Politik:Diese Münchner Bundestagsabgeordneten handeln den Koalitionsvertrag mit aus

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Einige Münchner Politiker werden bald Zeit in Berlin verbringen - für die Ampel-Koalitionsverhandlungen. (Foto: dpa)

Sieben Politiker aus der Stadt sind an den Gesprächen über eine Ampel beteiligt - und einer macht im Hintergrund Druck.

Von Heiner Effern und Anna Hoben

Für Florian von Brunn brechen hektische Zeiten an. Der Sozialdemokrat aus München hat als Co-Landesvorsitzender seiner Partei in Bayern und Fraktionschef im Landtag schon zwei gewichtige Jobs, doch nun kommt noch eine politische Aufgabe dazu. Er wird deshalb am Mittwoch die Plenarsitzung im Maximilianeum mehr oder weniger im Laufschritt verlassen und so schnell wie möglich nach Berlin reisen, um im Hotel noch ein paar Stunden Schlaf zu finden. Am Donnerstagmorgen darf er dann loslegen und mit vielen Kollegen aus München den Koalitionsvertrag verhandeln. "Das wird spannend", sagt er, und vermutlich auch zeitintensiv.

Das hat für von Brunn schon Folgen, bevor es losgeht mit seiner Arbeitsgruppe Umwelt- und Naturschutz. "Den eigentlich geplanten Urlaub nächste Woche habe ich gecancelt." Am Donnerstag und Freitag wird es erst mal darum gehen, vor allem die Kollegen der Grünen und der FDP kennenzulernen. "Da muss man vorsichtig ausloten, was geht. Ich bin aber zuversichtlich, dass es mehr sein wird, als mit der Union bisher möglich war." Auf insgesamt 22 Facharbeitsgruppen haben sich SPD, Grüne und FDP verständigt, um eine inhaltliche Basis für die angestrebte Ampelkoalition zu finden.

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Von Mittwoch an werden sich diese treffen, und viele Münchner werden in dieser Zeit einen Koffer in Berlin haben. Die Liberalen schicken Bayern-Chef Daniel Föst und ihren Umweltexperten Lukas Köhler, die Sozialdemokraten neben dem gesetzten Co-Landeschef von Brunn die Stadtvorsitzende Claudia Tausend, die Grünen ihre Vize-Bundesvorsitzende Jamila Schäfer und Dieter Janecek. Und in diesem Fall darf man auch deren bisherigen Fraktionschef im Bundestag, Anton Hofreiter, zum Münchner Team rechnen, auch wenn er im Landkreis beheimatet ist. Er wird für die Grünen die Arbeitsgruppe Mobilität leiten und sollte die schwierige Situation des öffentlichen Nahverkehrs in Stadt und Umland auf dem Radar haben.

Beim Thema "Bezahlbarer Wohnraum" unterscheiden sich die Ansichten von SPD, Grünen und FDP stark

Auch die beiden Liberalen werden für ihre Partei jeweils die Arbeitsgruppe leiten. Köhlers Thema wird "Klima und Energie" sein. Föst wird sich um "Bauen und Wohnen" kümmern und dort auf die SPD-Bundestagskollegin Tausend treffen. "Wir Bau- und Wohnungspolitiker kennen uns natürlich über die Parteigrenzen hinweg, ebenso wie die Konzepte der potentiellen Koalitionspartner", sagt Föst. Und schiebt freundlich hinterher, dass er diese auch schätze. Er formuliert auch gleich ein Ziel, das wohl alle unterschreiben können: "Wir müssen Wohnen wieder bezahlbar machen, gerade in Großstädten."

Der Weg der Liberalen dorthin unterschied sich bisher stark von dem der SPD und Grünen. Föst setzt zum Start aber gleich ein sozial-liberales Zeichen. Er sei aus der Familienpolitik zum Thema gekommen, erklärt er, "da ich gesehen habe, wie schwer sich Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen tun, sich bezahlbaren Wohnraum zu leisten". Daran gelte es nun mit Hochdruck zu arbeiten. "Ich freue mich auf die Verhandlungen."

