Corona-Pandemie:München wird Hotspot

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Von Donnerstag an müssen die älteren Schülerinnnen und Schüler in München in den Distanzunterricht. (Foto: dpa)

Der Inzidenzwert reißt die 200er-Marke, ältere Schüler müssen deshalb von Donnerstag an in Distanzunterricht.

Von Julian Hans, Ekaterina Kel, Kassian Stroh und Jakob Wetzel, München

Die Corona-Lage spitzt sich auch in München weiter zu. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Dienstag 202,1 Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen; am Montag lag dieser Wert noch bei 182,5. Damit überschreitet München die Marke von 200 und zählt zu den bayerischen Corona-Hotspots.

Der Zeitpunkt bringt die Stadt in Nöte: Denn ab Mittwoch sollen in Hotspots mit einem Inzidenzwert über 200 eigentlich verschärfte Regeln gelten, unter anderem Distanzunterricht an den Schulen sowie eine Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr. Das hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Sonntag angekündigt. Seitdem hatte die Stadtverwaltung jedoch kaum Zeit, sich auf die Verschärfungen vorzubereiten. Was ab Mittwoch konkret gelte, konnte die Stadt am Dienstagnachmittag noch nicht verbindlich sagen. Das hänge von der neuen Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnung der Staatsregierung ab, hieß es. Sie soll am Mittwoch in Kraft treten, liege aber noch nicht vor.

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Zusätzlich zu der bürokratischen Ungewissheit hat sich nun auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in eine 14-tägige Quarantäne begeben. Das gab seine Sprecherin am Dienstagnachmittag bekannt. Reiters Mutter sei positiv auf das Coronavirus getestet worden. "Damit gilt der OB als Kontaktperson 1 und wird die nächsten 14 Tage bis einschließlich 21. Dezember 2020 von zu Hause arbeiten." Reiter habe jedoch keinerlei Symptome, versichert sie. Ein erster Schnelltest auf das Virus SARS-CoV-2 habe ein negatives Ergebnis geliefert.

Damit zumindest an den Schulen weniger Ungewissheit herrscht, zieht die Stadt hier jedoch bereits Konsequenzen: "Im Vorgriff auf die zu erwartenden Regelungen" gelte an den Münchner Schulen noch nicht am Mittwoch, aber ab Donnerstag, 10. Dezember, von der achten Klasse an Distanzunterricht, teilte die Stadt am späten Dienstagnachmittag mit. Ausgenommen sind Abschlussklassen und Förderschulen. Das Gesundheitsamt und das Bildungsreferat hätten das in Absprache mit der staatlichen Schulaufsicht festgelegt, um Eltern, Schülern und Lehrern "die Gelegenheit zu geben, sich auf die neue Situation vorzubereiten".

Weil die Informationen recht spät kamen, läuft es an vielen Schulen ein bisschen anders

Am Mittwoch dagegen solle noch einmal regulärer Präsenzunterricht gelten, hieß es - also nicht nur kein Distanzunterricht, sondern auch kein Wechselunterricht mit geteilten Klassen, wie ihn die Staatsregierung ursprünglich landesweit für Mittwoch angekündigt hatte. Mit dieser Vereinbarung hat die Stadt jedoch offensichtlich nicht mehr alle Schulen rechtzeitig erreicht. Denn einheitlich umgesetzt wird das nicht: Mehrere Münchner Schulen teilten Eltern und Lehrern am Dienstagnachmittag mit, sie gingen bereits ab Mittwoch in den Distanzunterricht.

Ob die Ausgangssperre schon am Mittwochabend gilt, war bis Dienstagabend weiterhin unklar. Die Münchner dürften dann zwischen 21 Uhr und 5 Uhr ihre Wohnungen nur noch verlassen, um in die Arbeit zu gehen, medizinischen Notfällen zu begegnen, ihre Haustiere zu versorgen, "unterstützungsbedürftigen Personen und Minderjährigen" zu helfen, ihr Sorge- oder Umgangsrecht wahrzunehmen oder Sterbende zu begleiten.

"Ähnlich gewichtige und unabweisbare Gründe" werden akzeptiert. Die Münchner Polizei sieht den neuen Regeln gelassen entgegen. Sie sei seit März mit starken Kräften rund um die Uhr in der Stadt und im Landkreis im Einsatz, erklärte ein Sprecher. "Details unseres einsatztaktischen Verhaltens können unproblematisch an in Teilen veränderte Vorschriften angepasst werden." Im Falle einer nächtlichen Ausgangssperre würden die Streifen dann eben Personen ansprechen, die nach 21 Uhr noch unterwegs sind. Viel größer sei der Aufwand nicht, im Winter sei nachts ohnehin kaum jemand draußen. An einem durchschnittlichen Tag sind in München verteilt über 24 Stunden etwa 1000 Polizeibeamte im Einsatz. Zur Überwachung der wechselnden Regeln waren es seit März etwa 200 Einsatzkräfte mehr am Tag. In Personalnot gerät sie wegen der neuen Regeln nicht, da viele Einsätze, die viele Kräfte binden, derzeit wegfallen - besonders Fußballspiele an den Wochenenden, heißt es von der Polizei.

Leere auf den Straßen ab neun Uhr, keine Glühweinstände mehr, denn ab Mittwoch ist der Konsum von Alkohol unter freiem Himmel untersagt, keine Freunde mehr, die einander nach Feierabend besuchen - muss da auch die MVG ihr Angebot eindampfen? Ein Sprecher sagt, man könne nicht einfach den Schalter umlegen, das lasse schon die Dienstplanung nicht zu. Vorerst fahren Busse und Bahnen normal weiter; im Laufe der Woche wolle man sich aber noch beraten. Auch bei der S-Bahn ändert sich zunächst nichts. "Wir sind gerade jetzt für alle da, die unterwegs sein müssen, und fahren aktuell unser gesamtes Fahrplanangebot", sagt ein Sprecher.

© SZ vom 09.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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