Basisumfrage:"Opposition würde der CSU nicht schaden"

Ampelblume

Die Parteien einer künftigen möglichen Ampel-Koalition wollen die Repräsentation Ostdeutscher in Führungspositionen stärken.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Eine Ampel auch in Bayern? Regieren ohne die CSU? An der Basis von SPD, Grünen und FDP zeigt sich da mancher aufgeschlossen. Anderen fehlt dafür momentan noch die "Fantasie".

Von Deniz Aykanat, Matthias Köpf und Olaf Przybilla, München

Eine Mehrheit im Landtag ohne CSU? Womöglich eine Bayern-Ampel? Laut einer Umfrage ist das nicht mehr komplett ausgeschlossen. Und so ganz neu wäre der Wunsch ja nicht, immerhin sann 2013 schon einmal ein Dreierbündnis aufs Ablösen der CSU. Aber ist das überhaupt erwünscht für die Landtagswahl 2023? Die SZ hat sich an der Basis von drei Parteien umgehört: Bei SPD, FDP und Grünen.

Mit der Ampel macht der Dritte Bürgermeister von Herzogenaurach, Michael Dassler (FDP), jetzt bereits seine Erfahrungen. In der mittelfränkischen 23000-Einwohner-Stadt arbeiten SPD, FDP und Grüne in einem Dreierbündnis zusammen - und das funktioniere "sehr gut", sagt Dassler, 56. Es gebe zwar Einzelfragen, bei denen man sich die Freiheit nehme, unterschiedlicher Ansicht zu sein, etwa in der kommunalen Verkehrspolitik. Über die Grundzüge aber bestehe Konsens. Wäre das womöglich auch ein Modell für die Landesebene? Dassler kommt ursprünglich aus dem politisch eher konservativen Milieu, vor seinem Wechsel zu den Liberalen war er 25 Jahre CSU-Mitglied. Ein Bündnis auf Landesebene aber kann er sich gut vorstellen. Wenn die "persönliche Chemie" stimme, sei das genauso denkbar wie in Berlin. Dass die CSU auch mal in die Opposition müsse, sei zwar kein "Wert an sich". Bayern stehe ja unbestritten gut da. Trotzdem "würde Opposition vermutlich auch der CSU mal guttun", sagt er.

Dafür, nach so langer Zeit die schwarzen Seilschaften zu lockern und die CSU von der Macht zu lösen, wäre Karl-Heinz Brauner erklärtermaßen "wirklich alles recht außer der AfD". Nur dürften sich die Grünen dann nicht wieder von der FDP über den Tisch ziehen lassen und die bayerische SPD müsste doch deutlich frischer werden, sagt Brauner, der früher lange mit den Sozialdemokraten sympathisiert hat und inzwischen schon ebenso lange für die Grünen im Rosenheimer Stadtrat sitzt. Schwarz-grün hätte Brauner nach eigenen Worten zwischenzeitlich auch für möglich und vielleicht sogar für ganz reizvoll gehalten, aber da habe sich inzwischen gezeigt, dass Ministerpräsident Markus Söder mit so einem Projekt höchstens ein bisschen Greenwashing seiner Partei betreiben wolle. Also die Ampel gerne auch auf Landesebene - "aber wenn, dann in Bayern mit einer grünen Ministerpräsidentin oder einem grünen Ministerpräsidenten".

Ramona Brehm, 31, ist SPD-Stadträtin und Schornsteinfegerin im oberfränkischen Coburg. Nicht zuletzt bei ihrer Kundschaft, erzählt sie, spüre sie eine große Sehnsucht nach "mehr Gerechtigkeit" und danach, "den Filz in Bayern" und die politisch festgefahrenen CSU-Strukturen mal aufzubrechen. Danach, dass die politischen "Platzhirsche mal Platz machen". Ob das mit einer Ampel auch im Land funktionieren könnte? Brehm ist da nicht grenzenlos optimistisch. Die FDP fühle sich doch sehr "den Spitzenverdienern" verpflichtet. Brehm erzählt, dass der Kontakt mit der FDP in der Stadt "ausbaufähig" sei - auch wenn es bei den Liberalen durchaus Personal gebe, mit dem man sich gewinnbringend austauschen könne. Ausschließen aber möchte sie nichts. "Opposition würde der CSU nicht schaden", sagt sie.

Johannes Espermüller, Tierarzt und FDP-Stadtrat im schwäbischen Kaufbeuren, kann sich eine Ampel auch in Bayern "sehr gut vorstellen". Ob er sie sich auch wirklich wünschen soll, weiß Espermüller allerdings noch nicht. Da gelte es jetzt erst einmal zu schauen, wie sich eine mögliche Ampel auf Bundesebene entwickle. Im Stadtrat arbeite man etwa mit der grünen Fraktion "ganz erfolgreich" zusammen, denn "es gibt auch Grüne, die einen weiterhin seinen Diesel fahren lassen und das auch selber tun". Und rein inhaltlich seien die drei Ampel-Parteien "ja so weit nicht auseinander". Man müsse nur offen und vorurteilsfrei aufeinander zugehen, statt die alte Vorurteile zu pflegen, sagt der FPD-Mann Espermüller und betont, dass das ausdrücklich auch für seine eigene Partei gelte.