Das gilt auch für Dieter Janecek (Grüne), er hat fast alle sonstigen Termine für die Zeit der Gespräche abgesagt, um "klar fokussiert" zu sein. "Das wird ein sehr arbeitsintensiver Prozess in den kommenden Wochen, schließlich verhandeln wir im Bereich Innovation, Forschung und Wissenschaft über einen Haushalt von mehr als 21 Milliarden Euro."

Einige Teilnehmer der Gespräche kennt er bereits gut, manche weniger. Es wird auch darum gehen, eine persönliche Basis für die Verhandlungen zu finden. "Klar spielt das Menschliche in solchen Gesprächen eine Rolle. Es wird sehr darauf ankommen, dass wir es schaffen Verbindendes herzustellen, aber da bin ich optimistisch."

Seine Parteifreundin Jamila Schäfer leitet für die Grünen die Arbeitsgruppe Europa, zusammen mit der Heidelberger Abgeordneten Franziska Brantner. Am vergangenen Donnerstag haben sie sich zum ersten Mal mit ihren Pendants von SPD und FDP getroffen, in der Berliner Messe, so wie die Spitzen der anderen Verhandlungsteams. Die Stimmung sei gut gewesen, sagt sie, auch wenn alle wussten: "Es wird kein Spaziergang." Viel Arbeit stehe bevor, es werde sicher auch mal anstrengend. Trotzdem haben sie sich fest vorgenommen, nicht bis in die Nacht zu tagen und auch nicht an Wochenenden. Ob sich das durchhalten lässt, wird sich bald zeigen. Denn der Zeitplan ist sportlich: Schon nach ein paar Tagen soll es erste Zwischenergebnisse geben.

Zum Thema Nahverkehr stehe im Sondierungspapier "verdammt wenig drin", findet Reiter

Die große Frage am Donnerstag war erst einmal: Wie kommt man zusammen - also, physisch und kalendarisch? Wo trifft man sich in den kommenden Wochen, und wann? Kennenlernen war angesagt, erste Termine absprechen, ausloten, wie die anderen arbeiten und wie sie sich den kommenden Prozess vorstellen. Anschließend habe man gemeinsam gegessen und auf gute Verhandlungen angestoßen, berichtet Schäfer. Am kommenden Mittwoch steht die erste Sitzung der kompletten Arbeitsgruppe an. Zwölf Mitglieder gehören beim Thema Europa dazu, jeweils vier von jeder Partei.

Die Stadt verfolgt gespannt, zu welchen Ergebnissen die Münchner und ihre Kollegen in Berlin kommen. Aus dem Hintergrund, aber nicht untätig. Schon während der Sondierung gingen zwischen dem Rathaus und der Berliner SPD-Zentrale Mitteilungen hin und her. Insbesondere mit Generalsekretär Lars Klingbeil stand und steht Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in Kontakt. Für die Verhandlungen hat dieser in einem Brief die drängendsten Probleme von Großstädten wie München benannt: "Mieten und Wohnen, der öffentliche Nahverkehr, ausreichend Bezahlung für Erzieherinnen und Pfleger." Zum Thema Nahverkehr stehe im Sondierungspapier "verdammt wenig drin". Darüber hinaus sei auch eine Reform des Krankenhauswesens dringend notwendig. "Es kann nicht sein, dass kommunale Kliniken finanziell schon alleine deshalb die Verlierer sind, weil sie die Notfallversorgung sicherstellen."

Ihm sei schon klar, dass jetzt erst mal die grundsätzlichen Fragen geklärt würden, sagte Reiter. Aber eins muss er noch loswerden, auch für die Zeit danach: Berlin müsse die Kommunen deutlich mehr einbeziehen und Kompetenzen übertragen. Dass der Bund die etwa Höhe der Parkgebühren in München regle, das müsse sich schnell ändern. Viel zu oft läuft es aus Sicht des Münchner OB so: "In Berlin wird entschieden, wir vollziehen es oder baden es aus."

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