Beckenbauer-Gedenken:So trauert München um den "Kaiser"

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"Danke Franz" steht an der Arena in Fröttmaning. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Das Stadion erstrahlt mit dem Schriftzug "Danke Franz", an seinen Wirkungsstätten in Giesing brennen Kerzen, es gibt erste Rufe, eine Straße umzubenennen. In der Arena wird der FC Bayern eine große Gedenkfeier für Franz Beckenbauer veranstalten.

Von Heiner Effern und Joachim Mölter

In München ist es über Nacht kälter geworden, von Montag auf Dienstag. Messbar in Grad Celsius an den Temperaturen, aber für viele gefühlt auch wegen des Todes von Franz Beckenbauer, dem berühmtesten Fußballer der Stadt, an dessen Strahlkraft man sich stets wärmen konnte. Nun scheint die Zeit stillzustehen, wie eingefroren, zumindest beim FC Bayern München, Beckenbauers Verein. Der Klub hat seine Internetseite schwarz-weiß eingefärbt: "Der FC Bayern trauert um Franz Beckenbauer." Jemand hatte noch am Montagabend nach Bekanntwerden des Todes ein Gesteck vor der Geschäftsstelle an der Säbener Straße abgelegt und eine Kerze angezündet.

Franz Beckenbauer im Jahr 2016 in der Allianz Arena. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Von 1964 bis 1977 spielte Beckenbauer für den FC Bayern, holte als Spieler und Trainer praktisch alle Titel des Fußballs nach München, führte die Nationalmannschaft zum WM-Erfolg in seiner Heimatstadt und holte das Weltturnier 2006 nach Deutschland - mit sechs ausverkauften Partien in der Fröttmaninger Arena. Dort soll am 19. Januar ab 15 Uhr eine große Gedenkfeier für Franz Beckenbauer stattfinden. Dies teilte der deutsche Fußball-Rekordmeister am Dienstagabend mit. Die Münchner laden demnach "Freunde und Wegbegleiter aus dem nationalen wie internationalen Sport, der Kultur und Politik sowie generell alle Fans und die gesamte Fußballfamilie ein, sich in einem besonderen, emotionalen Rahmen vom unvergesslichen "Kaiser" zu verabschieden". Wie der Verein am Dienstag außerdem mitteilte, wird das Stadion in den kommenden Tagen abends von 16.30 Uhr bis 23 Uhr mit dem Schriftzug "Danke Franz" erstrahlen. Am Freitag beim Bundesliga-Heimspiel gegen die TSG 1899 Hoffenheim (20.30 Uhr) soll die Beleuchtung sogar bis 1 Uhr zu sehen sein.

Ex-FCB-Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge (li.) und OB Dieter Reiter bei der Meister- und Pokalsiegerfeier im Münchner Rathaus im Jahr 2019. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Stadt drückt ihre Trauer und Wertschätzung für Beckenbauer aus, indem sie bis Freitag ein Kondolenzbuch auslegt, "in das sich alle Münchnerinnen und Münchner eintragen können", erklärte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Das Rathaus ist bis Donnerstag täglich geöffnet von 9 bis 17 Uhr, am Freitag von 9 bis 13 Uhr. Weitere Ehrungen wie die Umbenennung einer Straße oder eines Platzes nach dem Verstorbenen sind wahrscheinlich. Die FDP und die Bayernpartei haben das bereits offiziell beantragt. Üblicherweise befindet darüber der Ältestenrat des Stadtrats. "Alles Weitere werden wir in den nächsten Tagen festlegen", kündigte Reiter an.

Das Kondolenzbuch im Rathaus liegt gegenüber Raum 200 aus. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Oberbürgermeister hatte sich in einer ersten Reaktion am Montagabend bestürzt gezeigt: "Die Nachricht vom Tod von Franz Beckenbauer trifft mich sehr. Mit ihm geht eine Ära zu Ende. Er war ein Ausnahmefußballer, ein großes Vorbild für so viele Fußballfans. Was bleibt sind seine Inspiration für Generationen von Fußballspielern", sagte der bekennende Bayern-Fan: "Ganz persönlich werden mir die Gespräche mit ihm fehlen. Seiner Frau und seinen Kindern wünsche ich viel Kraft für diese schwierige Zeit."

Auch Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) betonte die Verdienste Beckenbauers um seine Heimatstadt. "Er war bodenständig und weltläufig zugleich und dadurch typisch für München. So einen positiven Botschafter hatte unsere Stadt nie zuvor." In Anspielung auf Beckenbauers Zeit in New York und seine internationale Ausstrahlung vermutete Krause, dass er "vermutlich der erste Giesinger im Studio 54" gewesen sei, einem der berühmtesten Nachtclubs der Metropole.

Die Fußball-Legende wuchs in diesem Haus in der Zugspitzstraße auf. (Foto: René Hofmann)

Aufgewachsen war Beckenbauer in der Nachkriegszeit in der Zugspitzstraße 6 in Giesing. Die Beckenbauers wohnten dort zeitweise zu acht in der Wohnung im vierten Stock. Als Bub habe er Lumpen und Alteisen gesammelt, um eine Stoffkugel gegen einen Lederball zu tauschen, sagte er mal. So begann seine Weltkarriere.