Die Sozialdemokratin Sabine Bachmeier sieht da allerdings durchaus noch "Themen, bei denen man schon eine Zeit bräuchte, um einen gemeinsamen Weg zu finden". Die Burghauser Stadträtin hat etwa den sozialen Wohnungsbau und überhaupt die Sozialpolitik im Blick, "in der der Markt eben nicht alles gut regelt", auch wenn es es die FPD immer wieder behaupte. Für viele Menschen gehe es beim Thema Wohnen längst "nicht mehr um Luxus, sondern ans Eingemachte". Sie persönlich habe trotzdem "keine Angst vor der FDP", sagt Bachmeier, denn man könne und müsse eben miteinander auch über diese Themen reden. Mit den Grünen gäbe es da aus ihrer Sicht weniger Probleme und "mehr gemeinsame Überschriften, unter denen wir uns versammeln könnten". Eine bayerische Ampel um jeden Preis, nur um endlich die CSU abzulösen, hält Bachmeier aber nicht für das Richtige.

Für Stefan Wagener, Stadtrat der Grünen im unterfränkischen Aschaffenburg, ist die CSU die große Verliererin der Bundestagswahl. Eine Ampel auch in Bayern hielte er schon deshalb für "durchaus vorstellbar". Allerdings nichts, was ein Selbstläufer wäre. Denn was die FDP gerade in Bayern betreffe, da sei er doch "sehr skeptisch". Als diese mit Wirtschaftsminister Martin Zeil im Freistaat mitregiert habe, sei die FDP immerhin federführend verantwortlich gewesen für das Landesentwicklungsprogramm - und das habe "Bayern ganz schön versaut", findet Wagener. Die CSU dagegen könne mit Politikerinnen wie Barbara Stamm oder Emmi Zeulner durchaus Personen vorweisen, mit denen man sich als Grüner sehr gut vorstellen könnte, gemeinsam Politik zu machen, sagt Wagener. Das Lagerdenken halte er für überholt, heute müsse man pragmatisch denken.

Pragmatisch gibt sich erstmal auch Nils Gründer, Vorstand der FDP im oberpfälzischen Neumarkt. Grundsätzlich spreche die FDP mit allen demokratischen Parteien. Der 24-jährige Student attestiert den drei Parteien im Bund ein gutes Miteinander und kann sich vorstellen, dass das "auch bis nach Bayern durchschlägt". Zwar sei die Überschneidung immer noch am größten mit der CSU. Aber mit Markus Söder an der Spitze hat er so seine Probleme - vor allem mit dessen Corona-Politik. Die Beschneidung der Freiheitsrechte, die Ausgangssperre, das seien Inhalte, die komplett konträr zur FDP stünden, Inhalte, die vor allem Söder vertrete. Die Söder-CSU steht für Gründer, der mehrere Jahre im Landesvorstand der Jungen Liberalen war, für einen veralteten Politikstil. Bei der Frage, ob eine Ampel in Bayern denkbar wäre, entfährt ihm ein: "Ja klar!"

Rita Röhrl von der SPD sieht das etwas anders. Die Landrätin des niederbayerischen Landkreises Regen hält die Ampel im Bund für die beste Lösung. Aber in Bayern kann sie sich das nicht vorstellen, "da fehlt mir noch die Fantasie". Grundsätzlich findet sie es positiv, dass über Mehrheiten jenseits der CSU nachgedacht werde. Aber nur damit die CSU nicht regiert? Das ist für Röhrl ein zu kleiner gemeinsamer Nenner. "Man darf Koalitionen nie nur rein rechnerisch betrachten." In den Städten gebe es zwischen Grünen und SPD wenige Unterschiede. "Aber auf dem Land sieht es anders aus." Außerdem warnt Röhrl davor, sich vom Erfolg der Bundes-SPD einlullen zu lassen. "In Berlin ist die SPD definitiv nicht Juniorpartner." In Bayern könnte das mit den erstarkenden Grünen in einer Ampel aber der Fall sein. Regierungsverantwortung will sich Röhrl verdient haben. "Ein Zuwachs an Stimmen muss sein."

Dass sich Grüne und SPD auch in der Stadt nicht einig sein müssen, sieht man in Regensburg. Dort regiert die SPD mit CSU, FDP, Freien Wählern und CSB - eine Koalition, die zeitweise so aussieht, als stütze sie sich eher auf ein Rechenmodell denn auf gemeinsame Inhalte. "Ich glaube, die SPD ist inzwischen nicht mehr ganz so glücklich mit der CSU als Partner", sagt Stefan Christoph, Vorsitzender der Grünen-Stadtratsfraktion. Die FDP war bei der Bildung der Regensburger Koalition das Zünglein an der Waage - so wie nun im Bund - , und die wollte in Regensburg mit der CSU zusammengehen. Mit der SPD gebe es eigentlich genug Gemeinsamkeiten. "Ich kenne einige SPD-Kreisverbände, mit denen kann ich mir das gut vorstellen", sagt Christoph. Und: "Eine Regierung ohne CSU wäre gut für Bayern." Da ist er wieder, der gemeinsame Nenner.

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