofft er, das Gröbste vermeiden zu können.

Mit einem Schlag ist fast der ganze Umsatz weg: Seniorchef Roberto Farnetani hinter der Frischetheke seines Großhandels in Pasing. (Foto: Stephan Rumpf)

Seinem Kollegen Franz Riederer von Paar vom niederbayerischen Gutshof Polting geht es nicht viel anders. Er ist berühmt für sein hervorragendes Lammfleisch, das liefert er an die gehobene Gastronomie in ganz Deutschland. Und manchmal findet man das "Poltinger Lamm" auch auf den Speisekarten von Lokalen, die er nicht beliefert - die schreiben es einfach so drauf, wegen des guten Rufs. Die Schließung jedweder Gastronomie hat ihn kalt erwischt, sagt er, "wir haben letzte Woche ja noch 50 Lämmer geschlachtet". Und jetzt steht Ostern vor der Tür. Deshalb hat er eigentlich noch einmal 400 Lämmer auf dem Hof. Seine beiden Söhne haben gerade einen kleinen Webshop zur Homepage gutshof-polting.de gebastelt; Riederer von Paar hofft nun, dass er bei einem Paketdienst günstige Bedingungen bekommt, um sein Fleisch verstärkt auch an Privatkunden mit der Post auszuliefern. "Die Lämmer hören ja nicht auf zu wachsen", sagt er, "bloß wegen Corona." Die Lebensmittelbranche werde noch große Schwierigkeiten bekommen. So arbeiteten viele Schlachthöfe ja mit Leiharbeitern aus Osteuropa, die nun ebenso wenig zur Verfügung stehen wie Erntehelfer auf den Feldern.

Und da ist auch noch der Großhandel, der mehr oder weniger stark von der Gastronomie lebt. Die Firma Farnetani in Pasing zum Beispiel, sie beliefert normalerweise einige hundert italienische Lokale in München. "Das macht bei uns 90 Prozent vom Umsatz aus", sagt Lorenzo Farnetani, einer der beiden Juniorchefs, "der Rest sind italienische Feinkostgeschäfte." Nun geht noch ein bisschen was mit Lokalen, die vorerst mit ihrem Lieferservice weitermachen, aber ansonsten müssen die Farnetanis die Kosten runterfahren und Kurzarbeit anmelden: "Außer Warten und Hoffen bleibt uns erst einmal nichts übrig."

Florian Breimesser von Aqua Monaco hat zu kämpfen. (Foto: PR)

Das Frischeparadies an der Zenettistraße, bei dem viele Wirte und Köche einkaufen, ist ganz froh, "dass wir uns in den letzten Jahren sehr diversifiziert aufgestellt haben", so Geschäftsführer Christian Horaczek. Hotellerie und Gastronomie seien zwar ein wichtiges Standbein, aber der Feinkosthandel und das Online-Geschäft seien immer wichtiger geworden. Gott seiDank, sagt Horaczek, funktionierten die Lieferketten nach wie vor weitgehend. "Nur die Panama-Ananas, die bleibt momentan erst mal in Panama." Die Konkurrenz in Gestalt des Großmarkts Hamberger am Ostbahnhof bittet nur um Verständnis dafür, "dass wir zur Zeit keine Statements herausgeben und all unser Augenmerk und unsere Energie auf die Bewältigung der Krise legen".

Wenig ist auch von den Münchner Brauereien zu erfahren. Augustiner schweigt auf Anfrage, aber von Augustinerwirten ist immerhin zu erfahren, dass die Brauerei ihnen bei der Pacht der jetzt ja geschlossenen Gaststätten sehr entgegenkommt. Hacker-Pschorr und Paulaner von der Schörghuber-Gruppe antworten fast wortgleich wie die zur AB-Inbev-Gruppe gehörenden Spaten- und Löwenbräu-Brauereien nach einigen Tagen, dass man Vertriebszahlen nicht kommentiere und man auf "Hilfe zur Selbsthilfe" zähle, die Wirte also auf staatliche Unterstützung hinweise. Weitergehende Zusagen gibt es offenbar nicht: "Wir sind mit unseren Gastronomen in Kontakt und arbeiten an Lösungen", heißt es auch bei Paulaner.

Martin Zech hat es mit seinem Hof etwas besser getroffen. (Foto: Robert Haas)

Derartig verschlossen sind die kleinen Getränkeproduzenten nicht, ganz im Gegenteil. Florian Breimesser von Aqua Monaco etwa hat das ganze Wochenende über geschuftet, um zusammen mit anderen wie Giesinger und Haderner Bräu, der Ginmarke The Duke oder Eizbach-Limo und Balis die Aktion "Support your Münchner Drinks" anzukurbeln. Bis zu 80 Prozent des Umsatzes kommen bei den Beteiligten aus der - oft lokalen - Gastronomie. Nun arbeitet man an Liefermöglichkeiten und an Kombipaketen für Privatkunden. Breimesser: "Die Solidarität ist erfreulicherweise sehr groß, auch bei den Kunden."

© SZ vom 24.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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