Gedenken vor dem Haus in der Zugspitzstraße. (Foto: René Hofmann)

Am Montagabend hatte jemand vor der ersten Wohnadresse Beckenbauers eine Kerze aufgestellt und einen Zettel ausgelegt. "Danke, Franz!" heißt es darauf schlicht. Auch die beiden früheren Bayern-Spieler und 2014er-Weltmeister Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger trauerten.

Beckenbauer und Philipp Lahm (re.) bei der Gala zur Einweihung der Hall of Fame des deutschen Fußballs im Jahr 2019. (Foto: Ina Fassbender/dpa)

Beckenbauer sei die größte Figur, "die der deutsche Fußball je hervorgebracht hat", schrieb Lahm beim Portal X (früher Twitter). Der WM-Kapitän von 2014 fügte an, dass Beckenbauer seiner Zeit "unendlich weit" voraus gewesen sei. "Die WM 2006, das Sommermärchen, brachte einer selbstkritischen Nation bei, sich wieder zu mögen", schrieb Lahm. Dieser gesellschaftliche Erfolg wäre ohne Beckenbauer nicht möglich gewesen. Er, Lahm, sei "unendlich dankbar, dass ich Teil davon sein durfte".

Bastian Schweinsteiger schreibt während der WM 2006 Autogramme - vor einem Hotel in Castrop-Rauxel, in dem die deutsche Fußball-Nationalmannschaft Quartier bezog. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Bastian Schweinsteiger, der ebenfalls bei der WM 2006 in Deutschland spielte, schrieb: "Danke für alles, Kaiser - ich werde Dich nie vergessen!"

Franz Beckenbauer, damals FC-Bayern-Präsident (von li.), Ex-Oberbürgermeister Christian Ude und der damalige Präsident des TSV 1860 München, Karl-Heinz Wildmoser besichtigen im Jahr 2001 eines der beiden Siegermodelle der neuen Arena. (Foto: Frank Leonhardt/dpa)

Der frühere Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) nimmt den Tod von Beckenbauer als "gravierenden Abschied" wahr, für sich und die Stadt. "Er hat mich fast ein Leben lang begleitet", sagte er am Telefon. Schon 1971 bei einer Zugfahrt in die Türkei hätten ihn mitreisende Gastarbeiter gefragt, woher er denn komme. Als Ude "aus München" antwortete, war ihre Reaktion für den bekennenden Löwenfan schwer zu verkraften: "Ahh, die Stadt von Beckenbauer." Später trafen sie sich im Amtszimmer wieder, als Beckenbauer nicht nur mit seiner Lebensgefährtin, sondern auch mit seiner Mutter erschien, um eine Auszeichnung entgegenzunehmen. "Lustig, herzlich und anregend" sei das Treffen verlaufen, erinnert sich Ude.

Später lernte ihn der damals amtierende Oberbürgermeister auch von einer anderen Seite kennen. Als Beckenbauer für seinen FC Bayern vehement ein eigenes neues Fußballstadion forderte, sei er anfangs "ungeduldig, ja fast unbeherrscht" auf die Stadt losgegangen. Es dauerte, bis sich Stadt und Verein annäherten, letztlich machten Ude und Beckenbauer gemeinsam Werbung für die Arena in Fröttmaning. International sei das Stadion als "Kaiser-Palast" angesehen worden, erinnert sich Ude. Das dort ausgetragene Eröffnungsspiel der WM 2006 wäre ohne Beckenbauers Einfluss nicht möglich gewesen: "Es hat die Stadt München als Figur des öffentlichen Lebens geprägt."

Im Flagship-Store des FC Bayern hinter dem Rathaus ließ sich am Dienstag gleich nach Ladenöffnung der erste Fan das aktuelle Heimtrikot des Klubs mit Beckenbauers Nummer 5 beflocken. Ansonsten verliefen sich zunächst Touristen aus Asien in den Store, die mit dem Namen Franz Beckenbauer wenig anfangen konnten ("spielt er noch?"), oder Mütter, die für ihre Söhne nach einem Geschenk suchten.

Im Bayern-Museum in der Arena nähert sich Besucher Florian Surkamp seinem Idol an. (Foto: Stephan Rumpf)

Im Bayern-Museum in der Fröttmaninger Arena, in der auch ein Kondolenzbuch ausgelegt werden sollte, war mehr Betrieb. Aber auch dort waren vor allem Touristen unterwegs. Florian Surkamp aus Landshut war als einer von wenigen als FC-Bayern-Fan zu erkennen dank Klub-Mütze und entsprechendem Fanschal mit eingesticktem Namen. Im Museum dreht sich seit jeher viel um Franz Beckenbauer, Surkamp schwärmte von "den ganzen Reliquien, die hier vorhanden sind". Er sagte, Beckenbauers Tod mache wohl jeden betroffen: "Er war ja eine Ikone des deutschen Fußballs, nicht bloß des Vereins."

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