Münchner Historie:Kontraste der Vergangenheit

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Für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg stellte die amerikanische Verwaltung Bagger und Lastwagen bereit, aber auch Personal, das die Räumaktion überwachte, wie Georg Fruhstorfer 1949 sah. (Foto: N/A)

In der Bayerischen Staatsbibliothek ist die herrliche Ausstellung "München. Schau her!" zu sehen, mit mehr als 270 Fotografien aus den Archiven.

Von Sabine Buchwald

Nie wieder. Nie wieder wird irgendjemand aus der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek (Stabi) eine dieser Kostbarkeiten des Hauses in die bloßen Hände nehmen dürfen. 1936 aber war man nicht zimperlich, wenn es darum ging politisch zu gefallen. Georg Leidinger, der damalige Leiter eben jener Sektion des Hauses, hatte die wohl wertvollsten Schriften des Hauses, gebündelt unter edelsteinbesetzten Buchdeckeln, ohne Schutzhandschuhe in seinen Fingern. Er zeigte sie am 7. Januar 1936 jenem Mann mit dem messerscharfem Scheitel, der schon bald unfassbares Leid über die Welt bringen würde. Dieser beugte sich mit einem angedeuteten Lächeln über die fahrlässig präsentierten Schätze.

Festgehalten hat die Szene, die Cornelia Jahn heute aufjaulen lässt, der Fotograf Heinrich Hoffmann. Das Bild ist eines von mehr als 270 Fotografien in der soeben beginnenden Ausstellung "München. Schau her!", die Jahn kuratiert hat. Zu sehen ist sie bis 21. Juni kostenfrei in den Gängen und Räumen der Staatsbibliothek.

Bayerische Staatsbibliothek
:"München. Schau her!"

Noch bis zum 21. Juni 2020 sind die Bilder in der Ausstellung zu sehen.

Anderthalb Jahre hat Jahn, verantwortlich für die Abteilung Karten und Bilder, zusammen mit Mitarbeitern die Schau aus den gigantischen Beständen der Staatsbibliothek konzipiert. Dazu gehört auch das Fotoarchiv Hoffmanns, der viel beschäftigter "Reichsbildberichterstatter" im Auftrag Adolf Hitlers war. Der größte Teil seiner geschätzten 2,5 Millionen Bilder wurden nach dem Krieg beschlagnahmt und lagert heute in den National Archives von Washington. Immerhin 66 000 Aufnahmen sind im Lande geblieben und für Forschung und Ausstellungen zugänglich. Dazu gehört auch etwa jenes, das 1933 am Luftschutztag am Holzkirchner Bahnhof entstand, wo vier Kinder eine Bombenattrappe bestaunen. Oder die Aufnahme Kurt Eisners neben seiner Frau vom 21. Februar. Er wollte seinen Rücktritt bekanntgeben und war auf dem Weg zum Landtag, wo er bekanntlich nicht lebend angekommen ist.

Hoffmanns Bilder sind Dokumente der Zeitgeschichte. Nicht zuletzt passen sie aus diesem Grund wunderbar in die fotografische Sammlung der Bibliothek, deren Schwerpunkt auf der dokumentarischen Fotografie liege, wie Jahn bei einem Rundgang durch die Schau betont. Sie gewährt auch einen Blick ins alpine Umland, auf Tourismus und Sport. Zerstörung und Wiederaufbau Münchens aber sind ein Schwerpunkt der Schau. Die Bilder des Fotojournalisten Georg Fruhstorfer (1915 bis 2003) sowie des Schweizer Architekten Tino Walz, von 1946 an Leiter der Schlösser- und Seenverwaltung, zeigen dunkle und helle Seiten der Stadtgeschichte. So ließ sich Walz trotz Verbots bei Todesstrafe nicht davon abhalten, 1944 seine Kamera auf das brennende München zu richten.

Eindrücklich vergrößert sind solche Bilder im Foyer des ersten Stocks zu sehen. Aus konservatorischen Gründen und auch weil die Stabi keinen ausgewiesenen Ausstellungsraum besitzt, werden die ältesten, sehr Licht- und Temperatur empfindlichen Aufnahmen in den sogenannten Schatzkammern im ersten Stock gezeigt. Deshalb begegnet man nur hier Originalen. Sie stecken in Vitrinen, spärlich beleuchtet. Ein wenig Ehrfurcht ergreift den Betrachter, wenn man Stücke in mit Samt ausgeschlagenen Lederetuis betrachtet. Menschen darauf, kaum noch zu erkennen. Wie ungleich sorgloser geht man heute mit dem Fotografieren um. Ein Selfie? Ein Infozettel? Schnell mit dem Phone geklickt und auch wieder weggedrückt. Dafür müssen keine Holzapparate und Glasplatten mehr geschleppt werden. Dies sich zu vergegenwärtigen, kann nicht schaden. Die Ausstellung hilft dabei.

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Es ist experimentierfreudigen Münchner Wissenschaftlern zu verdanken, dass die 1839 von Louis Daguerre in Frankreich und von William Talbot in England erfundene neue Technik der Fotografie schnell auch hierzulande bekannt geworden war. So fertigten der Mathematiker Carl August von Steinheil und der Mineraloge Franz von Kobell erste Aufnahmen auf Salzpapieren oder Metalloberflächen. Vor allem aber probierte der Chemiker Alois Löcherer (1815 bis 1862) immer neue Möglichkeiten aus, Porträts aber auch Landschaften etwa auf Glasplatten aufzunehmen. Er wurde Lehrmeister von Joseph Albert (1825 bis1886) und Franz Hanfstaengl (1804 bis 1877). Die beiden trugen als Hoffotografen maßgeblich dazu bei, dass sich München zu einer Stadt der Fotografie entwickeln konnte. Anfangs ging es vor allem um Porträts, dann auch um Bauwerke. Von Albert stammt etwa ein Lichtdruck aus dem Jahr 1886 von Schloss Neuschwanstein so wie auch das berühmte Bild König Ludwig II., das ihn schon dicklich und ungesund zeigt.

Viel Zeit habe die Auswahl der Bilder in Anspruch genommen, sagt Jahn. Eine Million umfasst etwa das Bildarchiv von Felicitas Timpe, die von den Fünfzigerjahren an das Münchner Kultur- und Gesellschaftsleben begleitete, Klaus Kinski in der Garderobe sah oder türkische Gastarbeiter am Hauptbahnhof. Vom gerade erworbenen Archiv des Magazin Stern gibt man nur wenige Bilder preis. Eine Ausstellung daraus soll 2023 folgen.

München. Schau her! , Bayer. Staatsbibliothek, bis 21. Juni, So.-Fr. 11-18 Uhr, Katalog 29 Euro

© SZ vom 06.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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